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  BFH-Urteil vom 28.4.1992 (IX R 130/86) BStBl. 1992 II S. 823

Umbaumaßnahmen an einer Wohnung führen nur dann zu Ausbauten i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG, wenn die Wohnräume wegen der Änderung der Wohngewohnheiten für Wohnzwecke ungeeignet waren; es genügt nicht, daß die Wohnräume lediglich instandsetzungsbedürftig waren.

EStG § 21 a Abs. 4 Satz 5; II. WoBauG § 17.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 1982 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts Wohnungseigentum in einem um 1900 erbauten Wohn- und Geschäftshaus für 105.000 DM. Das Wohnungseigentum ist zum 1. Januar 1983 als Einfamilienhaus bewertet. Die von den Klägern erworbene Wohnung bestand aus drei Zimmern, einer Wohn- und Eßdiele, Küche, Badezimmer, Gäste-WC und war ca. 133 qm groß. Einige Tage vor Abschluß des Kaufvertrags hatten die Kläger ein Baubetreuungsunternehmen damit beauftragt, umfangreiche Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten zum Festpreis von 200.000 DM durchzuführen. Das Unternehmen setzte u. a. neue Trennwände, baute eine Heizung und neue Fensterbänke ein und nahm umfangreiche Arbeiten an den Sanitäreinrichtungen vor.

In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die selbstgenutzte Eigentumswohnung für das Streitjahr 1984 machten die Kläger neben Absetzungen nach § 82 i und 82 k der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) über den Grundbetrag nach § 21 a Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hinaus Schuldzinsen von 10.000 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den erweiterten Schuldzinsenabzug mit der Begründung ab, durch die Baumaßnahme sei kein neuer Wohnraum entstanden. Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Bei den umstrittenen Baumaßnahmen handele es sich um einen Ausbau i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes (HBeglG) 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972). Die Baumaßnahmen seien ein Umbau i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG), weil die Kläger mit erheblichem Bauaufwand die dafür erforderlichen durchgreifenden haus-, bau- und wohntechnischen Verbesserungen vorgenommen sowie den Grundriß der Wohnung verändert hätten. Das erworbene Wohnungseigentum habe bei Erwerb nicht mehr den gegebenen Wohnbedürfnissen entsprochen und sei nicht mehr bewohnbar gewesen.

Mit der Revision rügt das FA unzutreffende Anwendung des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Vorentscheidung verletzt § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich der von den Klägern begehrte erweiterte Schuldzinsenabzug nicht auf § 21 a Abs. 4 Satz 1 EStG stützen läßt, weil die Kläger die Eigentumswohnung weder hergestellt noch im Jahr der Fertigstellung angeschafft haben.

Entgegen der Rechtsansicht des FG ergibt sich der erweiterte Schuldzinsenabzug auch nicht aus § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG. Nach dieser Vorschrift können bei der Pauschalierung des Nutzungswerts einer selbstgenutzten Wohnung Schuldzinsen über die Höhe des Grundbetrags hinaus bis zu 10.000 DM abgesetzt werden, wenn sie mit den Herstellungskosten für Ausbauten und Erweiterungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Kläger haben die von ihnen erworbene Eigentumswohnung weder erweitert noch ausgebaut.

1. Der Begriff der Ausbauten und Erweiterungen, der sich auch in anderen Vorschriften des Steuerrechts findet (z. B. in § 7 b Abs. 2 Satz 1 und § 10 e Abs. 2 EStG, § 14 Abs. 3 Nr. 1, § 14 a Abs. 2 und § 15 Abs. 3 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG), wird in § 17 Abs. 1 und 2 II. WoBauG, auf den § 15 Abs. 3 Satz 1 EStDV verweist, näher umschrieben. Danach ist Wohnungsbau durch Erweiterung eines bestehenden Gebäudes das Schaffen von Wohnraum durch Aufstockung des Gebäudes oder durch Anbau an das Gebäude (§ 17 Abs. 2 II. WoBauG). Wohnungsbau durch Ausbau eines bestehenden Gebäudes ist das Schaffen von Wohnraum durch Ausbau des Dachgeschosses oder durch eine unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer baulichen Gestaltung und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten (§ 17 Abs. 1 Satz 1 II. WoBauG). Als Wohnungsbau durch Ausbau eines bestehenden Gebäudes gilt auch der unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umbau von Wohnräumen, die infolge Änderung der Wohngewohnheiten nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind, zur Anpassung an die veränderten Wohngewohnheiten (§ 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG). Diese Begriffsbestimmungen gelten nach § 100 II. WoBauG auch für Rechtsvorschriften außerhalb des II. WoBauG, sofern nicht in diesen ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Da § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG für Ausbauten und Erweiterungen keine ausdrückliche, von § 17 II. WoBauG abweichende Regelung trifft, sind die Begriffsbestimmungen des II. WoBauG anzuwenden.

2. Die Baumaßnahmen der Kläger haben zu keiner Erweiterung der erworbenen Eigentumswohnung i. S. des § 17 Abs. 2 II. WoBauG geführt. Sie haben die Eigentumswohnung weder aufgestockt, noch durch einen Anbau erweitert. Daß das Gesamtgebäude aufgestockt wurde, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil nur der Ausbau oder die Erweiterung der von den Klägern erworbenen Eigentumswohnung maßgebend ist.

3. Auch die in § 17 Abs. 1 Satz 1 II. WoBauG für das Vorliegen eines Ausbaus genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Wohnung diente bereits vor der Aufteilung des Grundstücks in Eigentumswohnungen Wohnzwecken, wie sich aus dem Kaufvertrag ergibt.

4. In Betracht kommt danach nur ein Ausbau i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG.

a) Baumaßnahmen führen nur dann zu Ausbauten im Sinne dieser Vorschrift, wenn Wohnräume vorhanden waren, die nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind und die Eignung zu Wohnzwecken infolge einer Änderung der Wohngewohnheiten verlorengegangen ist. Die Eignung zu Wohnzwecken darf also nicht nur infolge von Altersabnutzung oder Verwahrlosung entfallen sein (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 17. März 1976 VIII C 145.72, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 454.4 § 2 II. WoBauG Nr. 2; vom 27. April 1990 8 C 19.88, Buchholz, a. a. O., 454.4 § 17 II. WoBauG Nr. 3 - Leitsatz veröffentlicht in: Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1990, 894 -). Außerdem muß der Umbau nach der Rechtsprechung des BVerwG zu einer durchgreifenden Umgestaltung der bestehenden Bausubstanz führen (vgl. dazu insbesondere Urteil des BVerwG vom 3. Juli 1987 8 C 73.86, Buchholz, a. a. O., 454.4, § 17 II. WoBauG Nr. 2 = NJW-Rechtsprechungs-Report - NJW-RR - 1987, 1489). Danach ist für einen Ausbau i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG zwar nicht erforderlich, daß neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum geschaffen wird. Voraussetzung ist aber, daß der Wohnung die Eignung zu Wohnzwecken wegen einer Änderung der Wohngewohnheiten fehlte und der Umbau zu einer durchgreifenden Umgestaltung der Wohnung führt.

b) Diese Auslegung des Begriffs Ausbau i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG ist auch bei Anwendung des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG maßgebend. Sie entspricht der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit der Einführung des erweiterten Schuldzinsenabzugs in § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG durch das HBeglG 1983 verfolgte. Wie sich aus der Überschrift des Gesetzes und aus den allgemeinen Erläuterungen zum Gesetzentwurf (BTDrucks 9/2074, S. 1) ergibt, sollte das HBeglG 1983 u. a. zur Wiederbelebung der Wirtschaft führen und einen Anreiz für Investitionen im Wohnungsbau bieten. Ein solcher Anreiz wird auch durch die Begünstigung von umfassenden Umbaumaßnahmen geboten, die zwar nicht zur Schaffung von bisher nicht vorhandenem Wohnraum führen, aber den vorhandenen Wohnraum durch umfassende Umbaumaßnahmen wieder bewohnbar macht.

c) Mit dieser Auslegung weicht der Senat nicht von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1962 VI 169/62 U (BFHE 76, 335, BStBl III 1963, 122) ab, auf das Abschn. 54 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) verweist. Dieses Urteil ist zu § 7 b Abs. 2 EStG 1960 ergangen. Nach dieser Vorschrift waren Ausbauten nur dann begünstigt, wenn die neu hergestellten Gebäudeteile zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienten. Der VI. Senat hat aus dieser Einschränkung gefolgert, daß der Ausbau zur Neuherstellung von Gebäudeteilen führen müsse und insoweit der Begriff des Ausbaus in dieser Vorschrift von der Begriffsbestimmung in § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG abweiche. § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG, um den es im Streitfall geht, enthält eine solche Einschränkung nicht.

5. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat verkannt, daß auch umfassende Umbaumaßnahmen nur dann zu Ausbauten i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG führen, wenn Wohnräume vorhanden sind, die nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind und die Eignung zu Wohnzwecken infolge einer Änderung der Wohngewohnheiten verlorengegangen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die von den Klägern erworbene Wohnung bestand, wie sich aus dem Kaufvertrag ergibt, schon vor dem Umbau aus drei Zimmern, einer Wohn- und Eßdiele, Küche, Bad und Gäste-WC. Sie entsprach damit dem Standard, der allgemein als für ein gesundes und menschenwürdiges Wohnen ausreichend angesehen wird. Wenn deshalb die Wohnung - wie das FG ohne nähere Prüfung angenommen hat - im Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr den gegebenen Wohnbedürfnissen entsprochen und nicht bewohnbar gewesen sein sollte, kann die fehlende Eignung zu Wohnzwecken nur auf der altersbedingten Abnutzung oder auf einer besonderen Verwahrlosung beruhen, nicht aber auf einer Änderung der Wohngewohnheiten. Es kann danach offenbleiben, ob die Modernisierungsmaßnahmen auch deshalb nicht zu einem Ausbau i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG geführt haben, weil der Umbau nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Bausubstanz geführt hat.