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  BFH-Urteil vom 26.3.1992 (V R 16/88) BStBl. 1992 II S. 929

Stellt ein Unternehmer, der sein Unternehmen im Erhebungsgebiet betreibt, einem selbständigen Autorennfahrer einen vollständigen Rennservice mit Fahrzeug für eine erfolgversprechende Teilnahme an im Außengebiet veranstalteten Autorennen zur Verfügung, führt er damit eine einheitliche sonstige Leistung im Erhebungsgebiet aus.

UStG 1980 § 3 a Abs. 1.

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt neben einem Gebrauchtwagenhandel ein Motorsportunternehmen. Er stellt Autorennfahrern Rennwagen mit komplettem Rennservice zur Bestreitung von Autorennen gegen Entgelt zur Verfügung. Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1980 und 1981, ob insoweit nichtsteuerbare Umsätze im Außengebiet vorliegen, als sie auf Rennen in diesem Gebiet entfallen (§ 3 a Abs. 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1980 - UStG -).

Der Kläger überließ in den Streitjahren 1980 und 1981 vertragsgemäß Rennwagen sowohl für die Rennen selbst als auch für Tests und Probeläufe. Er übernahm die Organisation der Teilnahme an den Rennen (Nennung, Zahlung der Gebühren), den Transport der Rennwagen und des Servicepersonals zu den Rennorten, die Wartung und Pflege der Rennwagen und die Betreuung der Fahrer während der Rennen. Das von den Fahrern zu zahlende Entgelt war teilweise pauschal für die gesamte Saison, teilweise auch für jeden Renneinsatz vereinbart worden. Die Autorennen fanden überwiegend im Außengebiet statt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hatte die Umsätze gemäß § 3 a Abs. 1 UStG 1980 als steuerbare Umsätze angesehen und sie dem Normalsteuersatz unterworfen. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Auf die Klage änderte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuerbescheide für 1980 und 1981 und setzte die Umsatzsteuer insoweit herab, als sie auf Umsätze im Außengebiet entfiel. Das FG ging davon aus, daß im Streitfall ein Bündel von Hauptleistungen vorliege, welche untrennbar miteinander verbunden seien und deshalb als einheitliche sonstige Leistung beurteilt werden müßten. Der vom Kläger geschuldete komplette Rennservice einschließlich Fahrzeug könne, so führte das FG zur Begründung weiter aus, nicht als unselbständige Nebenleistung im Rahmen eines Mietvertrages angesehen werden. Der wirtschaftliche Inhalt der vertragsgemäß ausgeführten Leistung bestehe in der Aufnahme des Rennfahrers in ein entsprechend ausgerüstetes Rennteam, um das gemeinsame Ziel, nämlich die auf Sieg gerichtete Teilnahme am Rennen, zu verwirklichen. Der Rennservice sei für den Leistungsempfänger in gleichem Maße unentbehrlich wie die Überlassung des Rennwagens. Durch die bloße Gewährung des Gebrauchs des Rennwagens sei für den Rennfahrer eine erfolgreiche Teilnahme am Rennen nicht gewährleistet. Wartung und Pflege der Rennwagen durch das Servicepersonal sowie Betreuung während des Rennens seien für eine auf Erfolg zielende Teilnahme unverzichtbar.

Die vom Kläger erbrachten sonstigen Leistungen seien aber im wesentlichen nach § 3 a Abs. 2 bis 4 UStG 1980 nichtsteuerbar, so daß die einheitliche sonstige Leistung insgesamt als nichtsteuerbar anzusehen sei. Es komme darauf an, ob die einheitliche sonstige Leistung entscheidend von den steuerbaren oder den nichtsteuerbaren Komponenten geprägt werde. § 3 a Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 enthalte insoweit den Grundsatz, daß eine Leistung dort ausgeführt werde, wo der Unternehmer "zum wesentlichen Teil" tätig werde. Im Streitfall beurteilte das FG die folgenden Leistungen des Klägers als im Außengebiet ausgeführt: die Vermietung der Rennwagen (§ 3 a Abs. 2 Nr. 4 UStG 1980; Rennwagen seien keine Beförderungsmittel), die Wartung und Reparatur der Rennwagen (§ 3 a Abs. 2 Nr. 3 c UStG 1980), den Transport der Rennwagen im Außengebiet (§ 3 a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980) sowie die technische Beratung der Fahrer mit Wohnort im Außengebiet (§ 3 a Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 Nr. 3 UStG 1980). Lediglich für die im Erhebungsgebiet erbrachten Organisationsleistungen (Nennung, Zahlung der Gebühren) und den Transport der Rennwagen bis zur Grenze sowie für die Wartungs- und Reparaturarbeiten im Erhebungsgebiet sei davon auszugehen, daß der Ort der sonstigen Leistung im Erhebungsgebiet liege. Die vor der Rennsaison durchgeführte Grundherrichtung der Rennwagen schließlich sei Teil der Vermietungsleistung.

Mit der Revision macht das FA geltend, daß es sich bei den vom Kläger erbrachten sonstigen Leistungen zwar um eine einheitliche sonstige Leistung handele, doch gelte für diese einheitliche Leistung der Grundsatz des § 3 a Abs. 1 UStG 1980. Dies ergebe sich daraus, daß die Ausnahmetatbestände des § 3 a Abs. 2 bis 4 UStG 1980 auf unselbständige Leistungskomponenten einer einheitlich zu beurteilenden Leistung nicht angewandt werden könnten.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision gegen das Urteil des FG als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Ort der vom Kläger erbrachten Umsätze aus der Tätigkeit als Motorsportunternehmer nach § 3 a Abs. 1 UStG 1980 auch insoweit im Erhebungsgebiet liegt, als Leistungsteile im Außengebiet erbracht worden sind. Der Kläger erbringt einheitliche sonstige Leistungen, die nicht in § 3 a Abs. 2 bis 4 UStG 1980 genannt sind und daher nach § 3 a Abs. 1 UStG 1980 an dem Ort ausgeführt werden, von dem aus er sein Unternehmen betreibt.

1. § 3 a UStG 1980 geht davon aus, daß eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3 a Abs. 1 Satz 1 UStG 1980), sofern für die Leistung nicht in § 3 a Abs. 2 bis 5 UStG 1980 ein bestimmter anderer Leistungsort vorgesehen ist. § 3 a UStG 1980 setzt damit den von Art. 9 der 6. EG-Richtlinie (77/388/EWG) gegenüber Art. 6 Abs. 3 der 2. EG-Richtlinie (67/227/EWG) vollzogenen Systemwechsel um.

2. Das FG hat die Leistungen des Klägers als einheitliche Leistung angesehen. Es hat die Leistung des Klägers als das "Bereitstellen eines kompletten Rennservice mit Fahrzeug für eine erfolgversprechende Teilnahme an einem Autorennen" beurteilt. Das FG hat das Verhalten des Klägers nicht als eine Mehrzahl selbständiger (abwählbarer) oder unterschiedlich gewichtiger Leistungen, sondern als eine einheitliche Leistung gewertet. Diese tatsächliche Würdigung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); denn sie ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Da das FG ein tatsächlich einheitliches Geschehen angenommen hat, ist es konsequent und zutreffend auch rechtlich von einer einheitlichen Leistung ausgegangen.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH können zusammengehörende Vorgänge nicht allein deshalb als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziel dienen. Auch reicht es nach der Rechtsprechung des BFH nicht aus, daß Leistungen des Unternehmers jeweils auf einem einheitlichen Vertrag beruhen, um sie umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu behandeln (Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1975 V R 138/73, BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307). Schließlich kann auch aus der Einheitlichkeit des Entgelts nicht auf die Einheitlichkeit der entsprechenden Leistungen geschlossen werden (BFH-Entscheidung vom 7. Oktober 1987 V R 2/79, BFHE 151, 228, BStBl II 1988, 88, m. w. N.). Wenn mehrere, untereinander gleichzuwertende Faktoren zur Erreichung eines einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziels beitragen, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (BFH-Entscheidungen vom 20. April 1988 X R 4/80, BFHE 153, 243, BStBl II 1988, 744; in BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307). Bei der hiernach erforderlichen Abwägung der Bedeutung der Teile für das Ganze nach dem Gesamtbild aller Umstände kommt der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz eine besondere Bedeutung zu.

b) Das FG ist - wie im übrigen auch der Kläger - davon ausgegangen, daß die, für sich betrachtet, verschiedenen Leistungen des Klägers gegenüber der Gesamtleistung zurücktreten und ein einheitliches Ganzes bilden. Der wirtschaftliche Inhalt der Verträge bestehe in der Aufnahme des Rennfahrers in ein entsprechend ausgerüstetes Rennteam, um das gemeinsame Ziel, nämlich die auf Erfolg gerichtete Teilnahme an Rennen, zu verwirklichen. Dieser Würdigung liegt erkennbar zugrunde, daß der Kläger nicht eine Summe einzelner, selbständiger und damit teilbarer Leistungen erbringt. Seine Leistung ist vielmehr als Ganzes etwas anderes (kompletter Rennservice) als die dazu notwendigen Leistungsbestandteile. Die Leistungsbestandteile sind lediglich der Art nach Vorleistungen des Klägers für die von ihm ausgeführte einheitliche Leistung, in der sie aufgehen. Diese besteht darin, einem Rennfahrer die Teilnahme an einem Rennen durch Zurverfügungstellung der sachlichen und personellen Mittel zu ermöglichen.

Diese Würdigung des FG ist im Ergebnis möglich; ob das FG zu diesem Ergebnis kommen mußte, ist unerheblich (vgl. oben). Die Entscheidung des FG ist insoweit mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats vereinbar. So hat etwa der BFH in seiner Entscheidung in BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307 für die Selbständigkeit der Leistungen bei einer Pauschalreise darauf abgestellt, daß der Veranstalter mit den Vorzügen der einzelnen Leistungen für die Reise wirbt, daß er für Teile der Reise Vermittler sein und andere Teile selbst erbringen kann, sowie darauf, daß die Teilnehmer die einzelnen Bestandteile der Reise selbständig würdigen. Im Streitfall wirbt der Kläger dagegen nicht mit den Vorzügen einzelner Leistungen, sondern mit einer Gesamtleistung, die aus einem kompletten Rennservice einschließlich Fahrzeug besteht. Für die Vertragspartner des Klägers sind Einzelleistungen nach der Würdigung des FG sinnlos. Der Kläger tritt auch für einzelne Leistungen nicht in rechtlich erheblicher unterschiedlicher Funktion auf, sondern erbringt einen kompletten Rennservice mit Fahrzeug und erwartet hierfür auch das Entgelt. Die einzelnen Leistungen gehen zusammen in eine Gesamtleistung ein, so daß nicht eine der sonstigen Leistungen sich lediglich als Förderung einer der anderen Leistungen darstellt (BFH-Entscheidung vom 31. Juli 1987 V R 148/78, BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754 - Bierabnahmeverpflichtung zur Förderung einer Lieferung -).

3. Die rechtliche Beurteilung der einheitlichen Leistung durch das FG ist jedoch mit § 3 a UStG 1980 unvereinbar. Der Kläger hat seine Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus er sein Unternehmen betreibt (§ 3 a Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Er hat somit einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz bewirkt.

Einer (einheitlichen) sonstigen Leistung kann nur ein Leistungsort zugeordnet werden (BFH-Entscheidung vom 22. März 1979 V R 128/70, BFHE 128, 103, BStBl II 1979, 598, zu § 7 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz 1951 - UStDB -; vgl. auch Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, Stand August 1991, § 3 a Rdnr. 13). Dieser liegt - entgegen der Auffassung des FG - nicht im Außengebiet.

Das FG hat als maßgebend erachtet, wo der Kläger überwiegend tätig geworden ist. Auf den Tätigkeitsort stellt § 3 a Abs. 2 Nr. 3 UStG 1980 aber nur für die darin bezeichnete Leistung ab. Diese Regelung darf nicht auf andere Leistungen erweitert werden, wenn § 3 UStG 1980 für diese besondere Leistungsorte bestimmt hat.

Die im Streitfall vom Kläger ausgeführte sonstige Leistung ist in § 3 a Abs. 2 bis 4 UStG 1980 nicht genannt. Es ist daher nach der Grundregel des § 3 a Abs. 1 UStG 1980 zu verfahren, wonach der Ort der sonstigen Leistung im Erhebungsgebiet liegt.

4. Nach alledem hat der Kläger die sonstigen Leistungen einheitlich im Erhebungsgebiet ausgeführt. Das Urteil des FG, das zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.