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  BFH-Urteil vom 25.2.1992 (IX R 41/91) BStBl. 1992 II S. 621

Ein Steuerpflichtiger kann die Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach § 7 b EStG, die in einem bestandskräftigen Bescheid zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer geführt hat, nicht durch einen nachträglichen Austausch gegen bisher nicht geltend gemachte Werbungskosten oder Sonderausgaben rückgängig machen, um die erhöhten Absetzungen in einem Folgejahr nach § 7 b Abs. 3 Satz 1 oder 3 EStG nachzuholen.

EStG § 7 b Abs. 3 Sätze 1 und 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben im Jahr 1983 ein Einfamilienhaus, das sie noch im selben Jahr bezogen. In ihrer Einkommensteuererklärung 1983 machten sie erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 10.000 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte in seiner Einkommensteuerveranlagung 1983 nur erhöhte Absetzungen von 9.116 DM, weil sich schon aufgrund dessen eine Einkommensteuerschuld von 0 DM ergab. Bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 1984 setzte das FA erhöhte Absetzungen von 10.000 DM an.

Die Kläger begehrten bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1985 - neben erhöhten Absetzungen für dieses Jahr von 10.000 DM - zusätzlich erhöhte Absetzungen aus dem Jahre 1983 von 884 DM und 2.432 DM nachzuholen. In Höhe von 2.432 DM erstrebten sie einen nachträglichen Austausch von bereits gewährten erhöhten Absetzungen gegen bislang nicht geltend gemachte Werbungskosten und Sonderausgaben. Das FA gestattete ihnen nur eine Nachholung von 884 DM.

Ihrer Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision Verletzung des § 7 b Abs. 3 EStG.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat den Klägern rechtsfehlerhaft gestattet, erhöhte Absetzungen von 2.432 DM aus dem Jahre 1983 im Jahre 1985 unter Austausch mit bisher nicht geltend gemachten Werbungskosten und Sonderausgaben nachzuholen.

1. Nach § 7 b Abs. 3 Satz 1 EStG kann der Bauherr erhöhte Absetzungen, die er im Jahr der Fertigstellung und in den zwei folgenden Jahren nicht ausgenutzt hat, bis zum Ende des dritten auf das Jahr der Fertigstellung folgenden Jahres nachholen. Entsprechendes gilt für einen Erwerber (§ 7 b Abs. 3 Satz 3 EStG).

Erhöhte Absetzungen sind im Sinne dieser Vorschrift insoweit noch "nicht ausgenutzt", als sie nicht in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer geführt haben. Ein Steuerpflichtiger kann eine Ausnutzung von erhöhten Absetzungen in einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid nicht dadurch wieder rückgängig machen, daß er die erhöhten Absetzungen nachträglich gegen bisher nicht geltend gemachte Werbungskosten oder Sonderausgaben austauscht, um die erhöhten Absetzungen nunmehr in einem Folgejahr nachzuholen. Eine derartige Gestaltung wird in der Rechtsprechung und Literatur einhellig als unzulässig abgelehnt (Urteil des FG Düsseldorf vom 20. Mai 1976 IX 119/74 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1977, 8; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., 1988, § 7 b Anm. 8 f.; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 b EStG Anm. 276; Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Köln vom 8. September 1971 - S 2197-11-St 111 -, Betriebs-Berater - BB - 1971, 1266; ebenso zu § 10 e EStG Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10 e EStG Anm. 258; Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 10 e EStG Rn. 89). Der erkennende Senat schließt sich dem an.

§ 7 b EStG eröffnet bei der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen dem Steuerpflichtigen Wahlrechte dem Grunde und der Höhe nach. Die Ausübung der Wahlrechte ist in § 7 b EStG allerdings nicht an eine Frist gebunden. Hat der Steuerpflichtige jedoch sein Wahlrecht in der Einkommensteuererklärung ausgeübt und ist er aufgrund dessen bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt worden, so hat er sein Wahlrecht ausgenutzt. Er ist infolge der Bestandskraft des Bescheids an die getroffene Wahl gebunden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach entschieden (BFH-Urteile vom 10. Oktober 1969 VI R 180/67, BFHE 97, 186, BStBl II 1970, 63; vom 18. Dezember 1973 VIII R 101/69, BFHE 111, 302, BStBl II 1974, 319; vgl. zur Bindung an die Ausübung von Wahlrechten auch den Überblick in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1992, 9 f. unter Anmerkung).

Ebenfalls im Hinblick auf die Bestandskraft hat der BFH einen Objektverbrauch nach § 7 b Abs. 5 EStG auch dann angenommen, wenn erhöhte Absetzungen zu Unrecht gewährt wurden und die Steuervergünstigung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Als entscheidend hat der BFH auch hier angesehen, daß der Steuerpflichtige die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG in Anspruch genommen und diese sich auf die Steuerfestsetzung ausgewirkt hat (BFH-Urteile vom 22. April 1980 VIII R 202/78, BFHE 131, 204, BStBl II 1980, 689; vom 5. Juni 1991 XI R 11/90, BFH/NV 1991, 742, und BFH-Beschluß vom 5. April 1990 IX B 201/89, BFH/NV 1990, 766).

Es kann dahinstehen, ob ein Widerruf einer ausgeübten Wahl nach § 7 b EStG noch zu einer Aufhebung der Bestandskraft etwa wegen einer neuen Tatsache nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) führen kann. Die Ausübung eines Wahlrechts wird in dem BFH-Urteil vom 28. September 1984 VI R 48/82 (BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117) nicht als neue Tatsache, sondern als eine Verfahrenshandlung angesehen. Jedenfalls erlaubt es die fortbestehende Bestandskraft eines Einkommensteuerbescheids nicht, eine einmal ausgeübte Wahl erhöhter Absetzungen nachträglich unter Auswechslung von Besteuerungsgrundlagen zu ändern.

Eine Ausnahme kann hiervon - entgegen der Auffassung des FG - nicht bei einem Bescheid gemacht werden, mit dem die Einkommensteuerschuld auf 0 DM festgesetzt worden ist. Es kann dahinstehen, ob und inwieweit auch ein solcher Bescheid zu einer Rechtsverletzung führen kann und daher anfechtbar ist (vgl. hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Tz. 12). Auch die Bestandskraft eines solchen Bescheids führt zur Bindung an die Wahl, die ein Steuerpflichtiger zuvor in seiner Einkommensteuererklärung getroffen hat.

2. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.