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  BFH-Urteil vom 24.3.1992 (VIII R 33/90) BStBl. 1992 II S. 869

1. Zerlegungsbescheide für die Gewerbesteuer sind nach § 173 Abs. 1 i. V. m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 änderbar. § 189 AO 1977 trifft allein für den Fall der Nichtberücksichtigung von Gemeinden bei der Zerlegung eine abschließende Regelung.

2. Die Besonderheiten des Zerlegungsverfahrens erfordern, bei der sinngemäßen Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 auf den einzelnen Zerlegungsanteil abzustellen und von der Unterscheidung zwischen der Änderung zuungunsten (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) bzw. zugunsten (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977) des Steuerpflichtigen abzusehen.

AO 1977 §§ 171 Abs. 10, 173 Abs. 1, 175 Abs. 1 Nr. 1, 177, 181 Abs. 1, 184 Abs. 1 Satz 3, 185 bis 189; AO §§ 222, 387 Abs. 1 und 2; FGO §§ 40 Abs. 2, 96 Abs. 1 Satz 2; GewStG §§ 5 Satz 1, 14 a, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 und 4, 34 Abs. 3; GG Art. 28 Abs. 2 Satz 2, 106 Abs. 6.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Streitig ist, ob Zerlegungsbescheide für die Gewerbesteuer 1977 bis 1980 gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) änderbar sind.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Stadt M, ist an der Zerlegung der für die Beigeladene zu 1, die Firma R-GmbH & Co. KG (künftig: KG), festgesetzten einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbeträge für 1977 bis 1980 beteiligt. Die Geschäftsleitung der KG befand sich in den Streitjahren in A. Weitere Betriebsstätten unterhielt die KG in M und in den 21 beigeladenen Städten.

Die einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbeträge waren nach den in den Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhnen auf die hebeberechtigten Gemeinden zu zerlegen, deren Hebesätze unterschiedlich hoch waren. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm die Zerlegung entsprechend den eingereichten Erklärungen endgültig vor. Eine Betriebsprüfung bei der KG führte zu Änderungen der Gewerbesteuer-Meßbeträge für 1977 bis 1980 und bezüglich der für die Zerlegung maßgebenden Arbeitslöhne. Die KG hatte zu Unrecht gewinnabhängige Tantiemen bei den Arbeitslöhnen erfaßt.

Das FA erließ gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Gewerbesteuer-Meßbescheide. Die Zerlegungsbescheide änderte es unter dem 3. September 1982 gleichfalls sowohl in Anpassung an die erhöhten Steuer-Meßbeträge als auch im Hinblick auf die geänderten Zerlegungsmaßstäbe.

Der von der Klägerin wegen der Änderung der Zerlegungsmaßstäbe eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. März 1985).

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach Beiladung der KG und der hebeberechtigten Städte als unbegründet ab.

Das FG ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG München vom 15. November 1989 5 K 5209/85 sowie die Einspruchsentscheidung des FA München vom 11. März 1985 aufzuheben und die geänderten Zerlegungsbescheide 1977 bis 1980 vom 3. September 1982 nach den ursprünglichen Zerlegungsmaßstäben zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß bestandskräftige Zerlegungsbescheide bezüglich der Gewerbesteuer in sinngemäßer Anwendung von § 173 Abs. 1 AO 1977 zu ändern sind.

1. Die Klägerin ist auch hinsichtlich der Erhebungszeiträume 1978 und 1980 i. S. von § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beschwert, obwohl sich die Zerlegungsanteile (1978 um 12 DM und 1980 um 125,57 DM) gegenüber den endgültigen Erstbescheiden erhöht haben. Dies beruht auf der Erhöhung des einheitlichen Steuer-Meßbetrags für die betreffenden Jahre. Bei Anwendung des ursprünglichen Zerlegungsmaßstabs ergäben sich zugunsten der Klägerin noch höhere Zerlegungsanteile.

Ob eine Beschwer vorliegt, richtet sich nach dem Entscheidungssatz des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 118 AO 1977; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463). Eine geänderte Zerlegung des einheitlichen Steuer-Meßbetrags beschwert den Steuerpflichtigen bei unterschiedlichen Hebesätzen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Juli 1988 III R 286/84, BFH/NV 1990, 56). Die einzelne steuerberechtigte Gemeinde ist hingegen nur beschwert, wenn ihr gegenüber dem zugeteilten Anteil nach den materiell-rechtlichen Zerlegungsvorschriften (vgl. §§ 28 ff. des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) ein höherer Anteil zustände (vgl. auch § 188 Abs. 2 AO 1977).

So liegt der Fall hier.

2. Die bestandskräftigen Zerlegungsbescheide sind zu Recht gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 (analog) i. V. m. §§ 184 Abs. 1 Satz 3, 185 AO 1977 i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I 1985, 2436) geändert worden (Art. 25 Abs. 1 StBereinG 1986, Art. 97 § 1 Abs. 2 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -).

a) Gemäß § 185 AO 1977 in der bis zum 31. Dezember 1986 geltenden Fassung waren auf die in den Steuergesetzen vorgesehene Zerlegung von Steuer-Meßbeträgen die für die Ermittlung und Festsetzung der Steuer-Meßbeträge geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt war. Nach der ab 1. Januar 1987 anzuwendenden Fassung des StBereinG 1986 sind die für die Steuer-Meßbeträge geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Nach § 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 waren für die Ermittlung und Festsetzung von Steuer-Meßbeträgen die Vorschriften über die Steuerfestsetzung sinngemäß anzuwenden; nach der ab 1. Januar 1986 geltenden Fassung des StBereinG 1986 sind die Vorschriften über die "Durchführung der Besteuerung" sinngemäß anzuwenden.

Mit der ursprünglichen Fassung ist indessen nicht, wie die Klägerin meint, lediglich auf den 1. Unterabschnitt des 3. Abschn. des 4. Teils der AO 1977, also die §§ 155 bis 168 AO 1977 Bezug genommen worden mit der Folge, daß die Änderungsvorschrift des § 173 AO 1977 erst im Verlauf des Änderungsverfahrens anwendbar geworden wäre; vielmehr umfaßte die Verweisung von Anfang an auch die hier in Frage stehenden Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Steuerfestsetzungen (§§ 172 bis 177 AO 1977). Nach einhelliger Meinung kommt der geänderten Fassung des § 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 lediglich klarstellende Bedeutung zu (vgl. Begründung zum Entwurf eines StBereinG 1985, BTDrucks 10/1636 zu Nr. 29, S. 48; Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 184 AO 1977 Anm. 1 a und 18; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 184 Bem. 3 und § 181 Bem. 2; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 4. Aufl., § 184 Anm. 3; Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 3. Aufl., § 185 Anm. 2; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung (AO), Kommentar, § 184 Bem. I 4; Domann, Der Betrieb - DB - 1986, 611, 668; Reiff, Zeitschrift für Kommunalfinanzen - ZKF - 1991, 53, 55; Loberg, ZKF 1984, 237, m. w. N.).

Die sinngemäße Anwendung des § 173 AO 1977 aufgrund der im Wortlaut neu gefaßten Verweisungen in §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 stellt mithin keine rückwirkende Verschärfung dar.

b) Die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 AO 1977 wird nicht gemäß § 185 letzter Halbsatz AO 1977 durch die nachfolgenden Bestimmungen in §§ 186 bis 190 AO 1977 ausgeschlossen. Die insoweit allenfalls in Betracht kommende Regelung in § 189 AO 1977 entfaltet keine derartige Sperrwirkung. Weder dem Wortlaut des § 189 AO 1977 noch der Systematik des Zerlegungsverfahrens, noch der Entstehungsgeschichte des § 189 AO 1977 läßt sich zwingend eine derart weitreichende Ausschlußwirkung entnehmen.

aa) Der einheitliche Gewerbesteuer-Meßbescheid ist Grundlagenbescheid (vgl. § 171 Abs. 10 AO 1977) im Verhältnis zum Zerlegungsbescheid. Soweit der Gewerbesteuer-Meßbescheid geändert wird, ist auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zu ändern. Diese Änderung ist jedoch auf die Anpassung an den geänderten Gewerbesteuer-Meßbescheid beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1989 III R 5/87, BFHE 158, 109, BStBl II 1990, 38; Offerhaus, a. a. O., § 189 Anm. 4; Tipke/Kruse, a. a. O., § 189 Tz. 2; Hofmeister in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 28 GewStG Tz. 26; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 28 Anm. 10; Seitrich, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1985, 401, sowie FG Köln, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 195). Überwiegend wird in diesem Rahmen auch die Korrektur von Rechtsfehlern gemäß § 177 AO 1977 als zulässig angesehen (ablehnend Tipke/Kruse, a. a. O.).

bb) § 387 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) sah vor, daß bei Änderung des Steuer-Meßbetrags nach einer Zerlegung sofort eine neue Zerlegung vorzunehmen war. Diese neue Zerlegung war nicht an die bisherigen Zerlegungsgrundlagen gebunden, vielmehr war sie wie eine erstmalige Zerlegung durchzuführen (ständige Rechtsprechung des BFH, Beschluß vom 13. Mai 1965 IV B 254/63 U, BFHE 82, 502, BStBl III 1965, 428; Urteil vom 18. Oktober 1967 I B 270/63, BFHE 90, 268, BStBl II 1968, 40). Diese Regelung ist indessen nicht in die AO 1977 übernommen worden, so daß eine Änderung des Steuer-Meßbetrags lediglich eine Folgeänderung der Zerlegung, nicht aber eine völlig neue Zerlegung ohne Bindung an die bisherigen Zerlegungsgrundlagen gestattet (vgl. FG Köln, EFG 1986, 195; Offerhaus, a. a. O., § 189 Anm. 4; Seitrich, a. a. O., S. 401, 404; a. M. Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz - 1991 -, § 28 Anm. 6; Wihtol/Bittner, Gewerbesteuergesetz, § 28 Anm. 3 b; Müthling/Fock, Gewerbesteuergesetz, 3. Aufl. - 1976 -, § 28 Anm. 5, jeweils unter Bezugnahme auf die zu § 387 Abs. 2 AO ergangene, jedoch durch die AO 1977 überholte Rechtsprechung).

cc) § 189 AO 1977 regelt den Fall der Nichtberücksichtigung zerlegungsberechtigter Gemeinden. Inhaltlich stimmt er mit der Vorgängerregelung in § 387 Abs. 3 AO überein.

Ist der Anspruch einer steuerberechtigten Gemeinde auf einen Anteil am Steuer-Meßbetrag nicht berücksichtigt und nicht zurückgewiesen worden, wird die Zerlegung geändert oder nachgeholt. Ist der Zerlegungsbescheid gegenüber den bisher Beteiligten unanfechtbar, so darf die Zerlegung nur noch zum Zwecke der nachträglichen Berücksichtigung des übergangenen Steuerberechtigten geändert werden. Die Zerlegung darf weder geändert noch nachgeholt werden, wenn der Steuer-Meßbescheid bereits ein Jahr unanfechtbar ist, es sei denn, der übergangene Steuerberechtigte hatte bereits vor Ablauf des Jahres die Änderung oder Nachholung der Zerlegung beantragt.

Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß § 189 AO 1977 über seinen ausdrücklichen Regelungsinhalt hinaus keine weitergehendere Ausschlußwirkung entfaltet. Zwar lautet die Überschrift zu § 189 AO 1977 ganz allgemein "Änderung der Zerlegung". Sie könnte als Hinweis verstanden werden auf eine abschließende Regelung möglicher Änderungen im Zerlegungsverfahren. Indessen enthält die Regelung selbst keinerlei derartige Beschränkung, daß nämlich überhaupt nur in bestimmten Fällen der Nichtberücksichtigung einer Gemeinde die Zerlegung noch geändert werden dürfe. § 189 AO 1977 führt die frühere Bestimmung aus § 387 Abs. 3 AO 1977 fort. Die AO enthielt indessen keine Verweisung - wie § 185 AO 1977 - auf die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung. Deshalb lehnte der Reichsfinanzhof (RFH) eine Änderung von Zerlegungsbescheiden aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel (Wiederaufrollung gemäß § 222 AO) unabhängig von einer Änderung des Steuer-Meßbescheids (vgl. § 387 Abs. 2 AO) ab (vgl. RFH-Urteil vom 15. Oktober 1940 I 224/40, RStBl 1940, 1050, mit Anmerkung von Zitzlaff, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1941, 149, 156; Beschluß des RFH vom 7. Januar 1942 VI B 19/41, RStBl 1942, 25; Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, 9. Aufl., § 387 Anm. 1, 3; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung - 1972 -, § 387 Tz. 3). Die AO 1977 hat nicht nur die vom RFH vermißte Verweisung auf die Vorschriften über die Steuerfestsetzung aufgenommen, sondern zugleich die Regelung in § 387 Abs. 2 AO nicht fortgeführt. Weder der Wortlaut des § 189 AO 1977 noch die Gesetzesmaterialien geben indessen einen Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber der AO 1977 gegenüber der AO die Änderungsmöglichkeiten derart weitreichend hätte einschränken wollen (vgl. AO 1977, Materialien, zusammengestellt und bearbeitet von Mittelsteiner und Schaumburg, 2. Aufl., S. 319 ff.). Im Gegenteil hat der Gesetzgeber in der Begründung zu § 130 AO 1977 ausdrücklich bemerkt, daß u. a. für Zerlegungsbescheide besondere Vorschriften über die Aufhebung und Änderung dieser Bescheide gelten und dabei in einem Klammerzusatz auf die §§ 164, 165, 172, 173 und 175 Bezug genommen (vgl. Mittelsteiner und Schaumburg, a. a. O., § 130).

Hätte der Gesetzgeber die Rechtslage verschärfen wollen, so hätte er dies angesichts der Streichung des § 387 Abs. 2 AO und im Hinblick auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung sowie angesichts der neu aufgenommenen Verweisungsnorm in § 185 AO 1977 eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Für eine gegenüber sonstigen Steuerbescheiden gesteigerte Bestandskraft von Zerlegungsbescheiden über die in § 189 AO 1977 ausdrücklich angesprochenen Fallgruppen hinaus läßt sich dem Gesetz kein hinreichender Anhaltspunkt entnehmen (so aber Reiff, ZKF 1991, 53 ff.; Fichtelmann, Systematik, Änderung und Aufhebung der Verwaltungsakte und Steuerbescheide nach der AO 1977, 2. Aufl., S. 121).

§ 189 AO 1977 bleibt auch als Sonderregelung für den Fall der Nichtberücksichtigung einer Gemeinde in gleicher Weise sinnvoll wie § 387 Abs. 3 AO. Die nachträgliche Berücksichtigung einer oder mehrerer hebeberechtigter Gemeinden kann in besonders schwerwiegender Weise auf die bisherige Zerlegung einwirken, weshalb zum Schutz der Zerlegungsbeteiligten ein zeitlich gestaffelter, wachsender Bestandsschutz gewährleistet wird. Die im Regelfall weniger bedeutsamen betragsmäßigen Änderungen, die auf nachträglich bekanntwerdenden Tatsachen oder Beweismitteln beruhen, stellen zwar ein Minus gegenüber der vollständigen Nichtberücksichtigung dar, erfordern indessen regelmäßig auch nur einen geringeren Bestandsschutz. Ein "unerträglicher Wertungswiderspruch" liegt in dieser sachlichen Differenzierung nicht.

dd) Das Schrifttum verneint eine Sperrwirkung des § 189 AO 1977 ebenfalls ganz überwiegend (vgl. Offerhaus, a. a. O., § 189 Anm. 6; Kühn/Kutter/Hofmann, a. a. O., § 189 Anm. 5; Koch, a. a. O., § 189 Tz. 3; Woerner/Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 81 und 143; Klein/Orlopp, a. a. O., § 189 - wohl erst ab dem StBereinG 1986 -; Dumke in Schwarz, a. a. O., § 189 Anm. 3; Gröger/Schöll, AO, § 173 Rz. 2 und Vorbem. Rz. 9 zu § 172; Lohmeyer, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1990, 86; Seitrich, DStZ 1985, 401; Loberg, ZKF 1984, 237; die gegenteilige Auffassung vertreten das FG Köln im Urteil vom 11. Dezember 1985 X 270/82 G, EFG 1986, 195, rkr.; Beschluß vom 13. März 1989 13 V 39/89, ZKF 1989, 158; Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 27. März 1990 II 315/84 (III), EFG 1990, 590; Reiff, ZKF 1991, 53 und 1985, 82; Kohlbecker, ZKF 1987, 248, 249, sowie Frotscher, a. a. O., § 173 Tz. 2; Fichtelmann, a. a. O., S. 121).

c) Eine Änderung bestandskräftiger Zerlegungsbescheide gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine sinngemäße Anwendung (§§ 184 Abs. 1 Satz 3, 185 AO 1977) nicht möglich wäre.

§ 173 Abs. 1 AO 1977 ordnet die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden an, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die entweder zu einer höheren Steuer (Nr. 1) oder, unter der weiteren Voraussetzung, daß den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden trifft, zu einer niedrigeren Steuer führen (Nr. 2).

aa) Die sinngemäße Anwendung von Vorschriften verlangt deren Anwendung unter Beachtung der Besonderheiten des Zerlegungsverfahrens und damit die zweckgerichtete Anwendung der in Bezug genommenen Vorschriften (vgl. die inzwischen gefestigte Rechtsprechung zur sinngemäßen Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 auf Wert-, Art- und Zurechnungsfeststellungen, BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 178/85, BFHE 151, 8, BStBl II 1988, 174; Beschluß vom 16. September 1987 II R 261/83, BFH/NV 1988, 689; Urteil vom 16. September 1987 II R 237/84, BFH/NV 1988, 690; generell zur Frage entsprechender Rechtsanwendung Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 250 f.).

bb) Der Senat vermag sich nicht der Auffassung anzuschließen, § 173 Abs. 1 AO 1977 sei bereits wegen grundlegender struktureller Unterschiede nicht auf Zerlegungsbescheide anzuwenden (so FG Köln, EFG 1986, 195; FG Köln, ZKF 1989, 158; FG Schleswig-Holstein, EFG 1990, 590; Reiff, ZKF 1985, 82 und 1991, 53 ff.; Kohlbecker, ZKF 1987, 248 ff.; Tipke/Kruse, a. a. O., § 189 Tz. 2, unter Aufgabe seiner bisherigen Auffassung). Es trifft zu, daß § 173 AO 1977 typischerweise das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigem und Steuerberechtigtem erfaßt, der Zerlegungsstreit hingegen nicht nur den Steuerpflichtigen, sondern auch das Verhältnis mehrerer Steuerberechtigter zueinander betrifft. Die hebeberechtigten Gemeinden stehen in einem Verhältnis der Gleichordnung. Die Zerlegung stellt indessen nur einen verfahrensrechtlich verselbständigten Teil im Rahmen der Festsetzung der Gewerbesteuer dar. Zerlegungsbescheide sind zerlegte Meßbescheide, die das Verhältnis des Steuerpflichtigen zum Steuergläubiger regeln (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1972 I R 119/69, BFHE 107, 102, BStBl II 1972, 209). Der Zerlegungsanteil bildet die Grundlage für den endgültigen Gewerbesteueranspruch der steuerberechtigten Gemeinde.

Auch die Gewinnverteilung im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung regelt als verselbständigte Feststellung das Verhältnis der Feststellungsbeteiligten untereinander, ohne daß insoweit die sinngemäße Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 über § 181 Abs. 1 AO 1977 in Frage gestellt würde (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 181 Tz. 1, § 173 Tz. 14; Woerner/Grube, a. a. O., S. 91).

cc) Der sinngemäßen Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 steht schließlich nicht die durch das StBereinG 1986 eingefügte sog. Kleinbetragsregelung in § 173 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 entgegen (so aber Kohlbecker, ZKF 1987, 248, 249, und Reiff, ZKF 1991, 53).

Die Neuregelung ist gemäß Art. 25 Abs. 1 StBereinG 1986 erst zum 1. Januar 1987 in Kraft getreten. Art. 97 § 1 Abs. 2 Satz 1 EGAO 1977 i. d. F. des StBereinG 1986 stellt zwar klar, daß geänderte Verfahrensvorschriften auf alle bei Inkrafttreten dieser Vorschriften noch anhängigen Verfahren anzuwenden sind. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts sind aber unter "anhängigen Verfahren" noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren zu verstehen. Die AO 1977 und das EGAO 1977 treffen keine Regelung für das finanzgerichtliche Verfahren. Im finanzgerichtlichen Verfahren sind jedoch Änderungen auf dem Gebiete des Verwaltungsverfahrensrechts zu beachten, wenn die Verwaltung bei Aufhebung der Verwaltungsentscheidung und Fortführung des Verfahrens diese anzuwenden hätte, es sei denn, die Voraussetzungen für den materiellen Steueranspruch oder für eine sachliche Ermessensentscheidung der Finanzbehörde würden geändert (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 8. Februar 1977 VIII R 50/74, BFHE 121, 379, BStBl II 1977, 516; Urteil vom 21. Februar 1991 V R 25/87, BFHE 164, 1, BStBl II 1991, 496, m. w. N.).

Die Kleinbetragsregelung in § 173 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 enthält eine bindende - verfahrensrechtliche - Änderungssperre, die den materiellen Steueranspruch selbst jedoch unberührt läßt.

Die Regelung knüpft nicht an die gesamte steuerliche Änderung, sondern lediglich an die betragsmäßige Auswirkung im Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren an (Ausschuß-Bericht in BTDrucks 10/4513, S. 17; Guth, DStZ 1989, 43 ff.). Sie gilt nur für Änderungen nach § 173 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO 1977, nicht für solche nach anderen Vorschriften (Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 Tz. 44). Weder wird sie durch die besondere Kleinbetragsregelung in § 34 Abs. 3 GewStG als lex specialis ausgeschlossen mit der weiteren Folge, daß etwa § 173 Abs. 1 AO 1977 insgesamt als Änderungsvorschrift ausschiede, noch bewirken dies mögliche Schwierigkeiten bei der Handhabung der Kleinbetragsregelung.

Nach § 34 Abs. 3 GewStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545) ist ein Betrag der Erhöhung oder Ermäßigung von unter 20 DM, der sich bei der Änderung oder Berichtigung eines Zerlegungsanteils ergibt, bei dem Zerlegungsanteil der Gemeinde zu berücksichtigen, in der sich die Geschäftsleitung befindet. Gemäß Art. 4 Nr. 2 des Änderungsgesetzes vom 20. August 1980 ist die Vorschrift auf Änderungen oder Berichtigungen von Zerlegungsbescheiden anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1980 vorgenommen werden. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist umfassend, er gilt für alle Änderungen und Berichtigungen, während die Kleinbetragsregelung nach § 173 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 allein für Änderungen nach § 173 AO 1977 gilt. Andererseits ist die betragsmäßige Begrenzung in § 34 Abs. 3 GewStG starr und eng im Vergleich zur Kleinbetragsregelung. Nach den Ausschußberatungen (BTDrucks 10/4513, S. 17) wurde die Kleinbetragsregelung als zusätzliche Änderungssperre verstanden. Beispielhaft wurde auf andere Kleinbetragsregelungen mit gleicher Zielsetzung verwiesen (vgl. auch Klein/Orlopp, a. a. O., § 173 Anm. 4 b; Muuss in Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - F 2 S. 4615). Sie gilt für alle unter § 173 Abs. 1 AO 1977 fallenden Verwaltungsakte, soweit sie Beträge festsetzen bzw. feststellen (Frotscher in Schwarz, a. a. O., § 173 Anm. 105, der allerdings ohne weitere Begründung die Anwendung verneint, wenn sich ohne Änderung des Gesamtbetrages nur dessen Aufteilung ändere; Guth, DStZ 1989, 43; Muuss, a. a. O.). Ob eine Änderung unterbleibt, ist durch Vergleich der Beträge des bisher festgesetzten und des nach § 173 Abs. 1 AO 1977 zu ändernden Zerlegungsanteils zu ermitteln. Werden Tatsachen bekannt, die zu einer Änderung des Zerlegungsanteils führen, so kommt es auf den Gesamtbetrag dieser Änderungen an. Die Änderungen zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen sind zwar vor Anwendung der Bagatellgrenze zu saldieren (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 Tz. 44; Klein/Orlopp, a. a. O., § 173 Anm. 4 b; Woerner/Grube, a. a. O., S. 92; Guth, DStZ 1989, 43, 44). Die sinngemäße Anwendung muß freilich den Besonderheiten des Zerlegungsbescheides Rechnung tragen. Saldiert werden nicht die bloßen Folgeänderungen im Rahmen der Zerlegung. Ist also die Änderungsgrenze für einen Zerlegungsanteil überschritten, so müssen entsprechend dem Wesen des Zerlegungsbescheides als einheitlichem Bescheid die übrigen Zerlegungsanteile angepaßt werden.

dd) Nach dem Wortlaut des § 173 Abs. 1 AO 1977 muß die nachträglich bekanntgewordene Tatsache im Vergleich zu der bisher festgesetzten Steuer zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führen. Der Zerlegungsbescheid regelt indessen, ob und ggf. in welcher Höhe Zerlegungsanteile dem beteiligten Steuerberechtigten zuzurechnen sind.

Die sinngemäße Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 erfordert deshalb, auf den Zerlegungsanteil abzustellen und von der konkreten Nachprüfung der - insgesamt - eintretenden steuerlichen Wirkung bei dem Steuerpflichtigen bzw. dem Zerlegungsberechtigten abzusehen (so auch Offerhaus, a. a. O., § 189 Tz. 6; Loberg, ZKF 1984, 237, 238; Seitrich, DStZ 1985, 401).

ee) Ebensowenig läßt sich, soll den Besonderheiten des Zerlegungsverfahrens in sachgerechter Weise bei der sinngemäßen Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 Rechnung getragen werden, die Unterscheidung zwischen neuen Tatsachen, die zu einem höheren bzw. zu einem niedrigeren Zerlegungsanteil führen, aufrechterhalten.

Die nachträglich bekanntwerdende Tatsache wirkt sich auf die an dem Zerlegungsverfahren Beteiligten, nämlich den Steuerpflichtigen einerseits und auf die Gemeinden andererseits unterschiedlich, häufig gegenläufig, aus. Da die einzelne Gemeinde von den Regelungen in einem Zerlegungsbescheid unmittelbar betroffen wird, kann bei einer Änderung nach § 173 Abs. 1 AO 1977 nicht allein auf den Steuerpflichtigen abgestellt werden.

Die vom Gesetzgeber grundsätzlich gewollte sinngemäße Anwendung der Änderungsvorschrift auf Zerlegungsfälle gebietet vielmehr, im Wege der teleologischen Reduktion bestandskräftige Zerlegungsbescheide bereits dann zu ändern, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden, die zu einer Änderung der Zerlegungsanteile führen, sofern die Bagatellgrenze überschritten wird.

Durch das Merkmal des "groben Verschuldens" in § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 soll der Steuerpflichtige dazu angehalten werden, die zu seinem Verantwortungsbereich gehörenden, steuerlich erheblichen Tatsachen rechtzeitig vorzubringen (vgl. Entwurf einer AO - AO 1974 -, BTDrucks VI/1982, S. 153 zu § 154; Urteile des BFH vom 19. August 1983 VI R 177/82, BFHE 139, 343, BStBl II 1984, 48; vom 12. Mai 1989 III R 200/85, BFHE 157, 22, BStBl II 1989, 920; Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 Tz. 31).

Diese Regelung ist gerechtfertigt, weil die Tatsachen aus der Sphäre des Steuerpflichtigen stammen und darum von ihm rechtzeitig vorgetragen werden können. Kommt er seiner Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so hat er es hinzunehmen, wenn eine erst nachträglich bekanntgewordene Tatsache, die zu einer niedrigeren Steuer führen würde, unberücksichtigt bleibt.

Diese Rechtsfolge ist jedoch nur so lange gerechtfertigt, wie diese Sanktion nur denjenigen trifft, der das verspätete Bekanntwerden der neuen Tatsache zu vertreten hat.

In Zerlegungsfällen würden hingegen zugleich Dritte mit einer Sanktion belegt, die an dem nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsache kein Verschulden trifft. Zur Abgabe der Zerlegungserklärung ist ausschließlich der Steuerschuldner, d. h. der Unternehmer (vgl. § 5 Satz 1 GewStG) verpflichtet (§ 14 a Sätze 1 und 2 GewStG).

Die am Zerlegungsverfahren beteiligten steuerberechtigten Gemeinden sind regelmäßig nicht in der Lage zu beurteilen, ob die im Zerlegungsbescheid anzugebenden Zerlegungsgrundlagen (§ 188 Abs. 2 AO 1977), insbesondere die während des Erhebungszeitraums in den Betriebsstätten der beteiligten Gemeinden gezahlten Arbeitslöhne (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG), zutreffend ermittelt wurden. Zwar können sie von der zuständigen Finanzbehörde (§ 22 Abs. 1 AO 1977) Auskunft über die Zerlegungsgrundlagen verlangen und Einsicht in die Zerlegungsunterlagen nehmen (§ 187 AO 1977). Eine genaue Kenntnis über die tatsächlich während des Erhebungszeitraums an die Arbeitnehmer bei den einzelnen Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne i. S. des § 31 GewStG kann aber in der Regel nur aufgrund einer Außenprüfung durch die Finanzbehörden erlangt werden (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 184 Tz. 1).

Darüber hinaus besteht keine rechtliche Grundlage dafür, der einzelnen Gemeinde ein mögliches Verschulden des Steuerpflichtigen zuzurechnen. Der Steuerpflichtige ist weder gesetzlicher noch gewillkürter Vertreter der Gemeinden; er wird auch nicht in deren Verantwortungsbereich tätig (vgl. BFH-Urteile vom 20. Januar 1988 I R 1/84, BFH/NV 1988, 348; vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789; grundlegend Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 271 ff.).

ff) Eine sinngemäße Anwendung des § 173 Abs. 1 AO 1977 auf Zerlegungsbescheide für die Gewerbesteuer ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

Der Gesetzgeber hat den Widerstreit zwischen den Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit einerseits und der materiellen Richtigkeit von Steuerbescheiden unter Durchbrechung der Bestandskraft von Steuerbescheiden andererseits in den Änderungsvorschriften §§ 172 bis 177 AO 1977 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise geregelt (vgl. BVerfG-Beschluß in BVerfGE 60, 253, 268; BFH-Urteil vom 29. November 1988 VIII R 226/83, BFHE 155, 259, BStBl II 1989, 259).

Änderungen der Zerlegungsanteile können sich auf die Haushalte der Gemeinden auswirken. Gleichwohl gebietet weder die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) noch die in Art. 106 Abs. 6 GG vorgenommene Zuweisung des Realsteueraufkommens, bestandskräftige Zerlegungsbescheide nicht gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 zu ändern. Die Änderung eines Zerlegungsanteils im Einzelfall beeinträchtigt nicht den Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden (vgl. dazu BVerfG-Beschluß vom 10. Juni 1969 2 BvR 480/61, BVerfGE 26, 172, 183). Art. 106 Abs. 6 GG gewährleistet den Gemeinden das Realsteueraufkommen nur in dem Umfang, der sich aus der jeweiligen bundesrechtlichen Regelung ergibt, nicht aber einen bestimmten zahlenmäßigen Umfang dieses Aufkommens (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 106 Anm. 88).

gg) Die Folgeänderungen bei den anderen Zerlegungsbeteiligten sind unabhängig von den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 AO 1977 vorzunehmen. Der Zerlegungsbescheid ist ein einheitlicher Bescheid (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 186). Aus dem Wesen des einheitlichen Bescheides (Aufteilung eines Steuer-Meßbetrags) folgt, da eine andere Zurechnungsregel wie z. B. bei Bagatelländerungen nach § 34 Abs. 3 GewStG nicht besteht, daß die Erhöhung eines Anteils zur Herabsetzung anderer Anteile führt (vgl. Woerner/Grube, a. a. O., S. 91, zur Änderung der Gewinnverteilung).

3. Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Zerlegungsbescheide gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 zu ändern waren.

Indessen wird nicht der Zerlegungsmaßstab, also die maßgebenden Arbeitslöhne (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG, denen gemäß § 31 Abs. 4 GewStG u. a. keine gewinnabhängigen Tantiemen zugerechnet werden dürfen) geändert. Insoweit handelt es sich um die lediglich der Begründung des Zerlegungsbescheids dienenden Zerlegungsgrundlagen. Geändert werden gemäß § 173 Abs. 1 AO 1977 die Zerlegungsanteile.

In sämtlichen Erhebungszeiträumen wird die Bagatellgrenze von 1 v. H. der ursprünglich für die Klägerin festgesetzten Zerlegungsanteile überschritten. Im Wege einer teleologischen Reduktion sind die Voraussetzungen der Kleinbetragsregelung nach § 173 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 - wonach eine Änderung unterbleibt, wenn die Abweichung geringer als 1 v. H. des bisherigen Betrages ist und weniger als 500 DM beträgt - nicht kumulativ, sondern alternativ anzuwenden. Dies entspricht dem im Finanzausschuß, der die Ergänzung des § 173 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 eingefügt hat, eindeutig geäußerten gesetzgeberischen Willen (vgl. BTDrucks 10/4513, S. 17; Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 Tz. 44; Guth, DStZ 1989, 43; Klein/Orlopp, a. a. O., § 173 Anm. 4 b; Frotscher in Schwarz, a. a. O., § 173 Tz. 97 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 173 Anm. 44 g; Domann, DB 1986, 611, 617).

Soweit sich der Änderungsbetrag im Erhebungszeitraum 1978 nur auf 12 DM beläuft und deshalb gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 GewStG bei dem Zerlegungsanteil der Gemeinde, in der sich die Geschäftsleitung befindet, zu berücksichtigen gewesen wäre, ist eine Verböserung ausgeschlossen (§ 121 i. V. m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; Tipke/Kruse, a. a. O., § 118 FGO Tz. 64; von Groll in Graeber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 96 Tz. 5, m. w. N.).

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Änderungsbescheides 1978 mit dem Ziel, in Anwendung des ursprünglichen Zerlegungsmaßstabs einen höheren Zerlegungsanteil zu erlangen. Die anderweitige Zurechnung des zu geringen Änderungsbetrages liegt außerhalb dieses Antrags.