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  BFH-Urteil vom 10.6.1992 (I R 108/88) BStBl. 1993 II S. 127

1. Beschließt die Gesellschafterversammlung einer GmbH, daß die Gewinnanteile erst später fällig werden sollen, so modifiziert der Beschluß nur die Leistungsverpflichtung der GmbH. Er begründet keine Leistungsverpflichtung der Gesellschafter.

2. Sollte der unter Nr. 1 genannte Beschluß entweder dem § 29 GmbHG oder der Satzung widersprechen, so ist er deshalb jedoch nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Er ist bei Anwendung des KVStG der Besteuerung so lange zugrunde zu legen, als er von den Gesellschaftern nicht angefochten wird.

3. Das "Stehenlassen" von Gewinnansprüchen kann nur für die Zeit nach Fälligkeit den Besteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 erfüllen.

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Gesellschafter am 24. Februar 1977 und am 28. Dezember 1979 Gesellschafterversammlungen abhielten. Darin beschlossen sie, von dem Gewinn 1975 einen Teilbetrag von 3.727.000 DM und den Gewinn 1978 in Höhe von 9.673.000 DM auszuschütten. Die Gewinnanteile sollten jedoch erst am 30. September 1977 (Gewinn 1975) bzw. am 30. September 1980 (Gewinn 1978) ausbezahlt werden. Die Klägerin verfuhr entsprechend, wobei die Gewinnanteile für die Zeit zwischen der Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses und dem Tag der Auszahlung nicht verzinst wurden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte das Stehenlassen der Gewinnanteile als Überlassung von Kapital und damit als eine freiwillige Leistung der Gesellschafter i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG 1972). Unter Anwendung des konzernüblichen Zinsfußes (6,75 %) auf die (abgerundeten) Laufzeiten von sechs bzw. acht Monaten errechnete das FA die Zinsvorteile der Klägerin und setzte durch Bescheid vom 5. August 1981 bei einem Steuermaßstab von 1 % (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972) die Gesellschaftsteuer auf (1.257 DM + 4.352 DM =) 5.609 DM fest.

Der dagegen eingelegte Einspruch der Klägerin und ihre Klage blieben erfolglos.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 18. März 1987 VII 130/82 KpV und die Gesellschaftsteuerbescheide des FA vom 5. August 1981 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 1982 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des angefochtenen Steuerbescheides vom 5. August 1981 und der Einspruchsentscheidung vom 16. Februar 1982 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 unterliegt die Überlassung von Gegenständen zu einer den Wert nicht erreichenden Gegenleistung als freiwillige Leistung des Gesellschafters an seine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn die Überlassung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Ergänzend dazu regeln die §§ 5 und 6 KVStG 1972, was i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 unter einer inländischen Kapitalgesellschaft, unter einem Gesellschafter und unter Gesellschaftsrechten zu verstehen ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972 zählt eine GmbH mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland zu den inländischen Kapitalgesellschaften. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1972 sind die sog. Geschäftsanteile (§ 14 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) an einer inländischen GmbH Gesellschaftsrechte. Die Personen, denen die Geschäftsanteile zustehen, sind die Gesellschafter auch im gesellschaftsteuerlichen Sinne (§ 6 Abs. 2 KVStG 1972).

Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß die Klägerin in den Jahren 1977 bis 1980 einschließlich eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland war. Deshalb war sie inländische Kapitalgesellschaft i. S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 KVStG 1972.

2. Die Gesellschafter der Klägerin beschlossen am 24. Februar 1977 bzw. am 28. Dezember 1979, den Gewinn 1975 (teilweise) bzw. den Gewinn 1978 mit der Maßgabe auszuschütten, daß die Gewinnanteile erst am 30. September 1977 bzw. am 30. September 1980 auszubezahlen waren. Die Klägerin verfuhr entsprechend, ohne die stehengelassenen Gewinnanteile zu verzinsen. Durch diesen Sachverhalt wurde der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 nicht verwirklicht.

a) Der genannte Besteuerungstatbestand setzt eine freiwillige Leistung des Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft voraus. Daran fehlt es bereits im Streitfall. Durch die Beschlüsse vom 24. Februar 1977 und 28. Dezember 1979 entstanden nur Leistungsverpflichtungen der Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern. Zwar sollten die Leistungen erst zeitlich nach ihrer Entstehung als Verbindlichkeiten fällig werden. Das Hinausschieben der Fälligkeit wurde jedoch von der Gesellschafterversammlung als einem Organ der Klägerin beschlossen. Der Beschluß modifizierte deshalb nur die Leistungsverpflichtung der Klägerin. Er begründete jedoch keine Leistung der Gesellschafter. Eine solche hätte nur durch jeden einzelnen Gesellschafter begründet werden können.

Entgegen der Auffassung des FA kann eine freiwillige Leistung der Gesellschafter auch nicht darin gesehen werden, daß die Gesellschafter eine abweichende Fälligkeit der Gewinnanteile beschlossen. Der Gesellschaftsteuer unterliegen nur solche Vorgänge, die der rechtliche Ausdruck einer Ansammlung von Kapital sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1991 I R 43/90, BFHE 164, 124, BStBl II 1992, 37). Der die Fälligkeit der Gewinnanteile hinausschiebende Gewinnverteilungsbeschluß ist jedoch nur der rechtliche Ausdruck dafür, was die Klägerin wann an ihre Gesellschafter zu zahlen hatte. Die Bestimmung des entsprechenden Zeitpunktes ist Ausfluß aus den Mitgliedschaftsrechten aller Gesellschafter, jedoch keine Leistung des einzelnen Gesellschafters an seine Kapitalgesellschaft.

b) Im Schrifttum (vgl. Goerdeler/Müller in Hachenburg, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 7. Aufl., § 29 Rdnr. 74; Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 13. Aufl., § 29 Rdnr. 38; Emmerich in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 29 Rdnrn. 127 ff.; Hueck in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 15. Aufl., § 29 Rdnrn. 49 ff.) wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Anspruch jedes einzelnen Gesellschafters auf Auszahlung seines Gewinnanteils (Zahlungsanspruch) entstehe mit der Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses. Er könne dem Gesellschafter ohne dessen Zustimmung nicht genommen werden. Er sei grundsätzlich sofort fällig. Eine erst später fällig werdende Gewinnausschüttung könne nur auf Grund einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung beschlossen werden (vgl. Lutter/Hommelhoff, a. a. O.). Der Senat läßt offen, ob daraus die Schlußfolgerung gezogen werden muß, daß die Gesellschafterversammlung eine abweichende Fälligkeit der Gewinnansprüche der Gesellschafter nicht beschließen darf, oder ob eine Gewinnverteilung mit später fällig werdender Auszahlung nicht z. B. auch mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen werden kann (vgl. Goerdeler/Müller, a. a. O.). Für den Streitfall ist allein entscheidend, daß die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine von dem Entstehen der Leistungsverbindlichkeit abweichende Fälligkeit beschloß. Selbst wenn die Beschlüsse nicht dem § 29 GmbHG entsprechen sollten, so sind sie deshalb jedoch nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Steuerrechtlich bedeutet dies für die Anwendung des KVStG, daß sie der Besteuerung so lange zugrunde zu legen sind, als sie von den Gesellschaftern nicht angefochten werden.

c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), wurden die Gewinnverteilungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 24. Februar 1977 und vom 28. Dezember 1979 nicht angefochten. Sie sind deshalb der Besteuerung zugrunde zu legen. Nach ihnen wurden die Zahlungsansprüche der Gesellschafter erst am 30. September 1977 bzw. am 30. September 1980 fällig. Vorher konnten die Gesellschafter keine Leistung fordern. Entsprechend besaßen sie vor Fälligkeit keinen Anspruch, den sie der Klägerin i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 zur Nutzung hätten überlassen können. Das "Stehenlassen" von Gewinnansprüchen kann nur für die Zeit nach Fälligkeit den Besteuerungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KVStG 1972 erfüllen.

Entgegen der Auffassung des FA kann eine Leistung des einzelnen Gesellschafters auch nicht in der Nichterhebung einer Anfechtungsklage gesehen werden. Auch sie ist nur Ausdruck der Ausübung des Mitgliedschaftsrechtes des Gesellschafters in einer bestimmten Weise, nicht aber Leistung des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft in rechtlichem Sinne (vgl. § 241 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

3. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Rechtsgrundsätzen. Sie war deshalb aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Mangels Verwirklichung eines Besteuerungstatbestandes ist die festgesetzte Steuer als Forderung nicht entstanden. Der angefochtene Gesellschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung waren deshalb aufzuheben.