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  BFH-Urteil vom 22.1.1992 (I R 43/91) BStBl. 1992 II S. 529

1. Die Erhöhung der Zahl der Güterfernverkehrsgenehmigungen für den grenzüberschreitenden Verkehr durch die VO Nr. 1841/88 macht die in der Bundesrepublik für den Binnenverkehr erteilten Güterfernverkehrsgenehmigungen nicht zu abnutzbaren Wirtschaftsgütern.

2. Die Erteilung von sog. Kabotage-Genehmigungen aufgrund der VO Nr. 4059/89 vermag eine Teilwertabschreibung auf vorhandene Güterfernverkehrsgenehmigungen für den Binnenverkehr zum 31. Dezember 1988 noch nicht zu rechtfertigen.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, § 7 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 1.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie verfügte am 31. Dezember 1987 über insgesamt acht Güterfernverkehrskonzessionen (sieben "rote" und eine "blaue" Konzession), die in ihrer Bilanz mit 200.000 DM aktiviert waren.

In der Bilanz zum 31. Dezember 1988 schrieb die Klägerin die bilanzierten Werte auf 0 DM ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Abschreibung nicht an und erhöhte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um 200.000 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage teilweise statt. Als Folge der Verordnung (EWG) Nr. 1841/88 (VO Nr. 1841/88) des Rates vom 21. Juni 1988 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1988 Nr. L 163/1) seien die Konzessionen der Klägerin zu abnutzbaren Wirtschaftsgütern geworden. Das FG gab deshalb dem FA auf, die Körperschaftsteuer 1988 unter Ansatz einer Absetzung für Abnutzung (AfA) von 20 v. H. auf den Wert der Konzessionen neu zu berechnen.

Das FA begründet seine Revision mit einer Verletzung des § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der mit dem Erwerb von Güterfernverkehrskonzessionen verbundene wirtschaftliche Vorteil ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ein zu aktivierendes firmenwertähnliches Wirtschaftsgut (Urteile vom 10. August 1989 X R 176-177/87, BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15; vom 4. Dezember 1991 I R 148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383, m. w. N.). Der Vorteil besteht in der Chance, auf dem kontingentierten Markt des Güterfernverkehrs Gewinne erzielen zu können (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 99/67, BFHE 101, 100, 103, BStBl II 1971, 237).

2. Von diesem Wirtschaftsgut waren im Streitjahr 1988 keine AfA gemäß § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG vorzunehmen.

a) AfA gemäß § 7 Abs. 1 EStG sind nur auf abnutzbare Wirtschaftsgüter, d. h. auf Wirtschaftsgüter vorzunehmen, deren Nutzbarkeit durch den Steuerpflichtigen sich auf einen begrenzten Zeitraum erstreckt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG; BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 131-133/87, BFHE 158, 321, 323, BStBl II 1990, 50; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 7 EStG Anm. 118; Meincke in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 7 EStG Anm. 59; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Rdnrn. A 232, A 248).

b) Die Güterfernverkehrskonzessionen der Klägerin waren im Streitjahr 1988 nicht zeitlich begrenzt nutzbar. Zwar wurden die Konzessionen zeitlich begrenzt erteilt. Sie wurden bei Ablauf der Gültigkeitsdauer jedoch regelmäßig und ohne öffentliche Ausschreibung dem bisherigen Genehmigungsinhaber erneut erteilt (§ 10 Abs. 5 des Güterkraftverkehrsgesetzes - GüKG - i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. März 1983, BGBl I 1983, 256; vgl. auch BFH in BFHE 101, 100, 105, BStBl II 1971, 237).

c) Für die der Klägerin erteilten "roten" und "blauen" Konzessionen änderte sich an dieser Rechtslage nichts durch die VO Nr. 1841/88. In dieser Verordnung hat der Rat der EG die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu erteilenden Konzessionen für den grenzüberschreitenden Güterfernverkehr (Gemeinschaftsgenehmigungen) für das Jahr 1988 deutlich von 1.735 auf 2.374 erhöht. Eine weitere Vermehrung der Konzessionen war für die Folgejahre bereits geplant. Die Verordnung des Rates der EG betraf jedoch nur Konzessionen für den grenzüberschreitenden Verkehr. Nach den Feststellungen des FG besaß die Klägerin sieben "rote" und eine "blaue" Konzession. "Rote" Genehmigungen berechtigen zum Güterfernverkehr im Bundesgebiet ohne Nutzlastbeschränkung (§ 9 Abs. 1 GüKG i. V. m. § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Höchstzahlen der Genehmigungen im Güterfernverkehr - GüKHöZV -). Die blaue Genehmigung (Bezirksgenehmigung) berechtigte zum Güterfernverkehr innerhalb eines Umkreises von 150 km um den Standort des Fahrzeugs (§§ 9 Abs. 1, 13 a Abs. 1 GüKG i. V. m. § 3 GüKHöZV). Die Klägerin besaß somit keine der allein von der VO Nr. 1841/88 betroffenen grenzüberschreitenden Genehmigungen. Ihre Konzessionen waren von der Rechtsänderung nicht betroffen.

d) Auch die Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Höchstzahlen der Genehmigungen für den Güterfernverkehr vom 5. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2131) führt zu keinem anderen Ergebnis. Durch diese Verordnung wurde die Zahl der "roten" Genehmigungen von zuvor 18.322 auf 18.362 erhöht. Zum einen erfolgte die Änderung nach dem Streitjahr und zum anderen handelte es sich um eine so geringfügige Erhöhung, daß sie den Charakter der vorhandenen Genehmigungen als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter nicht beeinflussen konnte.

Die Höchstzahl der (blauen) Bezirksgenehmigungen wurde in dieser Verordnung nicht erhöht.

e) Auch die Verordnung (EWG) Nr. 4059/89 (VO Nr. 4059/89) vom 21. Dezember 1989 (ABlEG 1989 Nr. L 390/3) führte nicht zu einer Änderung des Charakters der Konzessionen der Klägerin im Streitjahr.

Durch diese Verordnung wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine bestimmte Zahl sogenannter Kabotage-Genehmigungen zu erteilen. Durch derartige Genehmigungen erhalten Speditionsunternehmen mit Konzessionen zum grenzüberschreitenden Verkehr das auf jeweils zwei Monate begrenzte Recht, anläßlich einer grenzüberschreitenden Beförderung auch reine Binnenbeförderungen im Gastland durchzuführen (Art. 1, Art. 2 VO Nr. 4059/89; § 13 GüKG i. V. m. § 4 Abs. 3 GüKHöZV). Die Möglichkeit, in den Jahren 1990 ff. eine begrenzte Zahl kurzfristiger Kabotage-Genehmigungen für den deutschen Binnenverkehr zu erteilen, ändert nichts daran, daß die vorhandenen Konzessionen der Klägerin im Hinblick auf die regelmäßige Neuerteilung bei Zeitablauf zumindest im Streitjahr 1988 noch zeitlich unbegrenzt nutzbar waren (BFH in BFHE 101, 100, 105, BStBl II 1971, 237).

3. Eine Verpflichtung zur Vornahme von AfA ergab sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986. Nach dieser Vorschrift sind für die nach dem 31. Dezember 1986 beginnenden Wirtschaftsjahre von Geschäfts- oder Firmenwerten AfA vorzunehmen (§ 7 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 52 Abs. 6 a EStG 1986). Das Streitjahr 1988 fällt in den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift.

aa) Die Vorschrift ist auf das "firmenwertähnliche Wirtschaftsgut" Güterfernverkehrskonzession nicht anwendbar. Dieses Wirtschaftsgut ist weder Geschäfts- noch Firmenwert.

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, daß der Vorteil aus dem Erwerb einer Güterfernverkehrskonzession seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 9. Juli 1979 (BGBl I 1979, 960) den Charakter eines selbständigen Wirtschaftsguts verloren habe. Der mit einer Konzession verbundene Vorteil habe seitdem den Charakter eines wertbildenden Faktors des Geschäfts- oder Firmenwerts erhalten, da die Konzession nur noch zusammen mit dem ganzen Unternehmen oder einem Teilbetrieb veräußert werden könne (so Niehues, Betriebs-Berater - BB - 1987, 1429; BB 1988, 33; Diers, Der Betrieb - DB - 1987, 1064; a. A. Buciek, BB 1987, 1979; Rudloff, BB 1991, 1743).

Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Es trifft zwar zu, daß Güterfernverkehrsgenehmigungen gemäß § 10 Abs. 4 GüKG i. d. F. vom 9. Juli 1979 nur noch zusammen mit dem Unternehmen als Ganzem oder mit einem Teilbetrieb "übertragen" werden können. Der Vorteil aus der Konzession hat dadurch den Charakter als Einzelwirtschaftsgut jedoch nicht verloren. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des X. Senats des BFH im Urteil in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 an. Die Einzelveräußerbarkeit ist kein Begriffsmerkmal des "Wirtschaftsguts" i. S. der §§ 4 ff. EStG. Zwar ist ein Geschäftswert nur zusammen mit dem Unternehmen als Ganzem oder einem Teilbetrieb veräußerbar (BFH-Urteil vom 17. März 1977 IV R 218/72, BFHE 122, 70, BStBl II 1977, 595). Die Aussage ist jedoch nicht in dem Sinne umkehrbar, daß jedes nur mit dem Unternehmen übertragbare immaterielle Wirtschaftsgut ein Geschäftswert wäre. Vielmehr kann selbständiges Wirtschaftsgut jeder Vermögenswert sein, der gesondert bewertbar ist und zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden kann (BFH in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15).

Der Vorteil aus einer Güterfernverkehrskonzession ist auch nach Inkrafttreten des § 10 Abs. 4 GüKG selbständig bewertbares Wirtschaftsgut geblieben. Er kann als "werthaltige greifbare Einzelheit gegenüber dem Geschäftswert abgegrenzt werden" und wird auch von der Verkehrsanschauung als selbständig bewertbar anerkannt (BFH-Urteile vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, 478, BStBl II 1975, 809; vom 22. März 1989 II R 15/86, BFHE 157, 211, BStBl II 1989, 644; in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15).

bb) Aus dem Ausdruck "firmenwertähnliches Wirtschaftsgut" ist nicht zu schließen, daß der Vorteil aus einer Güterfernverkehrsgenehmigung einem Geschäfts- oder Firmenwert gleichzustellen ist. Das firmenwertähnliche Wirtschaftsgut unterscheidet sich von anderen immateriellen Wirtschaftsgütern dadurch, daß es nicht abnutzbar ist. Andere grundsätzliche Unterschiede bestehen nicht (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 6 EStG Rz. 852; Blümich/Schreiber, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 5 EStG Rz. 635; Buciek, BB 1987, 1979, 1980; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Dezember 1979 IV R 30/77, BFHE 130, 142, 144, BStBl II 1980, 346; im Ergebnis ebenso Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 20. November 1986 IV B 2 - S 2172 - 13/86, BStBl I 1986, 532).

4. Teilwertabschreibungen auf die Konzessionen sind im Streitjahr ebenfalls nicht zulässig.

Da die Konzessionen im Streitjahr nicht der Abnutzung unterlagen, wären sie grundsätzlich einer Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG zugänglich. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist zu vermuten, daß der Teilwert eines Wirtschaftsguts seinen Anschaffungskosten entspricht (BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 177/77, BFHE 136, 381, 385, BStBl II 1982, 758). Diese Vermutung gilt bei nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht nur für den Erwerbszeitpunkt, sondern auch für spätere Bewertungsstichtage. Der Steuerpflichtige kann die Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die Anschaffung als Fehlmaßnahme zu werten ist oder daß der Wert des Wirtschaftsguts nach der Anschaffung unter die Anschaffungskosten gesunken ist (BFH-Urteile vom 9. Februar 1977 I R 130/74, BFHE 121, 436, BStBl II 1977, 412; in BFHE 136, 381, 385, BStBl II 1982, 758).

Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Aufwand für die Erteilung der Konzessionen als Fehlmaßnahme zu werten wäre. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich für das Streitjahr auch keine Wertminderung. Der mit den Konzessionen verbundene Vorteil bestand im Streitjahr unverändert fort.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob in den Jahren ab 1989 die entsprechend der VO Nr. 4059/89 zu erhöhende Zahl der Kabotage-Genehmigungen zu einer anderen Beurteilung führt. Es liegt nahe, anzunehmen, daß die Erhöhung der Zahl der Binnenverkehrsgenehmigungen den Preis beeinflußt hätte, den ein gedachter Erwerber für vorhandene Genehmigungen angesetzt hätte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die durch die EWG-Verordnung eingeleitete Verpflichtung der Mitgliedstaaten, mehr Konzessionen zu erteilen, kann den Wert des Vorteils jedoch frühestens im Kalenderjahr 1989 beeinflussen. Die Erhöhung der Kabotage-Genehmigungen durch die VO Nr. 4059/89 wäre kein wertaufhellender Umstand für die Bilanz zum 31. Dezember 1988, sondern eine den Wert nach dem Bilanzstichtag ändernde Entwicklung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1978 I R 89/76, BFHE 125, 172, BStBl II 1978, 497; vgl. auch Glanegger/Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 6 Anm. 13; Wittig/Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 6 EStG Rz. 30).