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  BFH-Beschluß vom 21.5.1992 (V B 232/91) BStBl. 1992 II S. 845

Das FG kann aufgrund pflichtgemäßen Ermessens entscheiden, ob es über einen Antrag auf Ablehnung eines Richters aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet. Die ehrenamtlichen Richter müssen an dem Beschluß über die Richterablehnung mitwirken, wenn das FG aufgrund mündlicher Verhandlung entscheidet.

FGO § 5 Abs. 3, § 51; ZPO § 42.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers, Antragstellers, Beschwerde- und Rechtsmittelführers (Kläger) hatte dem Finanzgericht (FG) innerhalb der ihm im Klageverfahren wegen Umsatzsteuer 1983 gesetzten Frist gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) zur Vorlage der Prozeßvollmacht gesetzten Ausschlußfrist eine beglaubigte Ablichtung der Vollmacht durch Telefax übermittelt. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG wies der Vorsitzende des Senats auf § 62 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Er erläuterte, daß die Vollmacht schriftlich vorzulegen sei, und daß sich die Bedeutung der Schriftlichkeit aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergebe. Darauf verlangte der Prozeßbevollmächtigte die Angabe des Paragraphen. Der Vorsitzende erklärte - nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift -, "gegebenenfalls werde das im Urteil abgehandelt". Nunmehr lehnte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers den Vorsitzenden wegen Befangenheit ab.

Nach einer Unterbrechung der Sitzung wurde die Sache erneut aufgerufen. Ein Richter des Senats hatte den Vorsitz übernommen. Für den ausgeschiedenen Vorsitzenden Richter war ein Berufsrichter eines anderen Senats als Vertreter beteiligt. Außerdem nahmen die ehrenamtlichen Richter teil. Nachdem die Beteiligten sich zu der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters geäußert hatten, wies der Senat den Ablehnungsantrag zurück. Aus der bezeichneten Äußerung des Vorsitzenden Richters, so begründete der Senat seine Entscheidung, lasse sich bei vernünftiger, objektiver Betrachtung keine Voreingenommenheit herleiten. Der Beschluß und die Gründe wurden den Beteiligten verkündet. Die mündliche Verhandlung gegen den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1983 setzte der Senat in seiner ursprünglichen Besetzung fort.

Mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrags macht der Kläger geltend, die Äußerung des abgelehnten Richters lasse erkennen, daß das Urteil in seinem Kopf "unabänderlich fertig war, als über die Zulässigkeit der Klage mündlich verhandelt wurde".

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Beschluß des FG vom 22. Oktober 1991 aufzuheben und dem Ablehnungsgesuch stattzugeben.

Der Beklagte, Antragsgegner, Beschwerdegegner und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Ablehnungsantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

1. Die Beschwerde hat nicht schon deshalb Erfolg, weil die ehrenamtlichen Richter an der Entscheidung über die Richterablehnung (§ 51 Abs. 1 FGO i. V. m. § 42 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) mitgewirkt haben. Das FG durfte nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Oktober 1984 VI B 142/83, JURIS-Doknr. 379918), ob es den Beschluß über den Ablehnungsantrag aufgrund mündlicher Verhandlung oder außerhalb derselben fassen wollte. Da Vorgänge aus der mündlichen Verhandlung als Ablehnungsgründe geltend gemacht worden sind, war es nicht ermessensfehlerhaft, über ihre Begründetheit aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 FGO müssen die ehrenamtlichen Richter bei Entscheidungen aufgrund mündlicher Verhandlung mitwirken; denn sie wirken nur bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Entscheidung nicht mit (§ 5 Abs. 3 Satz 2 FGO). Eine Entscheidung über den aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangenen Beschluß über die Richterablehnung ohne ihre Mitwirkung wäre ein dem absoluten Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 FGO vergleichbarer Mangel gewesen, der zur Aufhebung der Vorentscheidung hätte führen müssen (BFH-Beschluß vom 8. Juli 1983 VI B 69/82, JURIS-Doknr. 379113).

2. Ein Ablehnungsgrund ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht gegeben.

Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet, wenn ein Anlaß vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 51 FGO i. V. m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO). Gründe für ein derartiges Mißtrauen sind vorhanden, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, daß der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, m. w. N.).

Das Ablehnungsgesuch kann nicht mit Erfolg auf die Erklärung des abgelehnten Richters gestützt werden, die Notwendigkeit der Vorlage einer schriftlichen Prozeßvollmacht werde "gegebenenfalls im Urteil abgehandelt werden". Gerade das Wort "gegebenenfalls" zeigt, daß das Urteil für den Richter noch nicht unabänderlich feststand. Auch ist nicht zu erkennen, weshalb der Hinweis auf gesetzliche Vorschriften und deren Wiedergabe die Besorgnis der Befangenheit bewirken soll.