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  BFH-Urteil vom 20.5.1992 (I R 72/91) BStBl. 1992 II S. 917

Die Befreiung von der Gesellschaftsteuer einer Kapitalerhöhung bei einer GmbH & Co. KG durch Umwandlung der in einem Jahresabschluß offen ausgewiesenen Rücklagen ist unabhängig davon, wann die gleichzeitig erhöhte Haftsumme zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet wurde.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 3, § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a; HGB § 175; KapErhG § 3; AktG 1965 § 208.

Vorinstanz: FG des Saarlandes (EFG 1991, 276, UVR 1991, 89)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist die Gesamtrechtsnachfolgerin der H-GmbH & Co. KG. Die Gesamtrechtsnachfolge trat auf Grund einer Umwandlung gemäß §§ 46 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ein. Umwandlungsstichtag war der 1. Januar 1990. Die Umwandlung wurde am 26. Juni 1990 in das Handelsregister eingetragen.

Die H-GmbH & Co. KG wies in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1983 eine offene Rücklage in Höhe von 9,1 Mio. DM aus. Die Gesellschafter der H-GmbH & Co. KG beschlossen am 18. Dezember 1984, das Kommanditkapital um 8.799.600 DM zu erhöhen und dazu die offene Rücklage zu verwenden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah hierin einen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 gesellschaftsteuerpflichtigen Vorgang. Er setzte die Gesellschaftsteuer durch Bescheid vom 13. Dezember 1985 auf 87.966 DM fest.

Mit ihrem Einspruch machte die H-GmbH & Co. KG geltend, der Vorgang sei gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 gesellschaftsteuerfrei. Dieser Auffassung folgte das FA in der Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1986 nicht, weil die Achtmonatsfrist des § 209 des Aktiengesetzes (AktG) 1965 nicht eingehalten worden sei. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 276 veröffentlicht.

Mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts.

Sie beantragt, das Urteil des FG des Saarlandes vom 29. November 1990 2 K 167/86, die Einspruchsentscheidung vom 19. Juni 1986 und den Bescheid vom 13. Dezember 1985 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die von der Klägerin vorsorglich erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - in der Fassung vom 20. Dezember 1991 - BGBl I 1991, 2288, BStBl I 1992, 44 -).

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 unterliegen Leistungen, die von Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden, der Gesellschaftsteuer. Dabei steht es der Leistung eines Gesellschafters gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt.

Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was unter einer Kapitalgesellschaft zu verstehen ist und wer Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 gilt auch eine GmbH & Co. KG als Kapitalgesellschaft im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KVStG 1972 sind (nur) die Kommanditisten einer GmbH & Co. KG deren Gesellschafter im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne.

3. Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die H-GmbH & Co. KG als Rechtsvorgängerin der Klägerin am 18. Dezember 1984 eine GmbH & Co. KG i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 war. Sie war deshalb Kapitalgesellschaft im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Ihre Gesellschafter i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 KVStG 1972 beschlossen am 18. Dezember 1984 die Erhöhung des Kommanditkapitals um 8.799.600 DM. Die Erhöhung wurde durch Umbuchung von Mitteln bewirkt, die in der Bilanz der H-GmbH & Co. KG zum 31. Dezember 1983 ausgewiesen waren. Die Erhöhung wurde am 21. Juni 1985 im Handelsregister eingetragen. In dem Erfüllen der erhöhten Einlageverpflichtung liegt entweder das Bewirken einer Leistung der Kommanditisten der H-GmbH & Co. KG an diese auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung oder aber das Abdecken einer entsprechenden Gesellschafterverpflichtung durch die Gesellschaft mit deren eigenen Mitteln. Damit ist alternativ der Besteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 oder 2 KVStG 1972 verwirklicht, ohne daß es an dieser Stelle einer Festlegung bedarf, welcher der beiden Tatbestände verwirklicht wurde.

4. Zutreffend hat das FG für den Streitfall eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 (Ersterwerb von Gesellschaftsrechten) verneint. Wie der Senat schon in seinen Urteilen vom 24. August 1988 I R 216/84 (BFHE 155, 146, BStBl II 1989, 48) und vom 9. August 1989 I R 88/85 (BFHE 158, 456, BStBl II 1990, 224) ausgeführt hat, führt die bloße Erhöhung der Kommanditeinlagen bei einer KG nicht zum Erwerb neuer Gesellschaftsrechte. Vielmehr umfaßt jede Kommanditbeteiligung immer nur ein einziges und einheitliches Gesellschaftsrecht. Dies ist auch der Grund für die in § 7 Abs. 3 Satz 2 KVStG 1972 getroffene Sonderregelung. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob - wie es das FG annimmt - für die Mitunternehmerrechte etwas anderes gilt.

5. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen jedoch dessen Entscheidung zu § 7 Abs. 3 Satz 2 KVStG 1972 nicht. Nach dieser Vorschrift gilt bei Kapitalgesellschaften i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 die Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 KVStG 1972 für Rechtsvorgänge i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 entsprechend. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die Voraussetzungen der Vorschrift im Streitfall insoweit gegeben, als die H-GmbH & Co. KG am 18. Dezember 1984 eine Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 war und als die steuerbare Leistung in einem Rechtsvorgang i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 bestand. In tatsächlicher Hinsicht ungeklärt ist jedoch insbesondere die Frage, ob die Erhöhung des Kommanditkapitals durch die Umwandlung offener Rücklagen bewirkt wurde (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972). Auf die fehlenden tatsächlichen Feststellungen kommt es jedoch an.

6. a) § 7 Abs. 3 Satz 1 KVStG 1972 befreit bestimmte Formen der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform und außerdem bestimmte Formen der Erhöhung des Nennkapitals durch Umwandlung von der Gesellschaftsteuer. Dabei knüpft die Vorschrift weitgehend an gesellschaftsrechtliche Vorgänge an. Dies bedeutet, daß die sich aus der entsprechenden Anknüpfung an gesellschaftsrechtliche Vorgänge ergebenden Tatbestandsvoraussetzungen für die Befreiung von der Gesellschaftsteuer nach Gesellschaftsrecht zu beurteilen sind. Es ist deshalb insbesondere nach Gesellschaftsrecht zu entscheiden, ob eine Erhöhung von Nennkapital anzunehmen ist und ob dafür offene Rücklagen umgewandelt wurden.

b) Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 KVStG 1972 ist bei Kapitalgesellschaften i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 die Rechtsfolge des Satzes 1 auf Rechtsvorgänge i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 entsprechend anzuwenden. Die "entsprechende Anwendung" des Satzes 1 bedeutet, daß dessen Rechtsfolge auch auf Rechtsvorgänge i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 anzuwenden ist, obwohl Satz 1 unmittelbar nur Rechtsvorgänge i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 anspricht. Trotz der entsprechenden Anwendung des Satzes 1 bestimmt sich jedoch im übrigen nach Personenhandelsgesellschaftsrecht, wann bei einer GmbH & Co. KG eine Erhöhung des Nennkapitals durch Umwandlung offener Rücklagen anzunehmen ist. Für die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts auf die GmbH & Co. KG fehlt es insoweit sowohl im Personenhandelsgesellschaftsrecht als auch im Steuerrecht an der erforderlichen Verweisungsnorm.

c) Zwar gilt die GmbH & Co. KG gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 KVStG 1972 als Kapitalgesellschaft im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Dies bedeutet jedoch nur, daß die Vorschriften der §§ 1 bis 10 KVStG 1972 auch auf eine GmbH & Co. KG Anwendung finden. Dies bedeutet dagegen nicht, daß sich bei einer GmbH & Co. KG die Erhöhung des Nennkapitals durch Umwandlung offener Rücklagen nach den Vorschriften des Kapitalgesellschaftsrechts (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -, AktG, Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung - KapErhG -) richtet. Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG vorgenommenen Unterscheidung zwischen kapitalistisch und personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG. Das KVStG 1972 enthält keine entsprechende Unterscheidung. Es behandelt auch die personalistisch strukturierte GmbH & Co. KG als Kapitalgesellschaft im gesellschaftsteuerrechtlichen Sinne. Folglich können die beiden Formen der GmbH & Co. KG steuerrechtlich nicht verschieden behandelt werden.

d) Aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12. Oktober 1988 I R 217/84 (BFHE 155, 409, BStBl II 1989, 374) ausdrücklich ausgeführt, daß die §§ 2 ff. des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und Verschmelzung von GmbH's vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) keine unmittelbare Anwendung auf eine GmbH & Co. KG finden. Im Urteil vom 9. Dezember 1987 I R 384/83 (BFHE 152, 356, BStBl II 1988, 458) wurde auf die Frist zwischen der Rücklagenbildung und der Anmeldung der erhöhten Kommanditeinlagen zum Handelsregister nicht abgestellt. Im Urteil vom 27. Februar 1980 II R 48/77 (BFHE 130, 83, BStBl II 1980, 404) hat der II. Senat lediglich deshalb auf § 2 KapErhG bzw. auf § 208 AktG 1965 hingewiesen, um aus der Verknüpfung zwischen § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a KVStG 1972 und den genannten Vorschriften zu folgern, daß die in allen Vorschriften erwähnten Rücklagen ihrer Form nach gleichartig sein müssen. Dies bedeutet jedoch nicht allgemein die entsprechende Anwendung der Vorschriften des KapErhG auch auf die GmbH & Co. KG.

7. Bei dieser Rechtslage haben FA und FG zu Unrecht darauf abgestellt, daß die Erhöhung der Kommanditeinlagen der Gesellschafter der H-GmbH & Co. KG nicht zeitgerecht beim Handelsregister zur Eintragung angemeldet wurden. Richtigerweise sieht das einschlägige Recht der Personenhandelsgesellschaft keine besondere Frist für die Eintragung der Einlagenerhöhung vor. Die in § 175 des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelte Anmeldungspflicht betrifft nur die Eintragung der Haftsumme. Diese kann, muß jedoch nicht mit der gesellschaftsteuerrechtlich allein relevanten Pflichteinlage identisch sein (vgl. zu der begrifflichen Unterscheidung: Baumbach/Duden/Hopt, Handelsgesetzbuch, 28. Aufl., § 171 Anm. 1 A). Für die Pflichteinlage sieht das Gesetz weder eine Pflicht zur Anmeldung noch die Eintragung vor. § 3 KapErhG findet nur auf Kapitalerhöhungen einer GmbH und nicht auch auf die einer GmbH & Co. KG Anwendung. § 208 AktG 1965 gilt nur für Aktiengesellschaften.

Ist deshalb gesellschaftsrechtlich die Erhöhung der Kommanditeinlagen durch Umwandlung offener Rücklagen bei einer GmbH & Co. KG unabhängig von der Anmeldung zum und unabhängig von der Eintragung in das Handelsregister wirksam, so hängt die Anwendung des § 7 Abs. 3 Satz 2 KVStG 1972 auf den Streitfall davon ab, ob für die Erhöhung der Kommanditeinlagen bei der H-GmbH & Co. KG am 18. Dezember 1984 tatsächlich Gesellschaftsmittel verwendet wurden, die in der Bilanz zum 31. Dezember 1983 in einer offenen Rücklage ausgewiesen wurden. Außerdem darf die zum 31. Dezember 1983 ausgewiesene Rücklage nicht vor dem 18. Dezember 1984 aufgelöst worden sein. Zu diesen Voraussetzungen hat das FG keine abschließenden Feststellungen getroffen. Deshalb kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie war aufzuheben. Die fehlenden Feststellungen nachzuholen, ist die Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.