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  BFH-Urteil vom 26.11.1991 (VII R 38/90) BStBl. 1992 II S. 440

Die Kraftfahrzeugsteuererklärung wird mit ihrer Abgabe bei der Zulassungsbehörde i. S. von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 eingereicht. Die dreijährige Anlaufhemmung des Beginns der Festsetzungsfrist tritt mithin selbst dann nicht ein, wenn die Steuererklärung nicht an das FA weitergeleitet wird.

AO 1977 § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2; KraftStG 1979 § 13 Abs. 1, § 6, § 11 Abs. 1; KraftStDV 1979 § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1990, 492)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte als Halter eines am 23. April 1982 zugelassenen Personenkraftwagens - zunächst - keinen Kraftfahrzeugsteuerbescheid erhalten, weil die Zulassungsstelle es versäumt hatte, die Steuererklärung des Klägers an das beklagte und revisionsklagende Finanzamt (FA) zu senden. Nach Feststellung dieses Versäumnisses anläßlich der Abmeldung des Fahrzeuges im Jahre 1989 erließ das FA gegen den Kläger einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid (vom 20. März 1989) mit Steuerfestsetzung ab 23. April 1982.

Die gegen die Besteuerung für die jährlichen Entrichtungszeiträume bis zum 22. April 1985 erhobene Klage hatte Erfolg (Urteil des Finanzgerichts - FG - vom 27. März 1990 III 917/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 492).

Mit der Revision macht das FA geltend, entgegen der Vorentscheidung sei im Streitfall die dreijährige Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu beachten. Maßgebend sei der Zeitpunkt, in dem die Erklärung bei der Finanzbehörde eingegangen sei, ohne Rücksicht darauf, ob der verspätete Eingang auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen oder ein solches der Zulassungsstelle zurückzuführen sei. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 meine die Einreichung bei der zuständigen Finanzbehörde durch den Steuerpflichtigen selbst oder durch einen Dritten (etwa die Zulassungsstelle); die Vorschrift beziehe sich nicht auf das Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und der Zulassungsbehörde. Entscheidend für den Eintritt der Anlaufhemmung, die keine Sanktion für ein etwaiges Fehlverhalten eines Steuerpflichtigen darstelle, sei nur das Inkenntnissetzen der für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde. Dieser könne ein Versehen der Zulassungsbehörde nicht angelastet werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Kraftfahrzeugsteueransprüche gegen den Kläger für die Entrichtungszeiträume bis zum 22. April 1985 erloschen sind, weil insoweit mangels einer Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 (2. Alternative) AO 1977 Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2, § 47 AO 1977).

Den Feststellungen der Vorinstanz ist zu entnehmen, daß der Kläger die Kraftfahrzeugsteuererklärung im Zusammenhang mit der Zulassung seines Fahrzeuges - im April 1982 - bei der Zulassungsbehörde "abgegeben" hat (vgl. § 3 Abs. 1 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung - KraftStDV - 1979). Damit war, wie das FG richtig erkannt hat, die Steuererklärung i. S. von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 "eingereicht" (vgl. zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Entsprechung der Begriffe "abgeben"/"einreichen" auch § 7 Abs. 3 und 4 KraftStDV 1961), und zwar mit Wirkung für alle während der Dauer der Zulassung in Betracht kommenden Entrichtungszeiträume (vgl. Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl., 1981, Abschn. 66, S. 337). Die Festsetzungsfrist für die streitige Kraftfahrzeugsteuer, die jeweils mit Beginn der Entrichtungszeiträume bis zum 22. April 1985 entstanden war (§ 6, § 11 Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1979; Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 7. März 1984 II R 40/80, BFHE 140, 480, 482 f., BStBl II 1984, 459), war mithin bei Erlaß des Steuerbescheides abgelaufen.

Die Angriffe der Revision rechtfertigen keine andere rechtliche Beurteilung. Richtig ist zwar, daß Steuererklärungen - grundsätzlich - bei der zuständigen Finanzbehörde einzureichen/abzugeben sind (vgl. auch § 151 AO 1977). Auch trifft es zu, daß die Zulassungsstelle, von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nicht Finanzbehörde ist und daß diese Versehen der Zulassungsstelle nicht zuzurechnen sind (Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, 468, BStBl II 1990, 249, vom 9. August 1988 VII R 40/85, BFH/NV 1989, 260, und vom 16. Dezember 1986 VII R 151/84, BFH/NV 1987, 198, im Anschluß an die vom FA angeführte ältere Rechtsprechung). Daraus folgt jedoch nicht, daß die Abgabe der Steuererklärung bei der Zulassungsbehörde keine "Einreichung" i. S. von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 sei, eine solche vielmehr erst nach der Übersendung der Steuererklärung an die zuständige Finanzbehörde vorliege (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 KraftStDV 1979). Die in § 3 Abs. 1 KraftStDV 1979 (aufgrund der Ermächtigung in § 15 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG 1979) ausdrücklich vorgeschriebene Pflicht, "eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei der Zulassungsbehörde abzugeben", ist vielmehr gerade eine der in § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 vom Gesetzgeber vorgesehenen Modalitäten, in denen eine Steuererklärung "auf Grund gesetzlicher Vorschrift" einzureichen ist (vgl. zur Pflichtsetzung durch Rechtsverordnung als "gesetzlich vorgeschrieben" BFH, Urteil vom 8. November 1984 IV R 19/82, BFHE 142, 363, 365, BStBl II 1985, 199, 200). Die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 KraftStDV 1979 festgelegte Verpflichtung der Zulassungsbehörde, die Steuererklärung dem FA zu übersenden, ist demgegenüber ein rein innerbehördlicher Vorgang. Daß es für die Frage der nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 maßgebenden "Einreichung" der Steuererklärung durch den nach dem KraftStG Steuerpflichtigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 KraftStG 1979) auf sein gesetzlich vorgeschriebenes Tun bei der Zulassungsbehörde ankommt, wird im übrigen bestätigt durch § 13 Abs. 1 KraftStG 1979: Schon von Gesetzes wegen ist die Zulassungsbehörde die allein richtige "Anlaufstelle" für den Steuerpflichtigen; sie erklärt durch Aushändigen des Fahrzeugscheins, daß den Vorschriften über die Kraftfahrzeugsteuer genügt ist. Im Sinne dieser Norm ist, sofern nicht weitere Erfordernisse bestimmt sind, den Vorschriften über die Kraftfahrzeugsteuer mit der Abgabe der Steuererklärung bei der Zulassungsbehörde genügt.

Das Urteil in BFH/NV 1989, 260 steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Senat hat in diesem Urteil entschieden, daß kein durch die Finanzbehörde geschaffener Vertrauenstatbestand vorliegt, wenn die Zulassungsstelle die Steuererklärung nicht weitergeleitet hat und infolgedessen die Kraftfahrzeugsteuer verspätet festgesetzt wird. Dieses Urteil betrifft lediglich die Frage der Verwirkung, nicht die der Verjährung der Kraftfahrzeugsteuer. Verjährt war der Steueranspruch in jenem Falle nicht; die verjährungserhebliche Wirkung der Abgabe der Steuererklärung (damals Steueranmeldung) bei der Zulassungsstelle war vielmehr außer Streit.

Zu Unrecht beruft das FA sich auf den mit § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 verfolgten Zweck. Der Grund für den an die Abgabe der Steuererklärung geknüpften Beginn der Festsetzungsverjährung ist zwar darin zu sehen, daß der Finanzbehörde regelmäßig erst mit der Steuererklärung der für die Besteuerung maßgebende Sachverhalt bekannt wird (BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 I R 121/86, BFHE 154, 77, 79, BStBl II 1988, 962). Das bezieht sich jedoch auf den Regelfall der Abgabe bei der Finanzbehörde selbst und bietet keine Rechtfertigung dafür, der ausdrücklich vorgeschriebenen Abgabe der Steuererklärung bei einer anderen Behörde die damit notwendig verbundene Wirkung einer "Einreichung" i. S. von § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 abzusprechen. Ohne Bedeutung ist, daß die Finanzbehörde von dem Kraftfahrzeugsteuerfall erst Kenntnis erhält, wenn ihr die Steuererklärung von der Zulassungsstelle übersandt worden ist. Die "Einreichung" bei dieser Behörde bleibt auch bestehen, wenn die Steuererklärung vorschriftswidrig nicht an die Finanzbehörde weitergeleitet wird. Insoweit verhält es sich nicht wesentlich anders als bei einer unmittelbar bei der Finanzbehörde abzugebenden Steuererklärung, die zwar in deren (äußeren) Machtbereich, nicht aber weiter, insbesondere nicht an die zuständige Veranlagungsstelle (Kraftfahrzeugsteuerstelle) gelangt. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 entgegen der Auffassung des FA Sanktionscharakter hat, der Eintritt der Hemmungswirkung mithin voraussetzt, daß der Betroffene den Abgabezeitpunkt beeinflussen kann (so - im Zusammenhang mit den Lohnsteuer-Anmeldungen des Arbeitgebers - Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 170 AO 1977 Anm. 16; vgl. auch BTDrucks VI/1982 S. 151 zu § 151 des AO-Entwurfs). Eine solche Beeinflussung ist indessen ausgeschlossen, wenn die Steuererklärung - wie vorgeschrieben - mit dem Antrag auf Zulassung bei der Zulassungsbehörde abgegeben wird. Hier kann der Beteiligte, will er die Zulassung erreichen, die Abgabe der Steuererklärung weder vermeiden noch hinausschieben.