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  BFH-Urteil vom 23.9.1992 (X R 159/90) BStBl. 1993 II S. 152

Wird ein dem Ehemann gehörendes Einfamilienhaus auf Betreiben seiner Gläubiger zwangsversteigert und erhält die Ehefrau den Zuschlag, liegt keine Anschaffung "vom" Ehemann im Sinn von § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG 1987 vor. Unter den weiteren Voraussetzungen des § 10 e EStG 1987 steht der Ehefrau daher ein Abzugsbetrag nach Absatz 1 dieser Vorschrift zu.

EStG 1987 § 10e Abs. 1; ZVG § 90.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1991, 80)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1987 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war bis Ende Mai 1985 selbständig als Bauschlosser tätig. Am 30. Mai 1985 stellte er einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens, der mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen wurde. Die Stadtsparkasse als Hauptgläubigerin betrieb daraufhin die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes des Klägers. Auf einem der beiden Grundstücke des Klägers, das als gemischtgenutztes Grundstück bewertet war, befanden sich Werkstatträume und ein von den Klägern bewohntes Einfamilienhaus. Dieses Grundstück erwarb die Klägerin durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung (Tag der Übergabe: 1. April 1987) für 225.000 DM. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß die auf das Einfamilienhaus entfallenden Anschaffungskosten einschließlich der hälftigen Anschaffungskosten für den Grund und Boden 57.234 DM betragen.

In der Einkommensteuererklärung 1987 machte die Klägerin für das eigengenutzte Einfamilienhaus einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gewährte den Abzugsbetrag nicht, weil die Klägerin das Grundstück von ihrem Ehemann (dem Kläger) erworben habe. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1987 war erfolglos.

Auf die Klage berücksichtigte das Finanzgericht (FG) den beantragten Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG von 2.862 DM und setzte die Einkommensteuer 1987 entsprechend herab. Es war der Auffassung, eine Anschaffung vom Ehemann, die nach § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG die Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags nach § 10 e Abs. 1 Satz 4 EStG ausschließe, liege im Streitfall nicht vor, weil die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück nicht vom Ehemann, sondern originär durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben habe. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 80 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 10 e Abs. 1 EStG. Es führt aus: Ein Wirtschaftsgut sei in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem der Erwerber wirtschaftlich darüber verfügen könne. Durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung habe die Klägerin zwar originär Eigentum erlangt und sei daher zivilrechtlich nicht Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht habe sie jedoch von ihrem Ehemann erlangt und nicht von dem die Zwangsversteigerung durchführenden Land, das zu keinem Zeitpunkt die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis innegehabt habe. Die Klägerin habe somit das Einfamilienhaus im Sinne von § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG von ihrem Ehemann angeschafft.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die Voraussetzungen des § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG verneint.

Nach dieser Vorschrift steht dem Steuerpflichtigen ein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 Satz 4 EStG nicht zu, wenn er die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung von seinem Ehegatten angeschafft hat und bei den Ehegatten die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG (unbeschränkte Steuerpflicht, kein dauerndes Getrenntleben) vorliegen. Anschaffen in diesem Sinn bedeutet, das bürgerlich-rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an der Wohnung (an dem Grundstück) erwerben.

Die Klägerin hat das Eigentum an dem Einfamilienhaus durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben. Ein solcher Eigentumserwerb ist keine Anschaffung "vom" Ehemann im Sinn von § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG. Der Ersteher eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung wird unmittelbar durch den Zuschlag Eigentümer des Grundstücks (§ 90 Abs. 1 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG -); er erwirbt das Eigentum originär, nicht als Rechtsnachfolger des Vollstreckungsschuldners. Das Eigentum, das der Zuschlag als rechtsgestaltender Staatshoheitsakt in der Person des Erstehers schafft, ist nicht vom Schuldner abgeleitet (allgemeine Meinung; z. B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 1986 IX ZR 2/85, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1986, 1022, sowie Zeller/Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 90 Rz. 2, m. w. N.).

Der Senat verkennt nicht, daß sich diese rechtliche Aussage zunächst gegenständlich auf das Zwangsversteigerungsrecht beschränkt und für das Steuerrecht nicht unbesehen übernommen werden kann. Ungeachtet der zivilrechtlichen Beurteilung des Erwerbs als "originär" kann es notwendig sein, auf die steuergesetzliche Wertung zurückzugreifen. Aus diesem Grund hat der Umsatzsteuersenat des Bundesfinanzhofs (BFH) durch Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 139/76 (BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500) entschieden, daß die Übertragung des Eigentums auf den Ersteher in der Zwangsversteigerung, obwohl der Leistungsaustausch nicht auf einem (zweckgerichteten) Handeln des Vollstreckungsschuldners, sondern auf hoheitlicher Tätigkeit beruht, umsatzsteuerrechtlich ein Umsatz des Vollstreckungsschuldners an den Ersteher ist. Nach dem BFH-Urteil vom 29. April 1992 XI R 3/85 (BFHE 167, 529, BStBl II 1992, 727) ist bei der Teilungsversteigerung eines Nachlasses - ungeachtet des § 90 Abs. 1 ZVG - das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und dem Ersteher der Stellung eines Verkäufers und Käufers vergleichbar; aus diesem Grunde gelten die Grundsätze über die Erbauseinandersetzung (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) uneingeschränkt.

Eine formal auf § 90 Abs. 1 ZVG abhebende einschränkende Auslegung des § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG ist jedenfalls nach dem Zweck dieser Vorschrift geboten. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 10/3633, 15) soll durch die Regelung in § 10 e Abs. 1 Satz 7 EStG die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung für die Fälle ausgeschlossen werden, in denen sich ein Eigentumswechsel innerhalb einer Ehegattengemeinschaft vollzieht. Die Übertragung eines in der Familie bereits vorhandenen Wohneigentums von einem auf den anderen Ehegatten soll nicht (nochmals) gefördert werden. Die Begünstigung solcher Eigentumserwerbe widerspricht nach Auffassung des Gesetzgebers (BTDrucks a. a. O.) der vermögenspolitischen Zielsetzung des § 10 e EStG, die Bildung von Wohneigentum zu fördern. Für Rettungserwerbe der vorliegenden Art treffen diese Erwägungen nicht zu. Infolge der vom Vollstreckungsgläubiger betriebenen Zwangsversteigerung würde das Wohneigentum dem Vollstreckungsschuldner und damit auch seiner Familie verlorengehen, wenn der Ehegatte es nicht ersteigert. Es entspricht daher der vermögenspolitischen Zielsetzung des § 10 e EStG, den Erwerb von Wohneigentum in der Zwangsversteigerung zu begünstigen, weil dadurch das Wohneigentum, das ohne das Meistgebot des Ehegatten einem Fremden zugeschlagen worden wäre, der Familie erhalten bleibt (vgl. auch das Urteil des FG Münster vom 13. März 1984 VI 5115/81 E, EFG 1984, 495, zu § 7 b Abs. 1 Satz 4 EStG 1979).