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  BFH-Urteil vom 15.4.1992 (III R 11/91) BStBl. 1992 II S. 821

Reisekosten, die ein deutscher Staatsangehöriger für die Eheschließung mit einer Bürgerin der damaligen Sowjetunion in Moskau aufgewandt hat, stellen keine außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33 EStG dar.

EStG 1986 § 33.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger reiste anläßlich der Eheschließung mit der Klägerin, die seinerzeit sowjetische Staatsangehörige war, im Streitjahr 1986 nach Moskau. Die (standesamtliche) Heirat fand drei Tage später statt. Nach weiteren vier Tagen kehrte der Kläger in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) - Inland - zurück.

Die Kläger beantragten in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1986, die im Zusammenhang mit der Reise nach Moskau angefallenen Fahrtkosten in Höhe von ca. 1.100 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Dies lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid für das Streitjahr ab.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren durchgeführte Klage hatte insoweit Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1986 (EStG) lägen vor. Die Reisekosten seien sowohl außergewöhnlich, da sie bei einer Heirat im Inland nicht angefallen wären, als auch zwangsläufig, weil die Klägerin ohne Eheschließung in der Sowjetunion keine Ausreiseerlaubnis erhalten hätte. Es bestehe ein Unterschied, ob Ehepartner den Ort der Heirat frei wählen könnten oder ob, wie hier, ein Steuerpflichtiger nur deshalb im Ausland heirate, weil dem Partner eine vorherige Reise ins Inland nicht gestattet werde. In diesem Fall könne sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen.

Zwar seien die Aufwendungen letztlich die Folge des freien Entschlusses des Klägers, die Klägerin zu heiraten und mit ihr im Inland zu leben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) komme es jedoch für Aufwendungen, die ihre Ursache im höchstpersönlichen Lebensbereich hätten, nur darauf an, ob sich ein Steuerpflichtiger nach Lage der Verhältnisse den Ausgaben, für die er eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung begehre, nicht entziehen könne. Davon sei hier auszugehen.

Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision, mit der das FA unrichtige Auslegung des § 33 Abs. 1 EStG rügt. Das FA macht im einzelnen geltend:

Bei den Reisekosten handele es sich um normale Kosten, die stets für einen Ehepartner entständen, wenn nicht beide Eheleute am gleichen Ort wohnten. Reisekosten anläßlich der Heirat seien damit Ausgaben, die - wenn auch wegen unterschiedlicher Entfernungen in verschiedener Höhe - auf jeden Steuerpflichtigen zukommen könnten. Hätte die Klägerin problemlos zu einer Eheschließung im Inland ausreisen können, so wären die gleichen Fahrtkosten in umgekehrter Richtung entstanden.

Die Kläger machen geltend:

Die Reisekosten seien außergewöhnlich, weil ohne eine Eheschließung in der Sowjetunion die Klägerin keine Ausreiseerlaubnis erhalten hätte. Für eine Eheschließung in der Sowjetunion sei eine zweimalige Anreise erforderlich gewesen; die persönliche Anwesenheit sei sowohl bei der Bestellung des Aufgebots als auch bei der Eheschließung notwendig gewesen. Der eigentlichen Heirat im Inland hätte die Heirat in der Sowjetunion als Voraussetzung für die Ausreise der Klägerin vorausgehen müssen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Reisekosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), wird gemäß § 33 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 EStG).

2. Die hier streitigen Reisekosten sind als Kosten der Eheschließung nicht außergewöhnlich i. S. von § 33 Abs. 1 EStG.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 III R 63/85, BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894, m. w. N.) und der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. z. B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33 EStG Anm. 31; Arndt in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. B 39; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 33 Anm. 4 f.) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe nach, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen.

Das ist bei Kosten der Eheschließung - anders als bei Kosten der Ehescheidung - nicht der Fall. Denn obwohl die Anzahl derjenigen Personen, die unverheiratet bleiben, in den letzten Jahren stark zugenommen hat, würde es den tatsächlichen Verhältnissen sicherlich nicht entsprechen, die Eheschließung als etwas Ungewöhnliches anzusehen. Sie entspricht vielmehr immer noch der normalen Lebensgestaltung breiter Bevölkerungsschichten und kann schon deshalb nicht als ihrer Art nach außergewöhnlich angesehen werden.

Nichts anderes gilt für Reisekosten, die wegen der Eheschließung auf den Steuerpflichtigen zukommen. Wenn Brautleute aus verschiedenen Orten oder aus verschiedenen Ländern heiraten, werden wohl stets mehr oder weniger umfangreiche Reisekosten anfallen, sei es im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Eheschließung oder durch die Heirat selbst. Derartige Aufwendungen sind dem Grunde nach nicht ungewöhnlich. Sie werden es deshalb auch dann nicht, wenn sie im Einzelfall vergleichsweise hoch sind.

Diese Beurteilung entspricht der Wertung, wie sie der Senat etwa bei Besuchsfahrten zu erkrankten Angehörigen vorgenommen hat (vgl. Urteil vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96, m. w. N.). Auch hier ist der Senat davon ausgegangen, daß es sich um Vorgänge handelt, die der Art und dem Grunde nach nicht außerhalb des Üblichen liegen. Derartige Aufwendungen sind deshalb grundsätzlich durch die allgemeinen Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten.

Der Senat kann im vorliegenden Streitfall offenlassen, ob Reisekosten anläßlich der Eheschließung stets das Merkmal der Außergewöhnlichkeit abzusprechen ist oder ob bei völlig aus dem Rahmen fallenden, unvermeidbaren Kosten im Einzelfall einmal eine andere Wertung gerechtfertigt sein kann. Denn um einen Ausnahmefall dieser Art handelt es sich bei Kosten in Höhe von 1.100 DM jedenfalls nicht.

3. Die tatsächlichen Feststellungen des FG bieten keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Eheschließung in erster Linie erfolgt wäre, um der Klägerin die Ausreise aus der Sowjetunion zu ermöglichen, und erst in zweiter Linie, um - dann - zusammenleben zu können. Der Senat weist aber darauf hin, daß nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH Aufwendungen für die Genehmigung der - eigenen - Ausreise aus einem Land des Ostblocks grundsätzlich nicht als zwangsläufig anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1977 VI R 42/75, BFHE 124, 34, BStBl II 1978, 147). Nichts anderes kann für Aufwendungen gelten, die dazu dienen sollen, Angehörigen die Ausreise zu ermöglichen.