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  BFH-Urteil vom 29.1.1992 (II R 41/89) BStBl. 1992 II S. 420

1. Die zur Vermeidung einer doppelten Belastung mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer notwendige verfassungskonform einschränkende Auslegung von § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG 1940 (= § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG 1983) führt dazu, daß Grundstücksschenkungen unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung zugunsten des Schenkers gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1940 (= § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG 1983) vollständig von der Besteuerung ausgenommen sind.

2. Grunderwerbsteuer fällt auch nicht teilweise an hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen dem bei der Schenkungsteuer (unter Berücksichtigung des § 16 BewG) anzusetzenden Wert der Auflage und deren bei der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Wert, bei dessen Ermittlung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG § 16 BewG keine Anwendung findet.

GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 Sätze 1 und 2, § 10 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 Sätze 1 und 2, § 8); ErbStG 1974 § 25 Abs. 1; BewG § 16, § 17 Abs. 3 Satz 2.

Sachverhalt

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 26. Juni 1979 wurde der Klägerin von ihrem Ehemann ein Grundstück "im Wege vorweggenommener Erbfolge, ohne besonderes Entgelt" zu Eigentum übertragen. In derselben notariellen Verhandlung bestellte die Klägerin ihrem damals 40 Jahre alten Ehemann ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem übertragenen Grundstück. Die Vertragsbeteiligten gaben den jährlichen Rohertrag des Grundstücks mit 2.400 DM an. Antragsgemäß stellte das Finanzamt (FA) den Grunderwerb der Klägerin zunächst nach dem früheren § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) von der Grunderwerbsteuer frei. Nachdem feststand, daß die Klägerin die Voraussetzungen für die endgültige Steuerbefreiung nicht erfüllt hatte, setzte das FA durch Bescheid vom 8. Februar 1985 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 2.444,05 DM sowie Zinsen in Höhe von 708,75 DM fest. Dabei sah das FA die Bestellung des Nießbrauchsrechts zugunsten des Ehemannes als Schenkungsauflage gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 des früher geltenden Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - (entspricht § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG 1983) und Gegenleistung an, deren Höhe es gemäß § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes - BewG - (Jahreswert: 2.400 DM Vervielfältiger gemäß Anlage 9 zu § 14 Abs. 1 BewG: 14,548) ermittelte.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bewertete die vertraglichen Abreden als sog. gemischte Schenkung. Der Vorgang sei deshalb gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG nur im Umfang der Unentgeltlichkeit des Geschäftes von der Grunderwerbsteuer befreit. Im übrigen entstehe Grunderwerbsteuer. Eine aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässige Doppelbelastung (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 15. Mai 1984 1 BvR 464, 605/81 und 427, 440/82, BVerfGE 67, 70, 88 ff.) mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer könne nicht eintreten, da bei einer gemischten Schenkung schenkungsteuerrechtlich nur der unentgeltlich zugewendete Teil erfaßt werde und im übrigen für die Anwendung der Vorschrift des § 25 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 kein Raum bleibe.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG.

Die Klägerin beantragt, das finanzgerichtliche Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 1985 sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 8. Februar 1985 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Grunderwerbsteuerbescheids vom 8. Februar 1985 und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 1985.

Der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Grundstückserwerb der Klägerin ist in vollem Umfang gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Nach dieser Vorschrift sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden i. S. des ErbStG 1974 von der Besteuerung auszunehmen. Schenkungen unter einer Auflage sind nur insoweit von der Besteuerung ausgenommen, als der Wert des Grundstücks (§ 12 GrEStG = § 10 GrEStG 1983) den Wert der Auflage übersteigt.

§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG ist verfassungskonform einschränkend dahin auszulegen, daß zur Vermeidung einer doppelten steuerrechtlichen Erfassung bei (auflagen-) belastet erworbenen Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der Schenkungsteuer keine Grunderwerbsteuer zu erheben ist (vgl. Beschluß des BVerfG, a. a. O.). Danach dürfen Belastungen (Auflagen), die wegen ihrer - auf § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 beruhenden - Nichtabzugsfähigkeit bei der Schenkungsteuer Bemessungsgrundlage für diese Steuer sind, nicht nochmals als Gegenleistung zur Grunderwerbsteuer herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang tatsächlich Schenkungsteuer erhoben wird.

Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den Vereinbarungen der Klägerin mit ihrem Ehemann nicht um eine gemischte Schenkung, sondern um eine Grundstücksschenkung unter Auflage. Eine Auflagenschenkung liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 2. Oktober 1981 V ZR 134/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 818, 819, m. w. N.). In diesen Fällen ist der freigebigen Zuwendung eine Auflage in der Form einer Nebenabrede beigefügt, daß der Bedachte zu einer Leistung verpflichtet sein soll, wenn er in den Genuß des Gegenstandes der Zuwendung kommt. Bürgerlich-rechtlich steht die Auflage nicht in einem Austauschverhältnis mit der Zuwendung. Der Senat vermag der Rechtsauffassung des FG nicht zu folgen, die Bestellung des Nießbrauchsrechts zugunsten des Ehemannes der Klägerin stehe in einem Austauschverhältnis mit der Grundstücksschenkung. Denn die Bestellung des Nießbrauchsrechts sollte von der Klägerin nicht aus ihrem Vermögen, sondern aus dem Gegenstand der Zuwendung (Grundstück) erbracht werden. Aus diesem Grunde durfte das FG auch nicht zu der Überzeugung gelangen, eine Vorleistung des Ehemannes der Klägerin (Schenkers) sei im Streitfall nicht gewollt gewesen, denn ohne die Vorleistung des Ehemannes wäre die Klägerin ihrerseits gar nicht in der Lage gewesen, den Nießbrauch zugunsten des Ehemannes zu bestellen.

Im Streitfall hängt deshalb der Umfang der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung der mit der Auflage belasteten Zuwendung ab.

Nach dem zur Schenkungsteuer ergangenen Urteil des Senats vom 12. April 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524, 526) kann die einer Schenkung beigefügte Nebenabrede (Auflage) - unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. - schenkungsteuerrechtlich in den Fällen relevant sein, in denen der Bedachte zwar um das Eigentum am Zuwendungsgegenstand bzw. um das zugewendete Recht bereichert ist, ihm aber die Nutzungen (§ 100 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) der Sache oder des Rechts nicht sofort gebühren sollen, dem Bedachten somit kein Aufwand im Sinne einer Leistungspflicht erwächst, sondern er lediglich die zeitlich beschränkte Nutzungseinschränkung zu dulden hat. Das ist z. B. der Fall, wenn der Bedachte verpflichtet ist, dem Zuwendenden ein dingliches Nutzungsrecht am Zuwendungsgegenstand zu bestellen. Da solche Zuwendungen in vollem Umfang - auch soweit sie mit einer Auflage beschwert sind - wegen des Abzugsverbots gem. § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 der Schenkungsteuer unterliegen, würde eine dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG entsprechende grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung derselben Auflage als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung zu einer verfassungswidrigen zweifachen Belastung der "Auflage" mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer führen.

Bei der gebotenen verfassungsrechtlich einschränkenden Auslegung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG gilt deshalb bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des Schenkers zur Vermeidung einer doppelten Belastung mit Grunderwerbsteuer und Schenkungsteuer die den § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG einschränkende Regelung in § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG nicht. Es bleibt bei der Regelung in § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG und bei dem Grundsatz, daß eine - nicht in einem Austauschverhältnis mit der Grundstücksschenkung stehende - Auflage keine Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne darstellt.

Grunderwerbsteuer fällt auch nicht - teilweise - hinsichtlich des Differenzbetrages an zwischen dem bei der Schenkungsteuer (unter Berücksichtigung des § 16 BewG) anzusetzenden Wert der Auflage und deren bei der Grunderwerbsteuer maßgeblichen Wert, bei dessen Ermittlung gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG § 16 BewG keine Anwendung findet (a. A. Steiger in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - UVR - 1991, 203, 207, und Koordinierter Ländererlaß FM Saarland B/V-6/90-S 4505 A vom 21. Mai 1990, Handbuch der Verkehrsteuern 1991 S. 22, 23). Was dem Grunde nach die Schenkungsteuer nicht zu mindern vermag, kann auch nicht zum Anfall von Grunderwerbsteuer führen. Denn soweit bei einer Schenkung unter Auflagen wegen der in § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 a. F. enthaltenen Regelung der volle Wert des zugewendeten Gegenstandes erbschaftsteuerrechtlich als Bereicherung anzusehen ist, kann es bezüglich der Auflage keinen Wertanteil geben, der noch nicht Gegenstand der Schenkungsteuer ist.

Das auf anderen rechtlichen Erwägungen beruhende FG-Urteil ist aufzuheben. Der Senat kann gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst entscheiden, da die Sache spruchreif ist. Grunderwerbsteuerbescheid und Einspruchsentscheidung sind aufzuheben (§§ 121, 100 Abs. 1 FGO), weil der mit einem Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des Schenkers belastete Erwerb der Klägerin - wie oben dargelegt - in vollem Umfang gem. § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist.