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  BFH-Urteil vom 20.10.1992 (VII R 33/92) BStBl. 1993 II S. 62

Gegen die im Haushaltsbegleitgesetz 1989 vorgesehene Kraftfahrzeugsteuererhöhung für schadstoffarme Personenkraftwagen mit Selbstzündungsmotoren bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

KraftStG 1979 (i. d. F. des HBeglG 1989) § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; GG Art. 3 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1992, 364)

Sachverhalt

I.

Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) besteuerte das Halten von zwei 1989 für den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zum Verkehr zugelassenen PKW mit Selbstzündungs-(Diesel-)Motor, die bei der Zulassung als bedingt schadstoffarm anerkannt waren, für die in Betracht kommenden Zeiträume unter Zugrundelegung eines Kraftfahrzeugsteuersatzes von 21,60 DM/100 ccm Hubraum (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG - 1979 i. d. F. des Haushaltsbegleitgesetzes - HBeglG - 1989 vom 20. Dezember 1988, BGBl I 1988, 2262, BStBl I 1989, 19).

Die Klagen, mit denen der Kläger die Anwendung dieses erhöhten Kraftfahrzeugsteuersatzes als gleichheitswidrig rügte, wurden abgewiesen (Urteil des Finanzgerichts - FG - vom 12. Dezember 1991 3 K 14/90, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1992, 364).

Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor, die Mehrbelastung des Haltens von Diesel-PKW - 8,40 DM/100 ccm - gegenüber dem von schadstoffarmen PKW mit Fremdzündungsmotoren verstoße insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der höhere Kraftfahrzeugsteuersatz diene dem Ausgleich für die Erhöhung der Mineralölsteuer, die den Betrieb von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotoren, nicht den von Dieselfahrzeugen treffe. Problematisch und verfassungsrechtlich bedenklich sei das pauschalierende Verfahren zur Bestimmung der Höhe der Ausgleichsbesteuerung (Annahme einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung; Durchschnittswerte für den Jahresverbrauch von Kraftstoff). Eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei nach der pauschalierten Berechnung des Gesetzgebers praktisch erst bei einer jährlichen Fahrleistung von 17.500 km gegeben. Bei geringerer Fahrleistung - so im Falle des Klägers - ergebe sich eine höhere steuerliche Belastung, bei höherer Fahrleistung (und damit verbundener stärkerer Umweltbelastung) eine Begünstigung.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet.

Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, daß gegen § 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KraftStG 1979 i. d. F. des HBeglG 1989 (Tarif für schadstoffarme PKW mit Selbstzündungsmotoren) - Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide für das Halten der Fahrzeuge des Klägers, die nicht von der Steuer befreit waren (vgl. § 3 e KraftStG 1979 i. d. F. des HBeglG 1989) - verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (ebenso FG Baden-Württemberg, nicht rechtskräftiges Urteil vom 26. März 1992 8 K 84/89, EFG 1992, 557).

Der Kläger hält die vorbezeichnete Kraftfahrzeugsteuervorschrift, durch die nur der Steuersatz für PKW mit Selbstzündungsmotoren erhöht worden ist (um 8,40 DM/100 ccm Hubraum), für verfassungsrechtlich bedenklich, weil er darin eine unzulässige Ungleichbehandlung sieht. Er beanstandet ferner die der Bestimmung des höheren Steuersatzes zugrunde liegende pauschalierende Berechnung eines auszugleichenden Steuervorteils. Beide Rügen greifen nicht durch.

1. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (zuletzt Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271, BStBl II 1991, 654, 665). Diese Gestaltungsfreiheit ist praktisch nur durch das Willkürverbot begrenzt (z. B. Senat, Urteile vom 26. März 1991 VII R 100/89, BFHE 164, 148, 151, und vom 10. Juli 1990 VII R 12/88, BFHE 162, 141, 143, BStBl II 1990, 929, mit Rechtsprechungsnachweisen). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes läßt die angegriffene Steuerregelung einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht erkennen. Der in der Vorentscheidung unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/2969, S. 7, 10 f.) richtig dargestellte Zweck der Regelung - insbesondere Ausgleichsbesteuerung für die nur den Betrieb von Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotoren treffende Mineralölsteuererhöhung (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1988 vom 20. Dezember 1988, BGBl I 1988, 2270) - belegt, daß der Gesetzgeber mit der Einführung eines höheren Kraftfahrzeugsteuertarifs für Diesel-PKW nicht willkürlich gehandelt, er im Gegenteil gerade die Herstellung einer annähernden Belastungsgleichheit verfolgt hat. Es ist nicht zu beanstanden, daß das durch die Mineralölsteuererhöhung, die aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen nicht auf Kraftstoffe für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotoren ausgedehnt worden ist, entstandene Ungleichgewicht durch eine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Regelung ausgeglichen worden ist. Die Kraftfahrzeugsteuer belastet zwar bereits das bloße Halten von Fahrzeugen, durch sie verteuert sich aber auch der Betrieb der Fahrzeuge. Es ist mithin nicht unsachgemäß, Kraftfahrzeugsteuer in diesem Zusammenhang ebenso als Kostenfaktor zu berücksichtigen wie Steuern, die den Verbrauch von Kraftstoff belasten (Mineralölsteuer). Die die Gleichheit in der Belastung wahrende Beibehaltung des (nicht erhöhten) Kraftfahrzeugsteuersatzes für PKW mit Fremdzündungsmotoren stellt sich im Ergebnis ähnlich dar wie eine Anrechnung der höheren (Mineralölsteuer-)Belastung. Eine derartige Regelung, wie sie - rechtsähnlich - auch sonst dem Steuerrecht nicht fremd ist (z. B. Einkommensteuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer, § 35 des Einkommensteuergesetzes; Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer, § 21 des Erbschaftsteuergesetzes), erscheint dem Senat unbedenklich.

Läßt sich die angegriffene Regelung damit bereits aus dem Gesichtspunkt der Ausgleichsbesteuerung rechtfertigen, so kommt es auf den weiteren (allgemeinen) Gesetzeszweck - Steuererhöhung zur Deckung des Finanzbedarfs (BTDrucks, a. a. O., S. 7) - nicht weiter an. Umweltpolitische Gesichtspunkte liegen der Regelung nicht zugrunde. Sie bedürfen mithin hier keiner Erörterung.

2. Auch die Bemessung der erhöhten Kraftfahrzeugsteuer für Diesel-PKW begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Es liegt auf der Hand, daß der auszugleichende Steuervorteil nicht für jeden Einzelfall berechnet werden kann. Vielmehr erscheint es geradezu unabweisbar, dieser Berechnung allgemeine Annahmen und durchschnittliche Bewertungen zugrunde zu legen. Ein derartiges Vorgehen widerspricht nicht - von vornherein - dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz. Der Steuergesetzgeber darf sich bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, 6. Aufl., Art. 3 Rz. 555 ff.; BVerfG, Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 354, BStBl II 1984, 72, 77; Senat in BFHE 162, 141, 144). Ihm ist es nicht verwehrt, bei der Bemessung des Steuersatzes von allgemeinen Annahmen und Durchschnittsberechnungen auszugehen. Er kann sich mit einer "Typengerechtigkeit" begnügen, es sei denn, daß die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läßt sich die Art und Weise der Bemessung des höheren Kraftfahrzeugsteuersatzes für Diesel-PKW verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Der auszugleichende Steuervorteil ist auf Grund des durchschnittlichen jährlichen Diesel-Kraftstoffverbrauchs berechnet worden, letzterer bezogen auf eine durchschnittliche Jahresfahrleistung von 17.500 km bei einem durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von 7,5 l/100 km. Die Jahresfahrleistung ist aus dem Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen hergeleitet worden, der Kraftstoffverbrauch aus Herstellerangaben (beide Werte nach unten korrigiert; BTDrucks, a. a. O., S. 11 f.). Mit der Berücksichtigung dieser Werte hat der Gesetzgeber die "Typengerechtigkeit" nicht verfehlt. Eine (ausschließlich) benachteiligende Typisierung, bei der seine Gestaltungsfreiheit geringer ist (BVerfG, Urteil vom 13. Juli 1965 1 BvR 771/59 usw., BVerfGE 19, 101, 116 - Zweigstellensteuer -), liegt nicht vor, da sich bei einer im Einzelfall höheren Fahrleistung Vorteile ergeben. Im übrigen wäre auch bei einem dem Gesetzgeber gezogenen engeren Rahmen die Heranziehung der auf Grund nachvollziehbarer empirischer Erhebungen ermittelten durchschnittlichen Jahresfahrleistung und des Kraftstoffverbrauchs als vertretbar zu erachten. Daß die Regelung eine verhältnismäßige Höherbelastung bei geringerer Fahrleistung zur Folge hat - um einen je nach konkreter Wenigerverwendung unterschiedlichen, indessen unter 157,50 DM/jährlich (errechneter Steuervorteil bei 17.500 km Fahrleistung) liegenden Betrag -, liegt im Wesen der Typisierung und muß hingenommen werden. Die Typisierung steht auch nicht außer Verhältnis zu dem durch sie erzielten steuertechnischen Vorteil eines einheitlichen, für alle (schadstoffarmen) Diesel-PKW gleichen Steuersatzes.

3. Der höhere Kraftfahrzeugsteuertarif für Diesel-PKW begegnet auch keinen sonstigen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Einbeziehung auch der zweiten Stufe der Mineralölsteuererhöhung in die Bemessung des Kraftfahrzeugsteuersatzes (ab 1991 weitere 3 Pf/l bleifreies Benzin; BTDrucks, a. a. O., S. 11) erscheint jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität (hierzu Leibholz/Rinck/Hesselberger, a. a. O., Rz. 557, m. N.; BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84 usw., BVerfGE 82, 60, 101, BStBl II 1990, 653, 663) vertretbar.