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  BFH-Urteil vom 14.2.1992 (VI R 69/90) BStBl. 1992 II S. 961

Die Aufwendungen eines hauptamtlichen B-Schein-Kirchenmusikers für ein zweites Hochschulstudium mit dem Ziel, das A-Examen zu machen, sind als Werbungskosten abziehbare Fortbildungskosten.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1990, 573)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß sein 1983 an der Staatlichen Hochschule für Musik in K begonnenes Studium im Sommer des Streitjahres 1987 mit dem B-Examen für Schulmusik ab. Er studierte ab dem Sommersemester 1987 Musik an der R-Hochschule in D mit dem Ziel, das A-Examen zu machen. Seit Anfang September 1987 ist der Kläger als Kirchenmusiker tätig.

Er machte die im Zusammenhang mit dem Studium in D angefallenen Aufwendungen, wie z. B. Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Materialkosten in Höhe von insgesamt 4.395 DM als Werbungskosten bei seinen als Kirchenmusiker erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte statt dessen Berufsausbildungskosten mit dem Höchstbetrag von 900 DM gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Anerkennung der geltend gemachten Werbungskosten gerichteten Klage statt. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 573 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision eine rechtsfehlerhafte Abgrenzung der Berufsausbildungskosten zu den Fortbildungskosten und trägt vor: Die geltend gemachten Aufwendungen seien schon deshalb nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil der Kläger sein A-Studium in D bereits im April/Mai des Streitjahres aufgenommen habe, während er erst seit September 1987 als Kirchenmusiker tätig sei. Der Entschluß, die Aufwendungen für das Studium zu tätigen, sei mithin nicht durch den ausgeübten Beruf, sondern durch andere Gründe bedingt. Die sich sofort an den Abschluß des B-Studiums anschließende Aufnahme des A-Studiums stelle sich als Fortführung der Ausbildung in dem Sinne dar, daß man nur von einem einheitlichen Studium ausgehen könne.

Außerdem stellten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Kosten für ein Hochschulstudium grundsätzlich Ausbildungskosten dar. Soweit für ein Zweit- oder Zusatzstudium Ausnahmen zugelassen worden seien, lägen die Voraussetzungen dafür im Streitfall nicht vor. Es handele sich bei dem A-Studium um ein Vollstudium, das jedermann ohne Vorstudium offenstehe und isoliert betrachtet zur Ausübung des Berufs des Kirchenmusikers berechtige. Der Kläger habe insbesondere auch kein Abendstudium absolviert.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Entscheidung des FG, die Aufwendungen des Klägers für das Hochschulstudium zur Erlangung des A-Scheines für Kirchenmusik den Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als hauptamtlicher Kirchenmusiker zuzuordnen, ist rechtsfehlerfrei.

a) Der Senat hat mit dem Urteil vom 14. Februar 1992 VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556 entschieden, daß die Aufwendungen für ein zweites Hochschulstudium dann Werbungskosten und nicht der allgemeinen Lebensführung zuzurechnende, als Sonderausgaben nur mit einem Höchstbetrag abzugsfähige Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) sind, wenn das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt hat und es sich bei dem Zweitstudium um ein Aufbaustudium handelt, durch das die durch das Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzt und vertieft werden, und das nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet.

b) Bei Anwendung dieser Kriterien auf den Streitfall sind die Aufwendungen des Klägers für das Zweitstudium als Werbungskosten zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat der Kläger sein Studium zur Erlangung des A-Scheines im Anschluß an seine abgeschlossene Ausbildung als B-Schein-Kirchenmusiker aufgenommen. Ausweislich der vom FG ausdrücklich in Bezug genommenen Blätter zur Berufskunde setzt die Zulassung für die A-Prüfung ein mindestens vierjähriges Kirchenmusikstudium an einer Musikhochschule voraus; für Bewerber, welche vorher eine B-Prüfung mindestens "gut" bestanden haben, beträgt die Ausbildungszeit zwei Jahre (vgl. 2. 23 der eingereichten Blätter für Berufskunde). Da die im Erststudium ebenfalls an einer Musikhochschule erworbenen Kenntnisse zu einem erheblichen Teil zur Anrechnung gelangen, erweist sich die Feststellung des FG, es handele sich bei dem Zweitstudium des Klägers um ein Aufbaustudium, als zutreffend.

Dem FG ist auch darin beizupflichten, daß sich durch den erfolgreichen Abschluß des Aufbaustudiums die Berufsart des Klägers nicht geändert hat. Der Kläger besaß bereits aufgrund seines B-Examens die Qualifikation als hauptamtlicher Kirchenmusiker. Der Unterschied, daß das B-Examen für den hauptamtlichen kirchenmusikalischen Dienst und das A-Examen für den hauptamtlichen kirchenmusikalischen Dienst in besonders verantwortlicher Stellung befähigt, rechtfertigt nicht die Wertung, daß es sich um einen anderen Beruf oder eine andere Berufsart handelt. Die vom FG festgestellte Erhöhung der Endbesoldung um 300 DM, allenfalls 600 DM ist nicht so schwerwiegend, daß sie dafür spricht, von einer wesentlichen und nicht nur graduellen Veränderung der wirtschaftlichen Stellung des Klägers auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Annahme von Fortbildung nicht bereits entgegensteht, daß überhaupt eine Verbesserung der wirtschaftlichen Position angestrebt wird. Eine derartige Verbesserung bildet vielmehr regelmäßig das Motiv für die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1991 VI R 107/88, BFH/NV 1991, 674, 675).

Auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten hält die Wertung des FG, das Zweitstudium sei als Fortbildung zu qualifizieren, einer Überprüfung stand. Die Regelstudienzeiten zwischen den beiden Abschlüssen unterscheiden sich nur um zwei Semester, und das Aufbaustudium von mindestens zwei Jahren ist zeitlich kürzer als das Erststudium von sechs bis acht Semestern für die Erlangung des B-Scheines. Damit überwiegt bei einem Zeitvergleich das Gewicht des Erststudiums gegenüber dem Aufbaustudium.

c) Auch soweit der Kläger sein Studium für die Erlangung des A-Scheines für Kirchenmusik vor seiner Berufstätigkeit als Kirchenmusiker aufgenommen hat, ist es nicht zu beanstanden, daß das FG Werbungskosten angenommen hat. Es ist anerkannt, daß bei abgeschlossener Berufsausbildung vor Aufnahme der Berufstätigkeit Fortbildungskosten in Form von vorab entstandenen Werbungskosten und nicht Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf (§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 2. Alternative EStG) vorliegen können (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1978 VI R 132/76, BFHE 126, 275, BStBl II 1979, 114; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. B 271 f.). Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Beginn des Aufbaustudiums nach dem Abschluß der Ausbildung zum B-Schein-Kirchenmusiker und der Aufnahme der Berufstätigkeit bestätigt die stillschweigende Annahme des FG, daß vorab entstandene Werbungskosten vorliegen.