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  BFH-Urteil vom 23.10.1992 (VI R 1/92) BStBl. 1993 II S. 195

1. Wird der geldwerte Vorteil (Arbeitslohn) eines dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unentgeltlich zur privaten Nutzung überlassenen Kfz nach der sog. 1-v. H.-Methode ermittelt, so kann nicht berücksichtigt werden, daß sich der Arbeitnehmer in einem früheren Veranlagungszeitraum durch einen Zuschuß an den Anschaffungskosten des Kfz beteiligt hatte.

2. Der VI. Senat des BFH schließt sich dem BFH-Beschluß vom 18. August 1992 VIII R 9/92 (BFHE 168, 508) an, daß das FG Berlin wegen der im Dezember 1990 für eine Amtsperiode von vier Jahren durchgeführten Wahl der ehrenamtlichen Richter nicht vorschriftswidrig besetzt ist (§ 119 Nr. 1 FGO).

FGO § 119 Nr. 1; EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1; LStR 1990 Abschn. 31 Abs. 7.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Arbeitgeber des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) überließ diesem seit März 1984 einen fabrikneuen PKW AUDI 100. Für das Fahrzeug, dessen Listenpreis einschließlich Sonderausstattung 26.331 DM brutto betrug, mußte der Arbeitgeber infolge Rabattgewährung nur 25.476 DM entrichten. Zu diesen Kosten hat der Kläger 1984 einen Zuschuß von 8.468 DM geleistet.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1984 wurde antragsgemäß der Nutzungswert mit monatlich 1 v. H. des Kaufpreises als Einnahme angesetzt und dieser Betrag um einen gleich hohen Teilbetrag der Zuzahlung des Klägers gekürzt. Sein darüber hinausgehendes Begehren, den restlichen Zuzahlungsbetrag als Werbungskosten zu berücksichtigen, blieb - auch im Klageverfahren (Urteil des Finanzgerichts - FG - vom 19. August 1987 VI 352/85 rkr.) - erfolglos.

In den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 1985 und 1986 wurde der geldwerte Vorteil der Kfz-Überlassung mit (12 x 255 DM =) 3.060 DM als Arbeitslohn erfaßt. Dem nach Ergehen des oben erwähnten Urteils gestellten Antrag, nunmehr von dem Restbetrag der Zuzahlung von 6.174 DM je Streitjahr 3.060 DM steuermindernd zu berücksichtigen, kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht nach. Das FA hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf und wies die Einsprüche zurück.

Die Klage, mit der der Kläger zuletzt beantragt hat, die angefochtenen Bescheide mit der Maßgabe zu ändern, daß der zu versteuernde geldwerte Vorteil mit 1 v. H. monatlich des um die Zuzahlung verminderten Listenpreises zu bemessen sei, hatte mit diesem Antrag Erfolg.

Das FG entschied vorab, daß es ordnungsgemäß besetzt sei, und verwies zur Begründung auf sein Urteil vom 8. Mai 1991 VI 552/89 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 555).

In der Sache führte die Vorinstanz aus, der Vorteil der Kfz-Nutzung sei gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts anzusetzen. Dieser Wert sei notfalls zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -), wobei von den Kosten auszugehen sei, die der Arbeitnehmer für die Haltung eines eigenen PKWs gleichen Typs erspare (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juni 1963 VI 306/61, BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387). Die Verwaltung habe hierfür im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 8. November 1982 IV B 6 - S 2353 - 76/82 (BStBl I 1982, 814; ähnlich jetzt Abschn. 31 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990) drei unterschiedliche Schätzungsmethoden vorgesehen, u. a. die hier angewandte 1-v. H.-Methode. Diese könne vom FG, das gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) selbst zur Schätzung befugt sei, angewendet werden. Auszugehen sei nicht von den Anschaffungskosten des Arbeitgebers, sondern vom Bruttolistenpreis einschließlich Sonderausstattung. Dieser Betrag sei um den Zuzahlungsbetrag des Klägers zu vermindern, da der geldwerte Vorteil nur in der Höhe bestehe, in welcher dem Arbeitnehmer Kosten für das Halten eines eigenen PKW gleichen Typs erspart geblieben seien. Leiste der Arbeitnehmer, wie im Streitfall, eine Zuzahlung zu den Anschaffungskosten, so fehle es in deren Höhe an dem Ersparen eigener Kosten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das erkennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO), da die ehrenamtlichen Richter nicht aus der Bevölkerung des gesamten Gerichtsbezirks vorgeschlagen und ausgewählt worden seien. Die nach dem 3. Oktober 1990 fertiggestellte Vorschlagsliste für die ab dem 1. Januar 1991 beginnende Amtsperiode habe nur Personen aus dem Westteil Berlins enthalten. Dementsprechend seien bei der Wahl vom 12. Dezember 1990 auch nur solche Personen berücksichtigt worden.

In der Sache trägt das FA vor, die 1-v. H.-Regelung beruhe auf Erfahrungssätzen. Sie sei, wie jede Schätzung, nur ein Annäherungswert. Der gefundene Betrag solle nicht gekürzt werden, wenn der Firmenwagen eine Beschriftung trage oder der Arbeitnehmer einen Zweitwagen besitze. Ebenso müsse die Berücksichtigung einer Zuzahlung durch den Arbeitnehmer unterbleiben.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Gericht für vorschriftsmäßig besetzt. Die Nichtberücksichtigung der Bevölkerung des Ostteils Berlins sei nicht willkürlich, sondern sachgerecht. Die Berücksichtigung der Gesamtbevölkerung sei im Jahr 1990 organisatorisch noch nicht möglich gewesen und hätte eine Wahl daher vollständig unmöglich gemacht. In der Sache schließt sich der Kläger den Ausführungen im angefochtenen Urteil an.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Allerdings greift die Rüge, das FG sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, nicht durch. Der Vortrag, an der 1991 ergangenen Entscheidung hätten als ehrenamtliche Richter nur solche aus dem Westteil von Berlin mitgewirkt, enthält keine Tatsachen, die einen Verfahrensfehler i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1 FGO schlüssig belegen. Der VIII. Senat des BFH hat mit Beschluß vom 18. August 1992 VIII R 9/92 (BFHE 168, 508, BStBl II 1993, 55) entschieden, daß die im Dezember 1990 für eine Amtsperiode von vier Jahren durchgeführte Wahl der ehrenamtlichen Richter für das FG Berlin nicht als solche dazu führt, daß das Gericht fehlerhaft besetzt ist. Der erkennende Senat schließt sich dem an und verweist zur näheren Begründung auf obigen Beschluß (vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 10. Mai 1992 2 BvR 528/92, Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift - DEZ - 1992, 281).

2. Wie das FG zutreffend entschieden hat, stellt der Vorteil, der in der unentgeltlichen Überlassung eines Kfz an den Arbeitnehmer zu privaten Zwecken liegt, Arbeitslohn dar, der gemäß § 8 Abs. 2 EStG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen ist. Das sind die Kosten, die dem Arbeitnehmer erwachsen würden, wenn er einen eigenen PKW des gleichen Typs halten würde (BFH-Urteil in BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387). Statt dessen läßt die Rechtsprechung die Bewertung des Vorteils auch nach der sog. 1-v. H.-Methode zu (BFH-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 146/88, BFHE 168, 194, BStBl II 1992, 700). Dabei bestand wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit bisher kein Anlaß zu prüfen, ob der Prozentsatz von 1 v. H. evtl. deshalb zu niedrig ist, weil möglicherweise die tatsächlich privat veranlaßten Aufwendungen in der überwiegenden Zahl der betroffenen Fälle höher sind. Auch im Streitfall ist diese Frage nicht erheblich, da das FA 1 v. H. des Listenpreises angesetzt hat und eine sog. Verböserung durch den Senat nicht zulässig wäre. Ungeachtet etwaiger Bedenken gegen die Höhe des Prozentsatzes kann die sog. 1-v. H.-Methode jedoch nicht in modifizierter Form angewendet werden.

a) Da die Bewertung des Vorteils der Kfz-Überlassung nach der 1-v. H.-Methode nicht in einem Gesetz enthalten ist, kann sie von den Steuergerichten nur unter dem Gesichtspunkt der nach außen hin publizierten Selbstbindung der Verwaltung und im Hinblick auf das Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung beachtet werden (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BFHE 165, 378, 384, BStBl II 1992, 1000). Bedient sich der Steuerpflichtige einer derartigen Typisierung, so muß er sie unverändert übernehmen und kann sie nicht mit Elementen eines Einzelnachweises modifizieren (BFH-Urteil vom 10. August 1990 VI R 23-24/85, BFHE 162, 58, BStBl II 1990, 1065). Von diesen Grundsätzen ist der Senat auch nicht im Urteil vom 7. April 1992 VI R 113/88 (BFHE 167, 421, BStBl II 1992, 854) abgerückt. Vielmehr wurde lediglich entschieden, daß sich der Steuerpflichtige einer von der Verwaltung angebotenen typisierenden Schätzung (dort des Kilometerpauschbetrages von 0,42 DM bei Dienstreisen) nicht zu bedienen braucht und statt dessen einen Einzelnachweis führen kann, der eine Schätzung in Teilbereichen nicht ausschließt.

b) Die 1-v. H.-Methode beinhaltet eine typisierende - die Verhältnisse des Einzelfalles weitestgehend außer Betracht lassende - Art der Wertermittlung. Dies ergibt sich schon daraus, daß sie die individuellen Nutzungsverhältnisse, insbesondere den Umfang der privaten Nutzung (Fahrleistung) und den Umfang der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber (nur die festen oder auch die laufenden Kosten) vernachlässigt. Soweit sie an die Anschaffungskosten des PKW anknüpft, geht sie nicht von tatsächlich angefallenen Kosten aus, sondern vom abgerundeten Listenpreis, und zwar - auch bei einem gebraucht erworbenen PKW - dem historischen Listenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung.

c) Angesichts der aufgezeigten, vergleichsweise groben Typisierung kann der nach der 1-v. H.-Methode gefundene Wert nicht wegen der Besonderheiten des Einzelfalles durch Abschläge gemindert werden, etwa mit der Begründung, es habe nur eine vergleichsweise geringfügige Privatnutzung stattgefunden, oder es seien - abweichend von einem gedachten Normalfall - in erheblichem Umfang laufende Kosten vom Arbeitnehmer selbst getragen worden. Der Senat braucht nicht dazu Stellung zu nehmen, ob die Verwaltungsregelung sachgerecht ist, derzufolge der nach der 1-v. H.-Methode ermittelte geldwerte Vorteil um Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten im Jahr der Zahlung in vollem Umfang gemindert werden darf. Denn in den Streitjahren sind derartige Zahlungen nicht erfolgt.

3. Wie dargelegt kann der Steuerpflichtige, wenn er den Vorteil der Kfz-Überlassung nach der 1-v. H.-Methode ermitteln will, nicht andere Anschaffungskosten des PKW zugrunde legen als dessen historischen Listenpreis. Da das angefochtene Urteil von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war es aufzuheben. Das FG hat aus seiner Sicht zu Recht nicht untersucht, ob der als Nutzungswert angesetzte Betrag bei einem Einzelnachweis unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse unterschritten wurde. Hierzu wird es Feststellungen zu treffen haben.

Wird der geldwerte Vorteil dementsprechend nicht pauschal nach der 1-v. H.-Methode, sondern nach den Kosten ermittelt, die dem Arbeitnehmer erwachsen würden, wenn er einen PKW des gleichen Typs halten würde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387), ist hinsichtlich der Absetzung für Abnutzung als Kostenfaktor von den Anschaffungskosten auszugehen, deren Wert der Arbeitgeber über die vermutliche Gesamtnutzungsdauer des PKW (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000) dem Arbeitnehmer zuwendet, mithin grundsätzlich von den tatsächlichen, um die Zuzahlung des Arbeitnehmers geminderten Anschaffungskosten.