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  BFH-Urteil vom 1.7.1992 (II R 108/88) BStBl. 1992 II S. 923

Tritt die persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft (Komplementärin) einen Teil ihres Gesellschaftsanteils unentgeltlich an einen Dritten ab, der als persönlich haftender Gesellschafter in die Gesellschaft aufgenommen wird, so liegt in der Übertragung des Anteils am Gesellschaftsvermögen durch die Komplementärin eine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung an den neuen Gesellschafter.

ErbStG 1959 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 23 Abs. 1 und 6; ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1 und 5; BewG § 11 Abs. 2; BGB § 516 Abs. 1.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist am 20. Dezember 1973 als persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) in die A KG eingetreten. Zu diesem Zweck hat die persönlich haftende Gesellschafterin der Gesellschaft, B, mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter unter Verminderung ihrer Beteiligung im Nominalwert von 1.040.000 DM einen Teilbetrag von nominell 200.000 DM "im Wege der Schenkung" auf den Kläger übertragen.

Das Finanzamt (FA) beurteilte die Übertragung des Anteils der Komplementärin am Nominalkapital der Gesellschaft auf den Kläger als unentgeltliche Übertragung eines Gesellschaftsanteils und ermittelte den Wert des auf den Kläger übergegangenen Anteils am Betriebsvermögen der KG gemäß § 23 Abs. 6 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 mit 75.929 DM und setzte Schenkungsteuer in Höhe von 13.662 DM fest. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß die Übertragung des Kapitalanteils und die Aufnahme als Komplementär in die Kommanditgesellschaft keine Schenkung im bürgerlich-rechtlichen Sinn (§ 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und damit auch keine Schenkung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 darstelle, denn die Zuwendung sei nicht unentgeltlich erfolgt. Gegenleistung für die Übertragung des Kapitalkontos auf den Kläger sei die Übernahme von Gesellschaftsverpflichtungen gewesen, denn mit der Übertragung des Gesellschaftsanteils sei für den Kläger zwingend die Übernahme der Haftung, die Pflicht zur Mitarbeit und die Übernahme des Verlustrisikos verbunden gewesen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung sowie den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid aufzuheben.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Senat geht mit der Vorinstanz und den Beteiligten davon aus, daß sich der Eintritt des Klägers in die KG durch Anteilsübertragung infolge der Verfügung der Komplementärin über einen Teil ihres Gesellschaftsanteils zugunsten des Klägers vollzogen hat. Damit hat der Kläger den Anteil am Gesellschaftsvermögen erworben, der dem an ihn abgetretenen Teil des Kapitalanteils der Komplementärin entsprochen hat. Die Teilabtretung eines Gesellschaftsanteils ist zulässig (Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 719 Rdnr. 39, m. w. N.).

2. Der Senat folgt dem Finanzgericht (FG) und dem FA, daß die (teilweise) Übertragung des Anteils der Komplementärin am Gesellschaftsvermögen auf den Kläger als Schenkung unter Lebenden i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) unterliegt. Insbesondere ist die Anteilsübertragung entgegen den Ausführungen der Revision unentgeltlich erfolgt.

Als Schenkung unter Lebenden i. S. des ErbStG 1959 gilt u. a. jede Schenkung im Sinn des bürgerlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959, § 516 Abs. 1 BGB), sowie jede freigebige Zuwendung unter Lebenden i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959 (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Beide Tatbestände sind gekennzeichnet durch die Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Unentgeltlichkeit bedeutet Unabhängigkeit der Zuwendung von einer Gegenleistung. D. h. die Zuwendung darf - im Verhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger - weder in einem rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung (oder einem Gemeinschaftszweck) noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (und sei es auch einer Naturalobligation) erfolgen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631, und vom 5. Dezember 1990 II R 109/86, BFHE 163, 223, BStBl II 1991, 181; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Juli 1971 III ZR 91/70, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht - WM - 1971, 1338, zu B. II. der Gründe, sowie Kollhosser in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 516 Rdnr. 10).

Für den Streitfall folgt hieraus, daß der Anteil am Gesellschaftsvermögen (Kapitalanteil) auf den Kläger unentgeltlich übertragen worden ist, denn weder war die Leistung der abtretenden Gesellschafterin mit einer Gegenleistung des Klägers verknüpft, noch bestand eine Verpflichtung der Gesellschafterin, den Anteil am Gesellschaftsvermögen auf den Kläger zu übertragen. Dementsprechend waren sich die Parteien darüber einig, daß der Kapitalanteil im Wege der Schenkung übertragen werde.

Zu Unrecht verweist der Kläger auf die ihm aus der Gesellschafterstellung erwachsenden Verpflichtungen und meint, daß in der Übernahme der Haftung und des Verlustrisikos und im Einsatz der vollen Arbeitskraft für die Gesellschaft eine Gegenleistung für die Übertragung des Kapitalanteils zu sehen sei.

Der Erwerber eines Anteils am Gesellschaftsvermögen muß zwar notwendig Mitglied der Gesellschaft werden, denn andernfalls könnte er nicht an dem allen Gesellschaftern zur gesamten Hand zustehenden Gesellschaftsvermögen beteiligt sein. Die Übernahme der mit der Gesellschafterstellung verbundenen Verpflichtungen steht aber mit der Übertragung des Anteils am Gesellschaftsvermögen - des Kapitalanteils - durch den abtretenden Gesellschafter auf den neuen Gesellschafter nicht in einem Gegenleistungsverhältnis, auch wenn durch die Verfügung über den Gesellschaftsanteil der Gesellschafterwechsel unmittelbar herbeigeführt wird (vgl. Ulmer, a. a. O., § 719 Rdnrn. 15, 19). Denn die Verpflichtungen, die der Kläger als Gesellschafter zu erfüllen hat, beruhen auf dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Gesellschaftsverhältnis, also auf einem anderen Rechtsgrund als die Zuwendung. Partner des Gesellschaftsverhältnisses und damit aus diesem verpflichtet wird der neu eintretende Gesellschafter ausschließlich aufgrund des Gesellschaftsvertrages durch Zustimmung aller Gesellschafter zum Verfügungsgeschäft zwischen Veräußerer und Erwerber (Ulmer, a. a. O., § 719 Rdnr. 21, m. w. N.). Rechtsgrund der Verfügung über das Gesellschaftsvermögen durch den abtretenden Gesellschafter ist dagegen die zwischen dem Alt- und dem Neugesellschafter getroffene Abrede, im Streitfall die Schenkungsabrede. Infolge der wegen des höchstpersönlichen Charakters des Zusammenschlusses der Personengesellschaft erforderlichen Zustimmung der Mitgesellschafter zu der Verfügung über den Gesellschaftsanteil werden diese nicht Partner des Veräußerungsvertrages (Ulmer, a. a. O., § 719 Rdnrn. 19, 21).

Bereits im Urteil vom 22. August 1962 II 283/58 U (BFHE 75, 647, BStBl III 1962, 502, unter B. a V.) hat der BFH unterschieden zwischen der den Teil-Kapitalanteil zuwendenden Person und der die Aufnahme des Gesellschafters beschließenden Gesamtheit der Gesellschafter. Dabei hat der BFH auch die abweichende Beurteilung des Reichsfinanzhofs (RFH) im Urteil vom 7. März 1940 IIIe 1/40 (RStBl 1940, 614) verworfen. In dem vom FG zu Recht herangezogenen Urteil vom 16. Oktober 1963 II 266/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 120) hat der BFH diese Beurteilung verdeutlicht und ausgeführt, daß zwischen den Verpflichtungen aus dem Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern - z. B. zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters - und möglichen nichtgesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen zwischen einem Gesellschafter und einem Dritten auf Zuwendung eines Kapitalanteils zu unterscheiden ist (ebenso BFH-Urteil vom 24. Juli 1963 II 207/61 U, BFHE 77, 335, BStBl III 1963, 442; s. auch K. Schmidt, Die Schenkung von Personengesellschaftsanteilen durch Einbuchung, Betriebs-Berater - BB - 1990, 1992, zu II. 2.).

Entsprechend der dargestellten Trennung zwischen den durch die Eingehung des Gesellschaftsverhältnisses begründeten mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten der Gesellschafter untereinander und dem der Verfügung über den Gesellschaftsanteil zugrundeliegenden Rechtsgeschäft zwischen dem abtretenden Gesellschafter und dem neu hinzukommenden Gesellschafter ist es in der Rechtsprechung des BFH auch anerkannt, daß die Übertragung eines Gesellschaftsanteils in Ansehung des Wertes des auf den (neuen) Gesellschafter übergegangenen Anteils am Gesellschaftsvermögen grundsätzlich als freigebige Zuwendung zu beurteilen ist, wenn, wie im Streitfall, für die Zuwendung des Kapitalanteils zwischen den Parteien keine Gegenleistung festgelegt worden ist (Urteil in HFR 1964, 120, für die Übertragung einer der Komplementärbeteiligung vergleichbaren Beteiligung an einer offenen Handelsgesellschaft; s. auch Urteil vom 25. Juni 1969 II R 131/63, BFHE 96, 416, BStBl II 1969, 653; für die Übertragung von Kommanditanteilen s. die Urteile in BFHE 75, 647, BStBl III 1962, 502, und in BFHE 77, 335, BStBl III 1963, 442; vgl. auch Urteil vom 10. September 1986 II R 81/84, BFHE 148, 69, BStBl II 1987, 80).

Die Rechtsprechung des BGH (Urteile vom 11. Mai 1959 II ZR 2/58, WM 1959, 719, BB 1959, 574; vom 25. Januar 1965 II ZR 233/62, WM 1965, 359; vom 26. März 1981 IVa ZR 154/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1981, 1956, Der Betrieb 1981, 1514) steht hierzu nicht in Widerspruch. Zu beurteilen war jeweils nicht die (schenkweise) Übertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen, sondern die Aufnahme von Gesellschaftern ohne (damit verbundene) Übertragung von Kapitalanteilen. In der mit der Übertragung der Mitgliedschaftsrechte verbundenen Einräumung des Rechts auf Gewinnbeteiligung hat der BGH wegen der mit der Gesellschafterstellung auch verbundenen Nachteile für den Regelfall eine Schenkung verneint (ebenso das RFH-Urteil vom 7. November 1940 IIIe 18/40, RStBl 1941, 71). Für den Fall, daß ein Anteil am Gesellschaftsvermögen (mit-)übertragen wird, hat der BGH im Urteil vom 13. Juni 1977 II ZR 150/76 (WM 1977, 862) in bezug auf den Vermögenswert der Kapitalbeteiligung dagegen die Annahme einer Schenkung für möglich gehalten (vgl. auch das BGH-Urteil vom 2. Juli 1990 II ZR 243/89, NJW 1990, 2616, zur unentgeltlichen Zuwendung eines Kommanditanteils).

3. Zu Recht hat das FG ausgeführt, daß evtl. Risiken, die der Beteiligung des Klägers innewohnen, bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden können. Der maßgebende Steuerwert ist ein Substanzwert, da das Bewertungsgesetz (BewG), auf das § 23 Abs. 1 i. V. m. Abs. 6 ErbStG 1959 (§ 12 Abs. 1, 5 ErbStG 1974) verweist, bei der Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes, anders als bei der Wertermittlung des Wertes nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 11 Abs. 2 BewG), die Ertragsaussichten außer acht läßt.