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  BFH-Urteil vom 2.10.1992 (VI R 11/90) BStBl. 1993 II S. 53

Aufwendungen, die ein leitender Angestellter im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verband "Wirtschaftsjunioren Deutschland" tätigt, sind nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 10 b Abs. 2, § 12 Nr. 1 Satz 2, § 34 g.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 1981 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Verwaltungsdirektor bei einer Vermögensverwaltung. Seine Hauptaufgabe bestand in der Überwachung und Geschäftsführung der X gehörenden Betriebe.

Im Streitjahr erwuchsen dem Kläger Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verband "Wirtschaftsjunioren Deutschland" (WJD). Der Verband fungiert als Zusammenschluß einer Vielzahl von im Bundesgebiet ansässigen Vereinen, die in der Satzung des Bundesverbandes aus dem Jahre 1982 als "örtliche Juniorenkreise" bezeichnet werden. Die Aufgaben des Bundesverbandes werden in § 2 der Satzung wie folgt umschrieben:

"1. Die Vereinigung will in Zusammenarbeit mit den Industrie- und Handelskammern, den örtlichen Arbeitgeberverbänden und deren Spitzenorganisation insbesondere

a) einen regelmäßigen überörtlichen Erfahrungs- und Gedankenaustausch fördern,

b) Anregungen für die Behandlung gesamtwirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Gegenwarts- und Zukunftsfragen vermitteln,

c) Möglichkeiten für eine außerbetriebliche Weiterbildung von Führungs- und Führungsnachwuchskräften aufzeigen,

d) die Mitarbeit in Kammern und Verbänden fördern,

e) die internationale Zusammenarbeit, vor allem mit den Jaycees International (JCI) fördern und

f) in allen die Interessen der Juniorenkreise betreffenden Fragen einen gemeinsamen Standpunkt erarbeiten und ihre Vertretung gegenüber der Öffentlichkeit, den Verbänden und Behörden und sonstigen Institutionen wahrnehmen."

Der WJD ist nach einem Schreiben des Finanzamts Bonn-Innenstadt gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit.

Mitglied des WJD ist u. a. der Ortsverein "Wirtschaftsjunioren S". Mitglied dieses Vereins können nach § III Abs. 1 der Satzung neben Unternehmern auch Angestellte in leitender Funktion werden, sofern sie unternehmerische Aufgaben wahrnehmen. In § II der Satzung werden Wesen und Aufgabe des Vereins wie folgt definiert:

"Der Juniorenkreis will seine Mitglieder dazu befähigen, den Standpunkt und die Interessen der Wirtschaft einzeln oder als Kreis in der Gesellschaft zu vertreten. Insbesondere will der Juniorenkreis dazu beitragen, das Verantwortungsbewußtsein der freien Unternehmer für eine zeitgemäße und sinnvolle Fortentwicklung der sozialen Marktwirtschaft zu wecken und zu stärken."

Der Kläger bezifferte die ihm für das Streitjahr im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit entstandenen Aufwendungen (im wesentlichen Reisekosten) auf 12.616,32 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen weder als Sonderausgaben noch als Werbungskosten an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Abzug von Werbungskosten beantragt worden war, als unbegründet ab und führte aus: Für die Durchführung der Reisen habe keine berufliche Veranlassung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) vorgelegen. Die berufliche Tätigkeit des Klägers als Angestellter der Vermögensverwaltung sei nicht auslösendes Moment für das Entstehen der Aufwendungen, die dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Funktion im WJD erwachsen seien. Soweit Aufwendungen für einen Berufsverband oder die Tätigkeit in einem Berufsverband als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkannt worden seien (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. September 1984 VIII R 324/82, BFHE 142, 251, BStBl II 1985, 92; vom 13. Dezember 1984 VIII R 296/81, BFHE 143, 53, BStBl II 1985, 325; vom 4. März 1986 VIII R 188/84, BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373), habe es sich um Aufwendungen für Organisationen gehandelt, die als Vertreter der Interessen des Steuerpflichtigen anzusehen gewesen seien. Im Streitfall hätten jedoch die Aufwendungen des Klägers, eines Arbeitnehmers, im Zusammenhang mit der Tätigkeit für einen Verband gestanden, welcher für die Interessen der Wirtschaft eintrete. Die abstrakte Möglichkeit, daß die Aktivitäten des WJD die Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebs des Arbeitgebers des Klägers beträfen und somit mittelbar die Arbeitsbedingungen des Klägers förderten, reiche für die Annahme einer beruflichen Veranlassung nicht aus.

Der Kläger macht mit seiner vom FG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG geltend und trägt vor: Die Auffassung des FG, die Wirtschaftsjunioren seien nur Interessenvertreter des Arbeitgebers des Klägers und nicht des Klägers selbst, sei nicht richtig. Als Geschäftsführer und Verwaltungsdirektor sei der Kläger arbeitsrechtlich kein Arbeitnehmer, da es an der dafür erforderlichen Weisungsgebundenheit fehle. Er habe unternehmensabgeleitete Funktionen wahrzunehmen und unternehmerische Teilaufgaben - ohne eigentliches Unternehmerrisiko und ohne eigenständige Verfügung über Produktionsmittel - auszuüben. Es gebe keine Interessenvertretung für die leitenden Angestellten als solche. Da sie aber Unternehmer- und Arbeitgeberfunktionen ausübten, stehe ihnen der Zugang zu Arbeitgeber- und Unternehmervertretungen offen. Wäre die Argumentation des FG richtig, könnten leitende Angestellte mangels eigener direkter Interessenvertretung niemals Aufwendungen für Arbeitgeber- oder Unternehmerorganisationen steuerlich geltend machen. Dies könne nicht sein.

Der WJD sei als Berufsverband anerkannt, so daß die Beiträge und sonstigen Aufwendungen durch die persönliche Arbeit im Verband als Werbungskosten zu berücksichtigen seien (BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Verband WJD nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind. Diese Aufwendungen sind nicht (nahezu ausschließlich) durch den Beruf, sondern in einem erheblichen Maße durch der Privatsphäre zuzurechnende allgemeinpolitische Interessen des Klägers mitveranlaßt und deshalb nach dem Aufteilungs- und Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.

1. Nach dem Senatsurteil in BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368 können Aufwendungen eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit der "für ihn zuständigen" Gewerkschaft Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein. In dem Urteil in BFHE 143, 53, BStBl II 1985, 325, 327 wurde die aktive Teilnahme eines Unternehmers am Kongreß "seines" Berufsfachverbandes in gleicher Weise gewürdigt wie die aktive Teilnahme von Arbeitnehmern an Tagungen von Gewerkschaften.

a) Bei der Entscheidung, ob und ggf. in welchem Umfang Aufwendungen für die Tätigkeit in Berufsverbänden als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar sind, kann nicht außer acht gelassen werden, daß der BFH durch das Gutachten vom 17. Mai 1952 I D 1/52 S (BFHE 56, 591, BStBl III 1952, 228) den Begriff des Berufsverbandes weit gefaßt hat. Er hat auch Wirtschaftsverbände einbezogen und die Auffassung vertreten, die finanzielle Unterstützung bestimmter wirtschaftspolitischer Richtungen, insbesondere politischer Parteien, stehe der Steuerfreiheit als Berufsverband (damals nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG) nicht entgegen. Diese Art der Betätigung ergebe sich aus dem Wesen des Berufsverbands, der im Interesse des Berufsstandes Einfluß auf die Träger bzw. voraussichtlichen Träger des Staatswillens gewinnen wolle. Erst wenn ein Berufsverband in erheblichem Umfang seine Einnahmen (Mitgliedsbeiträge) für allgemeine politische Zwecke verwende, indem er sie einer politischen Partei zuführe, könne es zweifelhaft erscheinen, ob es sich sachlich noch um einen Berufsverband handele. Auch in neuerer Zeit hat der BFH ausdrücklich an der Auffassung festgehalten, daß ein Berufsverband innerhalb seines Aufgabenkreises tätig werde, wenn er im Rahmen seiner Aufgaben allgemeinpolitische Aufgaben verfolge (BFHE 146, 151, BStBl II 1986, 373, 375).

b) Ist nach dieser Rechtsprechung eine politische Betätigung und das Bestreben, politische Machtträger - ggf. sogar durch finanzielle Unterstützung - im Interesse der Verbandsmitglieder zu beeinflussen, dem Wesen des Berufsverbands immanent, so kann nicht übersehen werden, daß der Steuerpflichtige durch die materielle Unterstützung eines Berufsverbandes und durch die aktive Betätigung in einem solchen auch an der allgemeinpolitischen Willensbildung aktiv teilhat. Mag dieses Moment nach den angeführten Urteilen gegenüber dem Gewicht der beruflichen oder betrieblichen Motive der im Verbandsinteresse getätigten Aufwendungen dann als unerheblich erscheinen, wenn es sich um einen Verband handelt, der unmittelbar die eigenen berufs- oder betriebsspezifischen Belange des Steuerpflichtigen vertritt, so kann dies jedenfalls nicht mehr für die Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen in einem solchen Verband gelten, der berufs- oder betriebsspezifische Belange von Gruppen verfolgt, denen der Steuerpflichtige selbst überhaupt nicht angehört. Bei dieser Fallgestaltung steht der Bedeutung der vom Verband verfolgten allgemeinpolitischen Interessen kein eigener beruflicher Belang des Steuerpflichtigen von solchem Gewicht zur Seite, daß die allgemeinpolitische Betätigung des Verbands im Vergleich dazu als unbedeutend gewertet werden könnte.

c) Der Senat sieht sich in dieser Wertung durch verfassungsrechtliche Überlegungen bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Begrenzung der steuerlichen Abziehbarkeit von Parteispenden (vgl. § 10 b Abs. 2, § 34 g EStG) für erforderlich gehalten, um das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung innerhalb gewisser Grenzen zu sichern (Urteil vom 14. Juli 1986 - 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BStBl II 1986, 684, 693, zu C und D; Beschluß vom 21. Juni 1988 - 2 BvR 638/84, BStBl II 1989, 67, 70, zu C; Urteil vom 9. April 1992 - 2 BvE 2/89, BStBl II 1992, 766, 769 f., zu B III 2 c). Steht der Anerkennung als Berufsverband eine allgemeinpolitische Betätigung innerhalb bestimmter Grenzen nicht entgegen, so wird die Teilhabe derjenigen, die Beiträge an diese Berufsverbände und Aufwendungen im Rahmen ihrer Tätigkeit für diese Verbände als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzen können, an der allgemeinpolitischen Willensbildung steuerlich aber über die in § 10 b Abs. 2, § 34 g EStG vorgesehenen Möglichkeiten hinaus unterstützt. Die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen oder Aufwendungen im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten für Berufsverbände verhält sich damit gegenläufig zu dem Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung, wie es in § 10 b Abs. 2, § 34 g EStG verfassungskonform (vgl. dazu BVerfG in BStBl II 1992, 766, 769 f.) ausgestaltet ist. Ob dies nicht Anlaß geben muß, die bisherige Rechtsprechung zur Abziehbarkeit derartiger Aufwendungen für Organisationen des politischen Vorfeldes überhaupt zu überdenken (vgl. auch BVerfG in BStBl II 1992, 766, 771), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist es danach nicht gerechtfertigt, über die bisherige Rechtsprechung hinaus Aufwendungen im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten selbst für solche Berufsverbände zu berücksichtigen, die nicht die eigenen berufsspezifischen Interessen des Steuerpflichtigen vertreten.

2. Danach ist die im Streitfall vom FG getroffene Entscheidung, die streitigen Aufwendungen nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat pflichtet dem FG darin bei, daß ein Verband, der satzungsgemäß Aktivitäten zur Förderung der Wirtschaft und damit zur Erhaltung und Fortentwicklung des Betriebs des Arbeitgebers entwickelt, nicht als berufsspezifischer Interessenverband eines in leitender Stellung tätigen Arbeitnehmers anzusehen ist. An dieser Wertung ändert sich auch nichts durch den Vortrag des Klägers, es gebe keine Interessenvertretung für die leitenden Angestellten als solche. Wenn leitende Angestellte - aus welchen Gründen auch immer - keine eigene direkte Interessenvertretung haben sollten, so kann dies im Hinblick auf die allgemeinpolitische Betätigung von Berufsverbänden nichts daran ändern, daß die ehrenamtliche Wahrnehmung der Interessen anderer Berufsstände oder von Wirtschaftszweigen durch leitende Angestellte nicht nahezu ausschließlich beruflich, sondern in erheblichem Ausmaß privat mitveranlaßt ist.