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  BFH-Urteil vom 23.1.1992 (XI R 6/87) BStBl. 1992 II S. 526

Im Falle der vorweggenommenen Erbfolge stellt die zugesagte Versorgungsrente auch dann kein Entgelt dar, wenn sie nicht aus den Erträgen des übertragenen Vermögens geleistet werden kann. Es ist in der Regel auch nicht zu prüfen, ob der Vermögensübergeber auf die Versorgungsleistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist.

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, § 22 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Die Mutter der Ehefrau übertrug dieser im Jahr 1980 ein ihr gehörendes Zweifamilienhaus. Sie behielt sich das lebenslange dinglich gesicherte Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoß vor. Die Ehefrau sagte ihr eine lebenslängliche Rente von monatlich 3.000 DM zu. Die Rente wurde im notariellen Vertrag "im Hinblick auf den Versorgungscharakter" mit einer Wertsicherungsklausel versehen. Die Ehefrau verpflichtete sich weiterhin, nicht ohne Zustimmung ihrer Mutter über das Grundstück zu verfügen. Bei Zuwiderhandlungen und bei Vollstreckungsmaßnahmen Dritter sollte die Mutter die Rückübertragung des Grundstücks verlangen können; empfangene Leistungen waren dabei nicht zurückzugewähren. Die Mutter war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 68 Jahre alt. Der Jahreswert des Wohnrechts war im Vertrag mit 3.840 DM angegeben.

Im Streitjahr 1981 wohnte der Kläger mit seiner Familie im Erdgeschoß, die Mutter im Obergeschoß. In der Einkommensteuererklärung für 1981 ging der Kläger davon aus, daß das Grundstück seitens seiner Ehefrau in Höhe des Kapitalwerts der Rente entgeltlich erworben worden sei; er berechnete danach Absetzungen gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zusätzlich machte er den Ertragsanteil der Rentenzahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm demgegenüber an, daß das Grundstück unentgeltlich erworben worden sei; er legte deswegen die Abschreibung der Rechtsvorgängerin zugrunde und berücksichtigte den Ertragsanteil der Rente als Werbungskosten.

Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß das Grundstück entsprechend dem Kapitalwert der Rente von 305.100 DM entgeltlich erworben worden sei, und berechnete danach Absetzungen gemäß § 7 b EStG; Instandhaltungs- und Betriebskosten, die auf die Wohnung der Mutter entfielen, schloß das FG vom Abzug aus.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Für die Entscheidung über die Revision war zunächst der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zuständig. Dieser Senat hat in der Frage, ob die Leistungen der Ehefrau zu Anschaffungskosten führen, den Großen Senat des BFH angerufen; der Große Senat hat durch Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden.

1. Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Ehefrau des Klägers hat als Eigentümerin eines Zweifamilienhauses im Streitjahr 1981 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Dies gilt aber nur hinsichtlich der von ihr und ihrer Familie bewohnten Erdgeschoßwohnung, deren Nutzungswert nach § 21 Abs. 2, 1. Alternative EStG bei ihr zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führt; die Zweifamilienhäuser betreffende Neuregelung des § 21 a EStG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) ist auf den Streitfall nach Abs. 6 Nr. 1 der neuen Vorschrift nicht anwendbar. Dagegen wird der Nutzungswert der Wohnung im Obergeschoß von der Mutter der Ehefrau ebenfalls nach § 21 Abs. 2, 1. Alternative EStG versteuert, da sie als frühere Eigentümerin sich das dinglich gesicherte Wohnrecht zurückbehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295, m. w. N.). Daher können Aufwendungen, die auf diesen Gebäudeteil entfallen, bei der Ehefrau nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Zu den Werbungskosten der Ehefrau gehören dagegen die Absetzungen für Abnutzung (AfA), soweit sie auf die Erdgeschoßwohnung entfallen. Hierbei ist entsprechend der Berechnung des FA gemäß § 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) jedoch an die Anschaffungskosten der Rechtsvorgängerin anzuknüpfen; eigene Anschaffungskosten, die zu Absetzungen nach § 7 b EStG führen könnten, sind der Ehefrau entgegen der Auffassung des FG nicht entstanden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung besteht im Falle der Übertragung eines Betriebes, aber auch von Kapital- und Grundvermögen auf Abkömmlinge eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung dafür, daß die Übertragung aus familiären Gründen, nicht aber im Wege eines Veräußerungsgeschäftes unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung erfolgt. Der Große Senat des BFH hat hieran in der bezeichneten Entscheidung in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 festgehalten.

Die Vermutung ist auch im Streitfall nicht widerlegt. Der Wert des von der Ehefrau erlangten Vermögens übertrifft den Wert der von ihr zugesagten Leistungen erheblich. Der Verkehrswert des Grundstücks wird vom FA unwidersprochen mit 473.000 DM angegeben. Demgegenüber berechnet sich der Wert des vorbehaltenen Wohnrechts nach dem Lebensalter der Mutter und dem Vervielfältiger in Anlage 9 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) zu § 14 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit 32.544 DM und der Wert der Rentenverpflichtung mit 305.100 DM. Daß für die Grundstücksübertragung familiäre Gesichtspunkte, nämlich einerseits die Vermögensübertragung auf einen Abkömmling, andererseits die Versorgung der Mutter im Vordergrund standen, ergibt sich auch aus dem Inhalt des notariellen Vertrages. Darin ist wegen des Versorgungszwecks eine Wertsicherungsklausel aufgenommen worden. Zudem sind unter bestimmten Voraussetzungen Rückübertragungsansprüche der Mutter vorgesehen, die zum Verfall der bisher erbrachten Rentenleistungen führen sollten; derartiges wird bei Abwägung von Leistung und Gegenleistung unter Dritten nicht vereinbart.

b) Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vom Übernehmer zugesagt werden, stellen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten, sondern für den Empfänger wiederkehrende Bezüge (§ 22 Nr. 1 EStG) und für den Leistenden Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) dar. Der Große Senat des BFH hat dieses Ergebnis in der bezeichneten Entscheidung damit gerechtfertigt, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehalte, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer zu erwirtschaften seien. Hiervon ist auch im Streitfall auszugehen, obwohl sich aus einer Vermietung der Wohnung im Erdgeschoß eine Nettomiete von monatlich 3.000 DM ersichtlich nicht hätte erzielen lassen. Dies ist jedoch nicht ausschlaggebend, da es auf die jeweilige Zusammensetzung des übertragenen Vermögens und die sich daraus ergebenden Erträge nicht ankommen kann. Der Große Senat hat lediglich auf die typischerweise gegebene Situation abgestellt, ohne daß es insoweit auf die Verhältnisse des Einzelfalls ankäme (ebenso FG Rheinland-Pfalz, Entscheidung vom 22. Januar 1991 2 K 2038/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 666). Ob es sich um Versorgungsleistungen nach der Art vorbehaltener Erträge handelt, ergibt ein Vergleich des Kapitalwerts der Leistungen mit dem Wert des übertragenen Vermögens. In seiner Entscheidung vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) hat der Große Senat es in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung für ausreichend angesehen, daß der Wert des übertragenen Vermögens zumindest die Hälfte des Kapitalwerts der Versorgungsleistungen ausmacht. Hierfür ist nicht erheblich, ob und in welchem Umfang das übertragene Vermögen Erträge abwirft.

Ebensowenig ist darauf abzustellen, ob der Empfänger im Einzelfall auf die Leistungen des Übernehmers angewiesen ist oder hierauf verzichten kann, weil er weiteres Vermögen besitzt oder laufende Bezüge auch aus anderen Quellen hat. Ob hiervon abzugehen ist, wenn es sich nach der Höhe der vereinbarten Leistungen schlechterdings nicht um Versorgungsleistungen handeln kann, bleibt offen. Im Streitfall kann davon nicht gesprochen werden.

c) Nach der erwähnten Entscheidung des Großen Senats in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78 steht nunmehr fest, daß Versorgungsleibrenten weiterhin nur mit ihrem Ertragsanteil zu Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG führen.

2. Danach verbleibt es im Ergebnis bei der Steuerberechnung des FA. Dieses hat die AfA der Rechtsvorgängerin gemäß § 11 d EStDV auch der Ehefrau des Klägers gewährt und den Ertragsanteil der Rente bei den Werbungskosten berücksichtigt; richtigerweise hätten für den Ertragsanteil Sonderausgaben in gleicher Höhe abgezogen werden müssen. Ob es zu Unrecht auf die Wohnung im Obergeschoß entfallende Aufwendungen als Werbungskosten der Ehefrau beurteilt hat, kann auf sich beruhen; eine Verböserung des Einkommensteuerbescheids kommt nicht in Betracht.