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  BFH-Urteil vom 5.5.1992 (IX R 168/87) BStBl. 1992 II S. 824

Die Übergangsregelung des § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 EStG findet auf Erwerbe im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge keine (entsprechende) Anwendung.

EStG § 21 a Abs. 1, 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Eltern des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) übertrugen diesem im Jahre 1982 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ihr mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Der Kläger verpflichtete sich, seinen Eltern einen Altenteil zu erbringen. Im Rahmen des im Grundbuch eingetragenen Altenteils räumte der Kläger den Eltern ein Wohnrecht an der im Erdgeschoß des Zweifamilienhauses gelegenen Wohnung ein. Das Obergeschoß bewohnt der Kläger selbst.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1984 (Streitjahr) ermittelte der Kläger seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unter Ansatz des Mietwertes der selbstgenutzten Wohnung und unter Berücksichtigung sämtlicher das Zweifamilienhaus betreffender Werbungskosten errechnete er einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen in Höhe von 5.289 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber die Auffassung, die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung seien nach § 21 a EStG zu ermitteln; unter Berücksichtigung erhöhter Absetzungen gemäß § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) ergäben sich negative Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 282 DM.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das FA habe die Einkünfte zutreffend gemäß § 21 a EStG ermittelt. Da der Kläger die Wohnung im Erdgeschoß des Zweifamilienhauses seinen Eltern nicht mietweise, sondern unentgeltlich überlassen habe, fände der Ausnahmetatbestand des § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG keine Anwendung. Auch die Übergangsvorschrift des § 21 a Abs. 7 EStG sei im vorliegenden Fall einer vorweggenommenen Erbfolge nicht anwendbar.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 21, 21 a EStG. Nach seiner Auffassung muß die vorliegende Fallgestaltung, in der die Eltern des Klägers die Erdgeschoßwohnung aufgrund eines vorbehaltenen Wohnrechtes nutzen, der Fremdvermietung der zweiten Wohnung des Zweifamilienhauses steuerrechtlich gleichgestellt werden. Darüber hinaus sei auch die Übergangsregelung des § 21 a Abs. 7 EStG sinngemäß anwendbar, da das Haus lange vor dem 29. Juli 1981 errichtet worden sei und der Kläger aufgrund der vorweggenommenen Erbfolge in die Rechtsposition der Eltern eingetreten sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung des FA vom 16. April 1986 und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1984 vom 12. Februar 1982 die Einkommensteuer auf 5.159 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zu Recht nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG ermittelt.

1. Nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 EStG 1983 sind die Einkünfte aus einer Wohnung in einem eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, ebenso wie die Einkünfte aus einem Einfamilienhaus grundsätzlich aufgrund eines pauschalierten Nutzungswertes zu ermitteln.

Mit der Einfügung des Satzes 2 in § 21 a Abs. 1 EStG durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) wurde die pauschale Nutzungswertbesteuerung für Einfamilienhäuser nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf selbstgenutzte Wohnungen in Gebäuden aller Art ausgedehnt. Auf diese Weise sollte einer ungleichmäßigen Besteuerung im Bereich selbstgenutzten Wohnraums, die ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 9/843, S. 8 ff.) vornehmlich bei den - sog. unechten - Zweifamilienhäusern als ungerecht angesehen wurde (vgl. hierzu auch Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 21 a EStG Anm. 3 a), entgegengewirkt werden.

Zugleich wurden in § 21 a Abs. 1 Satz 3 EStG Ausnahmetatbestände geschaffen, bei denen die pauschalierte Nutzungswertbesteuerung des § 21 a EStG in den Fällen nicht anwendbar ist, in denen der Eigentümer im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, eine Wohnung selbst nutzt und er - bezogen auf den Streitfall - mindestens eine Wohnung oder eine anderen als Wohnzwecken dienende Einheit von Räumen zur dauernden Nutzung vermietet hat (§ 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Hierdurch sollte ein Anreiz für eine Teilvermietung von Gebäuden geschaffen werden, um so dem Wohnungsmarkt zusätzlichen Wohnraum zuzuführen (BTDrucks 9/843, S. 10).

2. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als nicht erfüllt angesehen. Unter Vermietung im Sinne dieser Vorschrift ist - entsprechend § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) - die Gewährung des Gebrauchs einer Wohnung auf Zeit gegen Entgelt zu verstehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Mai 1980 VIII R 63/79, BFHE 131, 212, BStBl II 1981, 295).

Im vorliegenden Fall aber haben die Eltern des Klägers die im Erdgeschoß des Zweifamilienhauses gelegene Wohnung aufgrund eines im Übergabevertrag vorbehaltenen Wohnrechtes genutzt. Damit haben sie ihre Nutzungsberechtigung nicht von dem Kläger hergeleitet, der von vornherein ein um das Wohnrecht der Eltern vermindertes Eigentumsrecht an dem Hausgrundstück erhalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791). Vielmehr nutzen die Eltern des Klägers die Erdgeschoßwohnung aus eigenem Recht; sie erzielen insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl. Senatsurteil vom 21. Juli 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938, m. w. N.).

Für eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung des § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG ist ebenfalls kein Raum.

3. Zu Recht hat das FG auch die Übergangsvorschrift des § 21 a Abs. 7 EStG für nicht anwendbar erachtet.

Nach dieser Übergangsregelung gilt die Nutzungswertermittlung nach § 21 a EStG nicht für solche Gebäude, die der Steuerpflichtige aufgrund eines vor dem 30. Juli 1981 gestellten Antrags auf Baugenehmigung errichtet oder die er aufgrund eines vor dem 30. Juli 1981 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrages oder sonstigen Rechtsaktes erworben hat (§ 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG). Erwirbt der Steuerpflichtige nach dem 29. Juli 1981 allerdings im Wege der Erbfolge, so ist § 21 a EStG auch dann nicht anwendbar, wenn der Rechtsvorgänger das Gebäude aufgrund eines vor dem 30. Juli 1981 gestellten Antrages auf Baugenehmigung errichtet oder es aufgrund eines vor diesem Tag rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrages oder sonstigen Rechtsaktes erworben hatte (§ 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 EStG).

Während die Übergangsregelung des § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG allgemein einen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen gewährleisten soll, gilt die Ausnahmeregelung für Erwerbe im Wege der Erbfolge in § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 EStG der Vermeidung unterschiedlicher Einkünfteermittlungsmethoden in den zahlreichen Fällen, in denen beide Ehegatten Miteigentümer eines Gebäudes sind, einer von ihnen stirbt und die gemeinsamen Kinder kraft Erbfolge Anteile an diesem Gebäude erlangen (vgl. Kieschke u. a., Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1982, 67, 75).

Es kann offenbleiben, ob das danach für den Erbfall nicht gewollte Ergebnis immer dann eintritt, wenn nach dem 29. Juli 1981 Miteigentumsanteile außerhalb der Erbfolge entgeltlich oder unentgeltlich übertragen worden sind und einem Miteigentümer ein anderer Grundstücksanteil bereits vor dem 30. Juli 1981 zuzurechnen war (vgl. Ramisch, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1984, 179, 182). Jedenfalls läßt der eindeutige Wortlaut ("... im Wege der Erbfolge erworben worden ist ...") keine - auch keine entsprechende - Anwendung des § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 EStG auf Erwerbe im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zu (ebenso auch Bordewin in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 a Anm. 63; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 21 a EStG Anm. 237; Ramisch, a. a. O., S. 183; Seithel, Finanz-Rundschau - FR - 1982, 239 f. und FR 1983, 209 f.; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 21 a EStG Rn. 53; vgl. auch Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1984, Abschn. 164 b Abs. 2 Nr. 2 c, sowie Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. November 1982 IV B 1 - S 2254 - 48/82, BStBl I 1982, 857; zweifelnd lediglich Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 21 a Anm. 3 a). Während es sich bei einem Erwerb im Wege der Erbfolge um einen Erwerb von Todes wegen nach Maßgabe der Vorschriften des Ersten Abschnitts des Fünften Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches handelt, beruht ein Erwerb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf einem Rechtsgeschäft zwischen Lebenden. Bereits dieser Unterschied steht einer entsprechenden Anwendung der Übergangsregelung des § 21 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 EStG in Fällen der vorweggenommenen Erbfolge entgegen; zutreffend hat das FG insoweit darauf hingewiesen, daß die Steuerpflichtigen es - anders als bei einem Erwerb von Todes wegen - bei Vermögensübertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge in der Hand haben, den Besteuerungstatbestand zu ihren Gunsten zu gestalten. Hinzu kommt, daß auch andere rechtsgeschäftliche Vermögensübertragungen unter Lebenden, die wie die Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge steuerrechtlich entweder zu einem unentgeltlichen oder (teil-)entgeltlichen Erwerb führen (vgl. hierzu Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847), nämlich z. B. eine Schenkung oder ein Kaufvertrag, für den Zeitraum nach dem 29. Juli 1981 ersichtlich nicht unter die Übergangsvorschrift fallen. Auch im Hinblick auf eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist daher die Anwendung der Übergangsregelung ausgeschlossen.