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  BFH-Urteil vom 21.5.1992 (IV R 70/91) BStBl. 1992 II S. 1015

Bei einem Publizisten können grundsätzlich nur Aufwendungen für Fachbücher, nicht dagegen für Bücher allgemeinbildenden Inhalts als Betriebsausgaben anerkannt werden; dies gilt auch, wenn diese Bücher bei der Abfassung einer eigenen Veröffentlichung mit herangezogen worden sind.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat Literaturwissenschaft studiert und ist als Publizist, freier Schriftsteller und Rundfunkautor tätig. Er verfaßt Essays und Hörbilder zu politischen und kulturgeschichtlichen Themen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ab dem Jahre 1985 (erstes Streitjahr) war er selbständiger Journalist. Seine Einnahmen betrugen in diesem Jahr 60.387 DM. Ausgaben hatte er in Höhe von 11.628 DM erklärt. Im Jahre 1986 betrugen die Einnahmen 8.177 DM, als Ausgaben hatte der Kläger 9.178 DM geltend gemacht.

Von den geltend gemachten Aufwendungen entfielen im Jahre 1985 3.494 DM und im Jahre 1986 2.688 DM auf Bücher. Es handelte sich um insgesamt 162 Titel (91 im Jahre 1985 und 71 im Jahre 1986), von denen der Kläger behauptet, sie für seine schriftstellerische Arbeit benötigt zu haben.

Das Finanzgericht (FG) hat festgestellt, daß der Kläger in den Streitjahren einen Roman geschrieben hat. Hinzu kamen ein Essay zum Thema Architektur und ein weiteres mit staatswissenschaftlichem Inhalt, zwei Portraits von politischen Schriftstellern des 18. und frühen 19. Jahrhunderts sowie zwei Darstellungen von Einzelwerken anderer Autoren.

Ferner hatte der Kläger ein weiteres Essay zu einem historischen Thema sowie weitere Buch- und Hörspielprojekte historischen und sozialphilosophischen Inhalts geplant.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte von den geltend gemachten Literatur-Aufwendungen in Anlehnung an das Vorjahr 50 v. H. als Betriebsausgaben an.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit der Klage zum FG. Im Laufe des Klageverfahrens prüfte das FA die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen erneut an Hand einer im Einspruchsverfahren vorgelegten Liste der angeschafften Literatur, die Hinweise auf den Verwendungszweck enthielt. Es führte nunmehr die 56 Bücher, deren Anschaffungskosten es nicht anerkennen wollte, einzeln auf und kam zu dem Ergebnis, daß für das Jahr 1985 ein Betrag i. H. von 457 DM und für 1986 ein Betrag i. H. von 1.197 DM nicht anzuerkennen sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Kläger, die auf Verfahrensfehler (Verletzung des rechtlichen Gehörs) und Verstoß gegen materielles Recht gestützt wird.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1985 und 1986 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 18. April 1988 in der Weise zu ändern, daß das steuerpflichtige Einkommen um weitere 1.565 DM und 1.199 DM gemindert wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensmangel (Verletzung des rechtlichen Gehörs) ist nicht in erforderlicher Weise gerügt. Die Kläger haben nicht dargelegt, zu welchen Tatsachen und Beweisergebnissen sie sich nicht haben äußern können (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417).

II. Es können nicht mehr Aufwendungen für Bücher als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, als das FA bereits anerkannt hat.

1. Aufwendungen sind als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Das ist u. a. bei Arbeitsmitteln der Fall (vgl. auch § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus betrieblichen Gründen erwachsenen Kosten zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sog. "gemischten Aufwendungen" sind nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht abziehbar (Senatsurteil vom 18. Oktober 1990 IV R 72/89, BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92).

Aufwendungen für die Anschaffung eines Wirtschaftsgutes als Arbeitsmittel können daher nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn feststeht, daß der Steuerpflichtige den Gegenstand weitaus überwiegend beruflich verwendet, eine private Mitveranlassung also von ganz untergeordneter Bedeutung ist.

Mit der Anerkennung von Büchern als Arbeitsmittel hat sich der VI. Senat des BFH mehrfach befaßt. Er hat seiner Beurteilung die im Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) aufgestellten Grundsätze zugrunde gelegt (BFH-Urteil vom 28. April 1972 VI R 305/69, BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723). Danach kommt es grundsätzlich weniger auf den objektiven Charakter des angeschafften Gegenstandes, als vielmehr auf seine Funktion im Einzelfall an, also auf den tatsächlichen Verwendungszweck.

Demgemäß hat der VI. Senat bei Lehrern Literatur-Aufwendungen anerkannt, die die Fächer Geschichte und Biologie betrafen, sofern sie nachweislich im Unterricht verwendet wurden (BFH-Urteile vom 21. Juni 1989 VI R 138/86, BFH/NV 1990, 89; vom 2. Februar 1990 VI R 112/87, BFH/NV 1990, 564; andeutungsweise bereits ebenso in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723, für Bücher der Sparten Politik/Gemeinschaftskunde und Englisch).

Werke der schöngeistigen Literatur hat der BFH demgegenüber nicht bereits deswegen als Arbeitsmittel angesehen, weil ein Deutschlehrer sie zur Vervollkommnung seiner Allgemeinbildung, die er seinen Schülern zu vermitteln hat, anschafft (BFH-Urteil in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723). Entsprechend hat er entschieden zu den Aufwendungen für Bücher eines Literaturwissenschaftlers im Hochschuldienst (Urteil vom 14. August 1981 VI R 134/78, nicht veröffentlicht - n. v. -).

Die Aufwendungen eines Kulturkritikers für den Bezug von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften hat der erkennende Senat nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen (Urteil vom 7. September 1989 IV R 128/88, BFHE 158, 266, BStBl II 1990, 19).

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VI. Senats zu den Literatur-Aufwendungen von Lehrern vertritt der erkennende Senat die Auffassung, daß auch bei einem Publizisten zu unterscheiden ist zwischen Fachbüchern einerseits und allgemeinbildender, insbesondere schöngeistiger Literatur andererseits.

a) Bei der Verwendung von Fachliteratur - wie im Beispiel des Klägers über Architektur, die Geschichte einzelner Völker, Psychologie, Staats- und Sozialphilosophie, Soziologie, Sexualwissenschaft - genügt zur Feststellung der ganz überwiegenden beruflichen Verwendung der Nachweis, daß das entsprechende Werk in eine Veröffentlichung des Steuerpflichtigen eingegangen ist. Denn in einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, daß ein privates Interesse an der - beruflich veranlaßten - Lektüre von untergeordneter Bedeutung ist, und daß der Steuerpflichtige das Buch auch später nicht noch einmal zur Erweiterung seiner Allgemeinbildung liest.

b) Bücher schöngeistigen Inhalts werden nicht nur von Steuerpflichtigen gekauft und gelesen, die sie im Rahmen ihres Berufs oder Betriebs verwenden, sondern auch von zahlreichen anderen Personen (BFH-Urteil in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723). Für sie gilt daher, daß ihre Anschaffung schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit den Kosten der Lebensführung zuzurechnen ist, wenn nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar ist, ob sie weitaus überwiegend dem Beruf oder Betrieb dienen (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1981 VI R 180/79, BFHE 134, 299, BStBl II 1982, 67; vom 27. September 1991 VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195).

Allerdings können auch derartige Bücher nahezu ausschließlich beruflich verwendet werden. Der BFH hat das in den Fällen für möglich gehalten, daß der Steuerpflichtige dasselbe Buch zweimal besitzt oder daß es - bei einem Literaturwissenschaftler - zum konkreten Einsatz bei bestimmten Forschungsarbeiten oder Lehrveranstaltungen angeschafft worden ist (BFH-Urteil vom 14. August 1981 VI R 134/78, n. v.). Bei einem Publizisten wäre den letztgenannten beiden Möglichkeiten der Fall vergleichbar, daß der Steuerpflichtige ein Buch der schöngeistigen Literatur zum Zwecke einer Besprechung angeschafft hat. Nicht genügend ist es dagegen, wenn das Buch in eine eigenständige (nicht sekundär-literarische) Veröffentlichung des Steuerpflichtigen eingeht. Derjenige, der - wie der Kläger - anspruchsvolle Romane und Essays veröffentlicht, muß über eine breite Allgemeinbildung verfügen. Es kann keinen Unterschied machen, ob er sie sich in zeitlichem Zusammenhang mit der Erstellung eines bestimmten Werkes oder unabhängig hiervon angeeignet hat. Wie der Senat bereits anläßlich der Beurteilung der Reiseaufwendungen von Schulbuchautoren entschieden hat, sagt der Umstand, ob Aufwendungen für die Erzielung von Einnahmen notwendig sind, nichts darüber aus, ob eine private Mitveranlassung für sie besteht (Urteil in BFHE 162, 316, BStBl II 1991, 92). So betrachtet kann - worauf das FG zutreffend hinweist - auch ein Zitat eines schöngeistigen Werkes oder die ausschnittweise Wiedergabe in einem Prolog nicht dazu führen, daß die berufliche Verwendung die private Mitveranlassung (Förderung der Allgemeinbildung) völlig in den Hintergrund treten läßt.

c) Was für schöngeistige Literatur gilt, gilt auch für andere allgemeinbildende Bücher wie Nachschlagewerke (BFH-Urteile vom 29. April 1977 VI R 208/75, BFHE 122, 467, BStBl II 1977, 716; in BFHE 134, 299, BStBl II 1982, 67) und Biographien. Letztere können allerdings dann in den Bereich der Fachliteratur fallen, wenn sie das Lebenswerk einer Persönlichkeit beschreiben, die "nur" in ihrem Fachgebiet besondere Bedeutung erlangt hat.

Die uneingeschränkte Anerkennung der Literatur-Aufwendungen als Betriebsausgaben läßt sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht damit rechtfertigen, daß die Verlage über Bibliotheken mit Büchern - auch schöngeistigen Inhalts - verfügen, deren Anschaffungskosten sie als Betriebsausgaben absetzen können. Die Kläger verkennen, daß für einen Verleger keine anderen Grundsätze gelten als für andere Steuerpflichtige. Soweit sie Aufwendungen für die Anschaffung schöngeistiger Literatur absetzen können, beruht das darauf, daß im konkreten Fall eine nennenswerte private Mitveranlassung ausgeschlossen ist, etwa weil sie das Buch nicht selbst lesen, sondern in eine allen Verlagsmitarbeitern zugängliche Bibliothek einstellen. Auch für die eigenen Buchanschaffungen der Verlagsangestellten gilt nichts anderes (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 158, 266, BStBl II 1990, 19, unter 6.).

2. Die praktische Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze ist - wie auch der Streitfall zeigt - gelegentlich problematisch. Haag (Börsenblatt des Deutschen Buchhandels Nr. 45/91) hat daher eine Aufteilung im Wege der Schätzung vorgeschlagen. Nach seiner Vorstellung sollen je nach den (ein für allemal festzustellenden) Umständen 20, 30 oder 40 v. H. der Bücheraufwendungen dem Bereich der privaten Lebensführung zugeordnet werden. Eine solche Lösung ist im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung mit dem FA möglich und wird vielfach sogar das Vernünftigste sein. Kommt es zu keiner Einigung, ist das FA jedoch zu einer griffweisen Schätzung nicht befugt (BFH-Urteil in BFHE 106, 59, BStBl II 1972, 723). Das gleiche gilt im Finanzrechtsstreit. In solchen Fällen ergibt sich die Schwierigkeit, daß die Grenze zwischen Fachbüchern und allgemeinbildender Literatur naturgemäß unscharf ist. Auf der anderen Seite gewinnt die Unterscheidung an Eindeutigkeit, je mehr sich die zu beurteilenden Bücher von der gedachten Grenzlinie entfernen. Für das Revisionsgericht gilt, daß in dem unscharfen Grenzbereich, die Auffassung des FG als letzter Tatsacheninstanz maßgeblich ist. Erst jenseits dieses Bereichs, also bei der Beurteilung von Büchern, deren Charakter eindeutig ist, lassen die Wertungen des FG darauf schließen, ob es die Bedeutung der unbestimmten Rechtsbegriffe "Fachbuch" oder "allgemeinbildendes Buch" richtig erkannt hat.