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  BFH-Urteil vom 28.11.1991 (IV R 122/90) BStBl. 1992 II S. 342

Zinsen für die gestundete Einkommensteuer einer natürlichen Person können nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden; sie unterliegen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 23. November 1988 I R 180/85, BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116).

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 3; AO 1977 § 234.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Zahnarzt und erzielte als solcher Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Seinen Gewinn hat er aufgrund ordnungsgemäßer Buchführung ermittelt.

Für die Veranlagungsjahre 1984 und 1985 haben der Kläger und seine Ehefrau (die Klägerin und Revisionsklägerin - Klägerin -) Einkommensteuernachzahlungen zu leisten, die auf Antrag gestundet worden sind. Es sind entsprechende Stundungszinsen angefallen. Nach einer mit dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) getroffenen Vereinbarung sind die Stundungszinsen erst nach Tilgung der Hauptschuld zu entrichten. Im Rahmen seiner Gewinnermittlung für das Jahr 1987 bildete der Kläger für diese Stundungszinsen eine Rückstellung in Höhe von 24.000 DM.

Das FA erkannte die Rückstellung nicht an, weil die Stundungszinsen keine Betriebsausgaben, sondern als Nebenleistungen zur Einkommensteuer nicht abzugsfähig seien (§ 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Es hat die Kläger entsprechend zur Einkommensteuer 1987 veranlagt. Über den Einspruch der Kläger hat das FA noch nicht entschieden. Die von den Klägern beantragte Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1987 sowie der Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1988 hat das FA mit Bescheid vom 26. Juni 1989 abgelehnt. Die Beschwerde an die Oberfinanzdirektion (OFD) blieb erfolglos.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids. Die Stundungszinsen seien keine Betriebsausgaben.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 4 Abs. 4 und § 12 Nr. 3 EStG.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 361 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann die Finanzbehörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dessen Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen sie sprechende Gesichtspunkte zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen auslösen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Zweifel sind im Streitfall nicht zu erkennen.

2. Die Vorschrift des § 12 Nr. 3 EStG i. d. F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 (WoBauFG) vom 22. Dezember 1989 (BGBl I, 2408, BStBl I 1989, 505) stellt auch für die Streitjahre (1987 und 1988) klar (§ 52 Abs. 14 c EStG), daß die Einkommensteuer keine Betriebsausgabe ist und daß auch die darauf entfallenden Nebenleistungen nicht als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abgezogen und daher auch nicht durch Bildung einer Rückstellung gewinnmindernd berücksichtigt werden können. Das in § 12 Nr. 3 EStG u. a. für die Steuern vom Einkommen statuierte Abzugsverbot gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen. Davon sind die hier strittigen Stundungszinsen (§ 234 AO 1977) erfaßt. Zinsen wegen gestundeter Einkommensteuer können gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG - beginnend mit dem Veranlagungsjahr 1990 (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG) - daher nur im Jahr der Zahlung (§ 11 Abs. 2 EStG) als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Der gegenteiligen Auffassung der Kläger vermag der Senat nicht zu folgen. Steuern vom Einkommen einer natürlichen Person sind nicht durch den Betrieb, sondern privat veranlaßt. Daß sie nicht im Katalog der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 und 6 EStG) erwähnt sind, unterstreicht dies sogar. Denn § 4 Abs. 5 EStG setzt für die Nichtabzugsfähigkeit in dem Eingangssatz "Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:" ausdrücklich voraus, daß es sich um betrieblich veranlaßte Aufwendungen handelt. Die Stundungszinsen als Nebenleistungen der Einkommensteuer (§ 3 Abs. 3 AO 1977) einer natürlichen Person teilen das Schicksal der Hauptschuld.

Das deutsche Einkommensteuergesetz ist durch die Unterscheidung zwischen der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der Besteuerung entzogenen Sphäre der (privaten) Einkommensverwendung geprägt. Demgemäß sind die den jeweiligen Einkünften zuzuordnenden Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben, Werbungskosten) einerseits und die - grundsätzlich nicht abziehbaren - Kosten der Lebensführung andererseits voneinander zu trennen. Auch wenn die Einkommensteuern einer natürlichen Person eine einkommensteuerrechtlich relevante Erwerbssphäre voraussetzen (vgl. Anm. LS zu dem BFH-Urteil vom 23. November 1988 I R 180/85 in Deutsches Steuerrecht - DStR - 1989, 75, 76), ist doch für die wertende Beurteilung ihres maßgeblichen Bestimmungsgrundes und ihres tatsächlichen Verwendungszweckes eindeutig, daß sie als die persönliche Steuer einer natürlichen Person nicht der Erwerbssphäre, sondern der Privatsphäre zuzuordnen ist. Das gilt auch für die Nebenleistungen wie die hier strittigen Stundungszinsen. Diese steuerrechtliche Qualifikation nach dem Veranlassungsprinzip verdrängt zugleich gemäß § 4 Abs. 1 und 4 i. V. m. § 5 Abs. 1 und § 6 EStG einen handelsrechtlich darüber hinausgreifenden Bilanzausweis. Diese Grundsätze sind durch den Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/1988 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II.) zur Abzugsfähigkeit von Kontokorrentzinsen nochmals nachdrücklich herausgestellt worden. Inzwischen hat der erkennende Senat das für die Einkommensteuer einer natürlichen Person im Urteil vom 21. Februar 1991 IV R 46/86 (BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514) bekräftigt.

Aus dem BFH-Urteil vom 23. November 1988 I R 180/85 (BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116) läßt sich für den Streitfall nichts anderes herleiten (vgl. auch das BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 I R 80/87, BFHE 160, 551, BStBl II 1990, 920, in dem offenbleibt, ob die Steuern vom Einkommen einer inländischen Kapitalgesellschaft Betriebsausgaben sind). Es befaßt sich mit den Stundungszinsen einer Kapitalgesellschaft und dem für Kapitalgesellschaften einschlägigen Verbot, u. a. die Steuern vom Einkommen sowie die auf diese entfallenden Nebenleistungen abzuziehen; ausgenommen bleiben hier jedoch im Unterschied zu den Steuern vom Einkommen der natürlichen Personen u. a. die Stundungszinsen nach § 234 AO 1977 sowie die Zinsen auf Steuerforderungen nach § 233 a und § 237 AO 1977 (§ 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1990).

Allerdings war nach § 12 Nr. 3 EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 (StRG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) zeitweilig vorgesehen, daß die Zinsen auf Steuerforderungen nach den §§ 233 a, § 234 und 237 AO 1977 von dem Abzugsverbot ausdrücklich ausgenommen sein sollten, also auch die hier streitigen Stundungszinsen (§ 234 AO 1977). Diese Vorschrift ist jedoch zu keiner Zeit in Kraft gewesen. Die Regelungen des StRG 1990 sollten insgesamt erstmalig für den Veranlagungszeitraum 1990 anzuwenden sein (Art. 1 Nr. 73 a StRG 1990). Die für die Nebenleistungen vorgesehene Ausnahme vom Abzugsverbot ist bereits vor dem Jahr 1990 bereits wieder durch das WoBauFG vom 22. Dezember 1989 gestrichen worden (Art. 1 Nr. 16 WoBauFG, BGBl I, 2408, BStBl I 1989, 505). Ohnehin war durch Art. 1 Nr. 73 Buchst. n StRG 1990 für die Anwendung bestimmt (§ 52 Abs. 14 a StRG 1990), daß § 12 Nr. 3 i. d. F. des StRG 1990 auch für Veranlagungszeiträume vor 1990 anzuwenden sei, soweit die Vorschrift den Abzug steuerlicher Nebenleistungen untersagt (Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 52 EStG Anm. 26; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 52 EStG Anm. 2). Daran hat der Gesetzgeber im WoBauFG vom 22. Dezember 1989 festgehalten (Art. 1 Nr. 27 Buchst. i WoBauFG); § 52 Abs. 14 a EStG i. d. F. des StRG 1990 wurde unverändert als § 52 Abs. 14 c EStG i. d. F. des WoBauFG übernommen.

3. In der unterschiedlichen Behandlung der Stundungszinsen einer natürlichen Person und einer Kapitalgesellschaft vermag der erkennende Senat keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erblicken. Insoweit müssen die Stundungszinsen nicht gleich behandelt werden; die Einkünfte der natürlichen Person und der Kapitalgesellschaft sind nicht vergleichbar. Die Besonderheit der Kapitalgesellschaft gegenüber der natürlichen Person liegt darin, daß sie keine natürliche Handlungsfähigkeit und keine Privatsphäre besitzt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Dezember 1969 1 BvR 752/69, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Körperschaftsteuergesetz 1934 bis 1975, § 12 Ziff. 2, Rechtsspruch 7).