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  BFH-Urteil vom 27.2.1992 (IV R 71/90) BStBl. 1992 II S. 554

Die Sonderabschreibung nach § 76 EStDV kann auch für Anlagegüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsteils im Ausland gewährt werden.

EStG 1981 § 51 Abs. 1 Nr. 2 k; EStDV § 76.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der in X wohnt, betreibt auf eigenen und zugepachteten, ausschließlich in der Schweiz belegenen Flächen eine Landwirtschaft (Obst- und Gemüseanbau). Seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse vertreibt er zum Teil in der Schweiz und im übrigen in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Er ermittelt seinen der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

In den Wirtschaftsjahren 1981/82 und 1982/83 nahm der Kläger Sonderabschreibungen nach § 76 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG) von den Anschaffungskosten für insgesamt drei Maschinen vor, die in der Bundesrepublik zugelassen und in der Schweiz untergestellt waren.

Nach einer Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Sonderabschreibungen mit der Begründung, § 76 EStDV setze voraus, daß die Landwirtschaft im Inland betrieben werde.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das FG führte aus, die Beschränkung der Förderung auf inländische land- und forstwirtschaftliche Betriebe ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut, jedoch aus dem Sinn und Zweck des § 76 EStDV und der ihm zugrundeliegenden Ermächtigungsvorschrift des § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG. Die Sonderabschreibung diene der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft durch Rationalisierung und Technisierung. Nicht der einzelne Landwirt solle gefördert werden, sondern die deutsche Landwirtschaft schlechthin. Dies ergebe sich auch aus § 76 Abs. 2 und 3 EStDV, wonach auch Zuschüsse eines Landwirts gefördert würden. Dem Zweck des § 76 EStDV aber widerspräche es, einem Landwirt die Sonderabschreibung auf einen Zuschuß zu gestatten, den dieser etwa einem Schweizer Landwirt gibt, um die von diesem angeschafften Wirtschaftsgüter mitbenutzen zu können.

Der Kläger rügt mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1983 herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG 1981 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 EStDV 1981 können Land- und Forstwirte, deren Gewinn nicht nach § 13 a EStG zu ermitteln ist, von den Aufwendungen für den Erwerb oder die Anschaffung bestimmter beweglicher Wirtschaftsgüter im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen bis zur Höhe von insgesamt 50 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen.

a) Die Vorentscheidung ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß sich weder aus der Vorschrift des § 76 EStDV noch aus der ihr zugrundeliegenden Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG eine ausdrückliche Beschränkung der Abschreibungsfreiheit auf inländische Anlagegüter ergibt. Entgegen der Auffassung des FG ist eine solche Einschränkung aber auch nicht eindeutig aus dem Zweck der genannten Vorschriften abzuleiten.

Nach einer von einem Teil des Schrifttums ohne nähere Begründung vertretenen Auffassung dienen die in § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG vorgesehenen und durch die §§ 76, 78 EStDV umgesetzten Steuervergünstigungen der Förderung der inländischen Land- und Forstwirtschaft (vgl. Felsmann in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13 Rdnr. 287; Poschadel in Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., 1983, Rdnr. A 819; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 5. Aufl., 1990, Rdnr. 139; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, 1966, S. 405; Schencking in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Anhang 1 zu § 7 a EStG Anm. 3; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., 1991, § 13 Anm. 48). Das FG hat hieraus gefolgert, nicht der einzelne Landwirt, sondern die deutsche Landwirtschaft solle gefördert werden.

b) Gegen diese Auffassung sprechen die folgenden Erwägungen. Die Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG wurde - zunächst beschränkt auf nicht buchführungspflichtige Land- und Forstwirte - erst nach der zweiten Beratung des Bundestages in das Gesetz zur Neuordnung von Steuern (StNOG) vom 16. Dezember 1954 (BGBl I, 373; BStBl I, 575) aufgenommen (vgl. BTDrucks II/991, 16); im Gegensatz zu den anderen bereits im Regierungsentwurf (BTDrucks II/481 und 961) enthaltenen Ermächtigungsvorschriften wurde jedoch auf eine amtliche Begründung verzichtet. Es ist daher nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber die Ermächtigung auch zur Förderung der Land- und Forstwirte als Berufsgruppe geschaffen hat (a. A. Rädler/Raupach, a. a. O.), denn auch diese Zielsetzung kann einer Maßnahme im Bereich der sektoralen Strukturpolitik zugrunde liegen. Dafür spricht nicht zuletzt, daß Gesetz- und Verordnungsgeber in anderen Fällen die Beschränkung steuerlicher Förderungsmaßnahmen auf das Inland ausdrücklich vorgesehen haben. So wird etwa in der Ermächtigungsnorm über Sonderabschreibungen bei Handelsschiffen die Eintragung in ein inländisches Handelsregister vorausgesetzt (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 w EStG); auch die erhöhten Absetzungen nach § 82 a EStDV sind ausdrücklich auf im Inland belegene Gebäude beschränkt, die Bewertungsfreiheit für Anlagegüter, die der Forschung und Entwicklung dienen, ist von der Einhaltung einer Verbleibensfrist im Inland abhängig, und die früher geltende Steuervergünstigung für Vollblutzuchtbetriebe war ausdrücklich auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt (§ 82 c EStG 1961). Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Frage der Behandlung von Auslandsinvestitionen in der Land- und Forstwirtschaft bei Schaffung der Ermächtigungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 k EStG im Jahre 1954 nicht im Vordergrund gestanden haben mag, hätte durchaus Veranlassung bestanden, dieses Problem in einer der zahlreichen seit 1954 ergangenen Änderungsverordnungen, die nicht nur die jeweilige Verlängerung der Sonderabschreibungen zum Gegenstand hatten, zu regeln. Dies ist jedoch nicht geschehen.

2. Sind danach mehrere Auslegungsmöglichkeiten gegeben, so ist diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz (GG) in Einklang steht (vgl. etwa Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 17. Oktober 1973 1 BvL 20/72, BVerfGE 36, 126, 135, und vom 1. März 1978 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40, 45). Da sich die abgelehnten Sonderabschreibungen auf die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer auswirken, führt die vom FG vertretene Auslegung aber zu einer Benachteiligung des Klägers, die durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt ist. Mangels eines im Gesetz selbst zum Ausdruck gekommenen, entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens entspricht es daher nach Auffassung des Senats dem Gebot steuerlicher Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), auch dem Kläger die Sonderabschreibungen nach § 76 EStDV zu gewähren. Wie ein im Inland wirtschaftender Landwirt ermittelt der Kläger seinen Gewinn durch Bestandsvergleich und hat auch die stillen Reserven zu versteuern, die durch die Vornahme der Sonderabschreibungen entstehen.

Auch soweit das FG aus der Begünstigung von Zuschüssen nach § 76 Abs. 2 und 3 EStDV gefolgert hat, die Sonderabschreibungen seien auf im Inland betriebene land- und forstwirtschaftliche Betriebe beschränkt, vermag ihm der Senat nicht zu folgen. Denn mit der Förderung von Zuschüssen zur Anschaffung von Anlagegütern im Ausland würden nicht etwa ausländische Land- und Forstwirte begünstigt; gefördert wird vielmehr der Erwerb von Nutzungsrechten durch den Land- und Forstwirt, der - wie der Kläger - unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist und seinen Gewinn nicht nach § 13 a EStG ermittelt. Auch für diesen Fall würde aus dem Gebot der Gleichbehandlung folgen, daß dem Kläger die Sonderabschreibungen nicht zu versagen sind.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen, ob die weiteren Voraussetzungen des § 76 EStDV im Streitfall erfüllt sind, insbesondere, ob es sich bei den vom Kläger angeschafften Maschinen um solche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt, die in der Anlage 1 zur EStDV aufgeführt sind. Das FG wird auch festzustellen haben, ob die Voraussetzungen des § 7 a Abs. 8 EStG vorliegen.