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  BFH-Urteil vom 15.4.1992 (III R 96/88) BStBl. 1992 II S. 819

Aufwendungen für die Besichtigung von Hotels (Fahrt-, Übernachtungs- und Mehrverpflegungskosten) können als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb abzuziehen sein, wenn die Besichtigungen auf dem endgültigen Entschluß des Steuerpflichtigen beruhen, gewerbliche Einkünfte durch den Betrieb eines Hotels zu erzielen.

EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum Jahre 1977 als Ingenieur nichtselbständig tätig. Während des Jahres 1977 erfuhr er, daß sein Arbeitsverhältnis aufgelöst werden sollte. Er bemühte sich deshalb um eine neue Stellung. Nach seiner Darstellung erhielt er am 10. Februar 1978 auf eine seiner Bewerbungen eine Zusage; am 15. Februar 1978 begann er seine neue Tätigkeit.

Ab Dezember 1977 holte er außerdem Angebote für den Ankauf eines Hotels ein. Gemeinsam mit seiner Ehefrau besichtigte er einige dieser Hotels in der Zeit vom 3. Januar bis 10. Februar 1978. Hierzu trug er vor, daß er es wegen seines Alters zunächst für unwahrscheinlich gehalten habe, eine neue Stelle in seinem Beruf zu finden. Deshalb hätten sie - seine Ehefrau und er - sich ernstlich um den Erwerb eines Hotels bemüht. Dazu hätten sie sich an Ort und Stelle über die Qualität der Hotels, ihre Lage, die Zahl der Betten, deren Auslastung sowie über die sonstigen Bedingungen informiert. Sie hätten ihre Bemühungen zum Erwerb eines Hotels erst aufgegeben, als der Kläger die Zusage für eine neue Stellung in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich erhalten habe.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1978 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 7.750 DM für Hotelbesichtigungen durch ihn und seine Ehefrau als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu, da nicht nachgewiesen worden sei, daß sich der Kläger und seine Ehefrau bereits endgültig dazu entschlossen hatten, ein Hotel zu betreiben; sie hätten einen derartigen Entschluß vielmehr erst vorbereiten wollen.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage in diesem Punkt Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Aufwendungen seien in Höhe von 7.250 DM als vorweggenommene Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb abziehbar, obwohl es nicht zum Erwerb eines Hotels und damit zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gekommen sei. Aufgrund der vom Kläger eingereichten Unterlagen und des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung sei das FG überzeugt, daß der Kläger und seine Ehefrau den Erwerb eines Hotels angestrebt und dazu schon konkrete Schritte unternommen hätten. Anhaltspunkte, die einen Abzug der Aufwendungen nach § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hätten ausschließen müssen, hätten sich nicht ergeben.

Mit seiner - vom FG nachträglich zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Es führt im einzelnen aus:

1. Das angefochtene Urteil verletze den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) sowie die Grundsätze über die objektive Beweislast und die Beweiswürdigung (§ 96 FGO). Es sei zweifelhaft, ob nicht zu Beginn des Streitjahrs 1978 bereits feststand, daß der Kläger am 15. Februar 1978 seine neue Tätigkeit antreten würde (und demgemäß die Hotelbesichtigungen nicht mehr ernsthaft der Vorbereitung eines Ankaufs dienten). Trotz eines entsprechenden Antrags habe das FG diesen Sachverhaltsbereich nicht weiter aufgeklärt. Falls aber zu Beginn des Streitjahres noch nicht festgestanden haben sollte, daß der Kläger eine neue Anstellung finden werde, hätte das FG auf den Nachweis der Kosten für die einzelnen Hotelbesichtigungen nicht verzichten dürfen. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen ergäben sich erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Hotelbesichtigungen. Ohne entsprechenden Nachweis hätten die angeblichen Besichtigungskosten nach den Grundsätzen über die objektive Beweislast nicht berücksichtigt werden dürfen. Der fehlende Nachweis hätte zu Lasten des Klägers gehen müssen.

2. Das angefochtene Urteil verstoße außerdem gegen das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 EStG. Selbst im Fall eines Nachweises der Besichtigung von Hotels hätten die Besichtigungskosten gemäß § 12 EStG nicht berücksichtigt werden können. Den Umständen sei zu entnehmen, daß der Kläger die bis zu Beginn der neuen Tätigkeit verbleibende Zeit zusammen mit seiner Ehefrau auch für Urlaubszwecke habe nutzen wollen.

3. Das Urteil des FG verstoße schließlich auch gegen § 4 Abs. 4 EStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Aufwendungen, die vor einer Berufstätigkeit gemacht werden, könnten nur nach den später erzielten Einkünften beurteilt werden. Für diese Beurteilung seien die nach Aufnahme der Berufstätigkeit gegebenen steuerlichen Verhältnisse maßgebend (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Juli 1973 VI R 198/69, BFHE 110, 47, BStBl II 1973, 732). Hätte der Kläger ein Hotel in Österreich oder Italien erworben und das Hotel dort persönlich geleitet, dann wären die dort erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Bundesrepublik Deutschland nicht steuerbar gewesen; demgemäß hätten auch die für die Besichtigung ausländischer Hotels angefallenen Kosten vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sein müssen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um den Abzug der vom Kläger geltend gemachten Besichtigungskosten als vorweggenommene Betriebsausgaben zu rechtfertigen.

1. Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen zu den Betriebsausgaben grundsätzlich alle Aufwendungen, die objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).

Sind bereits vor der Betriebseröffnung Aufwendungen angefallen, so sind sie als vorab entstandene Betriebsausgaben abziehbar, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Abzug kommt von dem Zeitpunkt an in Betracht, in dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß der Entschluß, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefaßt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).

Aufwendungen können selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu den erstrebten Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einnahmen besteht (BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 160/82, BFHE 140, 216, BStBl II 1984, 307).

Hiernach können auch die Kosten für Reisen zur Besichtigung eines zum Verkauf angebotenen Betriebs als vorab entstandene Betriebsausgaben abziehbar sein (Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 4 Anm. 92 e). Insoweit gilt hier das gleiche wie für den Werbungskostenabzug von Reiseaufwendungen, die einem Steuerpflichtigen auf der Suche nach einem zum Kauf geeigneten Einfamilienhaus entstehen (BFH-Urteil vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470).

Der Abzug von (vorab entstandenen) Betriebsausgaben setzt allerdings voraus, daß deren Entstehung und ihre betriebliche Veranlassung nachgewiesen werden können. Lassen sich die Tatsachen, aus denen sich die Entstehung und der betriebliche Zusammenhang der Aufwendungen ergibt, nicht feststellen, so geht das zu Lasten des Steuerpflichtigen. Denn er trägt für diese Tatsachen die objektive Beweislast (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562, und vom 9. August 1991 III R 129/85, BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55).

2. Die tatsächlichen Feststellungen im finanzgerichtlichen Urteil ermöglichen keine revisionsgerichtliche Überprüfung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger die von ihm geltend gemachten Reisekosten als vorab entstandene Betriebsausgaben abziehen kann.

a) Das FG hat zwar festgestellt, daß der Kläger ab Dezember 1977 in großem Umfang Angebote von zum Verkauf stehenden Hotels eingeholt und in der Zeit vom 3. Januar bis zum 10. Februar 1978 zusammen mit seiner Ehefrau "verschiedene, überwiegend in Süddeutschland gelegene Hotels besichtigt" hat; außerdem hat es festgestellt, daß die konkreten Bemühungen des Klägers und seiner Ehefrau "erkennbar auf die Begründung einer neuen Existenz und einer Einkunftsart gerichtet" gewesen sind.

Diese Feststellungen reichen indessen nicht aus, um zu belegen, daß die in der Zeit vom 3. Januar bis 10. Februar 1978 durchgeführten Reisen auf dem endgültigen Entschluß des Klägers beruhten, gewerbliche Einkünfte durch den Betrieb eines Hotels zu erzielen. Wie das FA im finanzgerichtlichen Verfahren hierzu näher ausgeführt hat, bestanden ernstliche Zweifel, ob die Zusage des neuen Arbeitgebers, den Kläger bei sich einzustellen, erst am 10. Februar 1978 - und nicht schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt - vorlag; letzterenfalls hätten die Reisen nur den Zweck haben können, eine Entscheidung des Klägers über den zukünftigen beruflichen Weg - als nichtselbständig Tätiger oder als Gewerbetreibender - erst vorzubereiten. An einem endgültigen Entschluß, einen Gewerbebetrieb zu eröffnen, hätte es in diesem Fall gefehlt.

b) Aber selbst wenn davon auszugehen sein sollte, daß die Reisen des Klägers und seiner Ehefrau auf dem endgültigen Entschluß des Klägers beruhten, ein Hotel zu kaufen und einen entsprechenden Gewerbebetrieb zu eröffnen, hätten noch weitere Feststellungen zum Umfang der Reisen getroffen werden müssen. Da die Beteiligten um die betriebliche Veranlassung der einzelnen Reisen streiten, wären noch nähere Feststellungen über deren Ziele, ihre Dauer und die hierbei jeweils entstandenen Kosten zu treffen gewesen. Für derartige Feststellungen bestand um so mehr Veranlassung, als das FA bereits in seiner Einspruchsentscheidung und in seinen beim FG eingereichten Schriftsätzen wegen der Möglichkeit einer privaten Mitveranlassung einiger Reisen an der Abziehbarkeit der hierfür aufgewendeten Kosten erhebliche Zweifel geäußert hatte. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BFH zum Aufteilungs- und Abzugsverbot für sog. "gemischte" (d. h. teils betrieblich, teils privat veranlaßte) Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG (vgl. BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) hätte das FG den für die Entscheidung dieser Frage erheblichen Sachverhalt feststellen müssen.

c) Schließlich hätte es weiterer Sachverhaltsfeststellungen zu einzelnen Reisen auch insoweit bedurft, als es um Fahrten ins Ausland (nach Österreich und Südtirol) ging. Denn Aufwendungen für eine im Ausland beabsichtigte Tätigkeit sind nicht als vorab entstandene Betriebsausgaben abziehbar, wenn die im Ausland zu erzielenden Einkünfte im Inland nicht steuerbar sind (BFH-Urteil vom 20. Juli 1973 VI R 198/69, BFHE 110, 47, BStBl II 1973, 732).