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  BFH-Urteil vom 21.11.1991 (V R 20/87) BStBl. 1992 II S. 446

Schaltet ein Steuerberater beim Erwerb einer für den Einsatz in seiner Kanzlei bestimmten EDV-Anlage und einer elektrischen Schreibmaschine seine minderjährigen Kinder als Käufer vor, mit denen er zugleich einen Mietvertrag über die Geräte schließt, kann eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i. S. des § 42 AO 1977 vorliegen. In einem solchen Fall scheiden die Kinder als Vorsteuerabzugsberechtigte aus.

AO 1977 § 42; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 19 Abs. 3 a. F.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die am 18. September 1968 bzw. 16. März 1970 geborenen Kläger und Revisionskläger - in Gesellschaft bürgerlichen Rechts - (Kläger) sind Kinder des selbständig tätigen Steuerberaters W. W erwarb namens der Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts im November 1980 eine elektrische Schreibmaschine zum Preis von 2.250 DM zuzüglich Umsatzsteuer von 292,50 DM und im Dezember 1980 ein T-Computer-System, eine Endlosformularführung EFS 4 und eine "DFÜ-Einrichtung" zum Gesamtpreis von 17.060 DM abzüglich 2.000 DM Rabatt zuzüglich Umsatzsteuer von 1.957,80 DM. Mit Mietvertrag vom 2. Januar 1981 wurden beide Geräte ab 1. Januar 1981 zu einem monatlichen Mietpreis von 600 DM zuzüglich Umsatzsteuer an W vermietet. Unterzeichner des Vertrages waren W, die Kläger und der Großvater der Kläger G. Nach dem Vertrag hat W die Gegenstände ordentlich zu behandeln, zu pflegen und auf eigene Kosten zu warten und zu reparieren. Das Mietverhältnis wurde auf ein Jahr fest vereinbart; es verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn nicht unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende von einer Seite gekündigt wird.

Dem Antrag des W vom 7. Februar 1981, die Großeltern der Kläger zu Ergänzungspflegern zu bestellen, entsprach das Amtsgericht nicht. Es bestellte vielmehr am 2. Juli 1981 eine Ergänzungspflegerin zum Abschluß des Mietvertrags mit W über eine elektrische Schreibmaschine und eine EDV-Anlage. Die Ergänzungspflegerin schloß mit W am 2. Juli 1981 einen Mietvertrag, der inhaltlich dem vom 2. Januar 1981 entspricht.

Die Mietzahlungen wurden ab Februar 1981 auf ein von G für die Kläger im Dezember 1980 eingerichtetes Konto erbracht. Über dieses Konto wurde im Dezember 1980 die Schreibmaschine bezahlt. Zum Ausgleich des Sollstandes zahlte W Ende Dezember 1980 2.500 DM ein. Im Februar 1981 überwies G den Rechnungsbetrag für den Computer von diesem Konto. Der Sollstand von 15.704,30 DM wurde durch Scheck des G über 15.000 DM im März 1981 im wesentlichen ausgeglichen. Als das Konto im Juli 1981 ein hinreichendes Guthaben aufwies, überwies G an W die 2.500 DM zurück.

In der Umsatzsteuererklärung für 1980 machte W für die Kläger die für beide Geräte in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 2.250,30 DM geltend, die im Voranmeldungsverfahren erstattet worden war. Die Umsatzsteuererklärung für 1981 wies unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 in der damals geltenden Fassung eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 160,41 DM aus (Umsatzsteuer auf Vermietungsumsätze - 7.200 DM - in Höhe von 936 DM abzüglich 133,92 DM Vorsteuerbeträge und Steuerabzugsbetrag in Höhe von 641,67 DM).

Aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung verneinte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unter Berufung auf § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) eine unternehmerische Tätigkeit der Kläger und setzte die Umsatzsteuer für 1980 und 1981 mit Bescheiden vom 9. Juli 1982 auf jeweils 0 DM fest.

Mit dem gegen diese Bescheide gerichteten Einspruch machten die Kläger u. a. geltend, daß die Anlage der ihnen von den Großeltern geschenkten 15.000 DM in die Bürogeräte angesichts der Inflationsrate als sinnvoller als der Kauf von Wertpapieren angesehen worden sei. Der Einspruch blieb ebenso wie die Klage erfolglos. Mit der Klage führten die Kläger u. a. aus, die Anmietung sei für W günstig gewesen. W habe nicht die Gefahr des Untergangs der Geräte zu tragen brauchen. Es sei auch nicht seine Sache gewesen, die Geräte zu versichern. Im Hinblick auf die rasche technische Entwicklung sei für einen Computer eine Abschreibungsdauer von fünf Jahren wohl nicht angemessen. In den Streitjahren seien Zinsen für Geldanlagen bis zu 12 v. H. erzielt worden. Die Kläger beantragten, für 1980 eine negative Umsatzsteuerschuld in Höhe von 2.250 DM und für 1981 eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 160,41 DM festzusetzen.

Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) liegt ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts vor. Das FG meint, die vertragliche Konstruktion habe - abgesehen von möglichen ertragsteuerlichen Vorteilen - nur dazu gedient, für die Bürogeräte den Steuerabzugsbetrag nach § 19 Abs. 3 UStG 1980 a. F. zu erlangen. Beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung lägen nicht vor.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 42 AO 1977 und der §§ 2, 15 UStG 1980. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist nach ihrer Meinung nicht gegeben.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung und - sinngemäß - der Umsatzsteuerbescheide vom 9. Juli 1982 und der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 1983 "den geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von DM 2.250,30 für 1980 und DM 160,41 für 1981 zum Abzuge zuzulassen".

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1981 ist die Klage unzulässig.

a) Der Revisionsantrag ist dahin auszulegen, daß nicht ein Vorsteuerabzug in Höhe von 160,41 DM beantragt wird, sondern daß eine Umsatzsteuerschuld der Kläger in dieser Höhe festgesetzt werden soll. Dies ergibt sich aus der Steuererklärung von 1981 und dem Antrag im finanzgerichtlichen Verfahren.

b) Die Klage auf Festsetzung dieser Umsatzsteuerschuld ist unzulässig, weil das FA im Bescheid vom 9. Juli 1982 eine niedrigere Umsatzsteuer, nämlich 0 DM, festgesetzt hat.

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage grundsätzlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Durch eine nach Auffassung des Klägers zu niedrige Steuerfestsetzung ist er in der Regel nicht in seinen Rechten verletzt. Eine Klage gegen einen Steuerbescheid wegen zu niedriger Steuerfestsetzung ist hingegen insbesondere dann zulässig, wenn nach der Darlegung des Klägers mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß, daß ihm der Vorgang, auf dem die Steuerfestsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerrechtliche Nachteile verursachen wird (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225; vom 7. November 1989 IX R 190/85, BFHE 159, 439, BStBl II 1990, 460; Senats-Beschluß vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BFHE 152, 40, BStBl II 1988, 286).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Kläger haben weder dargelegt noch ist ersichtlich, inwiefern die Festsetzung der Umsatzsteuer für 1981 auf 0 DM zu Nachteilen bei der Umsatzsteuer in den folgenden Jahren führen könnte.

2. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1980 kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger die Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft i. S. von § 2 Abs. 1 UStG 1980 erfüllten. Jedenfalls steht ihnen der begehrte Vorsteuerabzug nach § 42 AO 1977 nicht zu.

Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i. S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

a) Nach § 42 AO 1977 kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinn dieser Vorschrift ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428; vom 18. Oktober 1990 IV R 36/90, BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205; vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904). Diese Grundsätze gelten auch, wenn eine unangemessene Gestaltung für die Verwirklichung des Tatbestandes einer begünstigenden Gesetzesvorschrift gewählt wird (BFH-Urteil vom 6. Juni 1991 V R 70/89, BFHE 165, 1, BStBl II 1991, 866). Die Unangemessenheit folgt nicht bereits aus dem Motiv, Steuern zu sparen (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; BFH-Urteile vom 13. Juli 1989 V R 8/86, BFHE 158, 166, BStBl II 1990, 100; in BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205). Auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, daß sie für sie steuerlich möglichst günstig sind (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 290/82, BFHE 163, 423, BStBl II 1991, 391).

Eine Rechtsgestaltung ist unangemessen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in der gewählten Weise verfahren wären (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1985 IX R 107/82, BFHE 145, 351, BStBl II 1986, 217 zu II. 2. a; in BFHE 162, 321, BStBl II 1991, 205; BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607). Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld zu beurteilen ist, die vom Gesetzgeber bei seiner Regelung vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht und hierfür keine beachtlichen außersteuerrechtlichen Gründe vorliegen, ob er vielmehr auf einem ungewöhnlichen Wege einen Erfolg zu erreichen versucht, der nach den Wertungen des Gesetzgebers auf diesem Weg nicht erreichbar sein soll. Dabei sind die gesamten Umstände des Einzelfalls maßgebend (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 16. Aufl., § 42 Bem. 2).

b) Die rechtliche Gestaltung, nach der die Kläger Erwerber der Gegenstände und deren Vermieter sind, war unangemessen.

Diese Unangemessenheit folgt aus den Gesamtumständen des Falles. Die Kläger waren bei dem Erwerbs- und Vermietungsvorgang als Minderjährige nicht handelnde Subjekte und Träger eigener Entscheidungen, sondern fremdbestimmte Objekte im Gestaltungsplan des W, nicht dessen kompetente Vertragspartner (zur Bedeutung der Minderjährigkeit in diesem Zusammenhang vgl. BFH-Urteile in BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). Sie traten nach der rechtlichen Gestaltung wie Unternehmer auf, um an W entgeltlich zu leisten, ohne daß für diesen "Umweg" ein wirtschaftlicher Sinn ersichtlich ist. W hat sowohl die Geräte als auch die Verkäufer selbst ausgewählt und den Preis vereinbart. Die Mittel zum Erwerb stellte er ebenfalls zunächst zum Teil zur Verfügung. G konnte die Kläger bei dem Abschluß des Mietvertrags mit W nicht vertreten. Ein gesetzliches Vertretungsrecht steht Großeltern nicht zu. G wurde nicht zum Ergänzungspfleger bestellt (§ 1909 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Im übrigen hätte er auch als Ergänzungspfleger die Kläger nicht beim Abschluß des Mietvertrags mit W vertreten können (§ 1915 Abs. 1 i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Ergänzungspflegerin für den Abschluß des Mietvertrags wurde erst über ein halbes Jahr nach dem Kauf und der bereits durchgeführten Vermietung bestellt, und zwar ausdrücklich zum Abschluß "des Mietvertrages" mit W über eine elektrische Schreibmaschine und eine EDV-Anlage. Die Ergänzungspflegerin schloß bereits am Tag ihrer Bestellung namens der Kläger mit W einen Mietvertrag über die Geräte, der inhaltlich dem vom 2. Januar 1981 entspricht. G leistete die 15.000 DM erst, nachdem die Geräte bereits gekauft und bezahlt waren.

Ein wirtschaftlicher Grund für die "Vorschaltung" der Kläger in den Erwerbsvorgang ist nicht erkennbar. Wenn man indessen den Eigentumserwerb der Kläger noch als angemessen ansähe, so wäre jedenfalls die entgeltliche Vermietung der Geräte an W unangemessen, da W die Mittel für die von ihm benötigten Geräte beschaffte, da er diese Geräte - wenn auch namens der Kläger - erwarb und da demnach kein wirtschaftliches Bedürfnis für die Anmietung der Geräte durch ihn bestand.

Das Vorbringen der Kläger, sie hätten eine Sachanlage dem Kauf von Wertpapieren vorgezogen, ist nicht nachvollziehbar, auch wenn man die Geldentwertungsrate im Jahre 1980 berücksichtigt. Nach den eigenen Angaben der Kläger konnten damals Zinsen bis zu 12 v. H. jährlich erreicht werden.

Dagegen bestand bei dem Erwerb der Geräte die Gefahr, daß gerade Computeranlagen infolge der raschen technischen Entwicklung schnell veralteten. Dieses Risiko hatten die Kläger zu tragen, weil der Mietvertrag bereits nach einem Jahr kündbar war. Diese Form der Anlage war also keineswegs besonders attraktiv. Zudem war nach dem Vortrag der Kläger die Miete für W günstig. Schließlich war davon auszugehen, daß die Nutzungsdauer der angeschafften Gegenstände nicht bis zur Volljährigkeit der Kläger reichen würde und daß sie somit nie eine eigene unbeschränkte Verfügungsbefugnis hierüber erlangen würden.

Hätten die Kläger die im vorliegenden Fall angemessene Gestaltung gewählt, so hätten sie die Geräte W unentgeltlich überlassen. Demnach ist nach § 42 Satz 2 AO 1977 davon auszugehen, daß ihnen der Vorsteuerabzugsanspruch nicht zusteht. Die Vorentscheidung war deshalb zu bestätigen.