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  BFH-Urteil vom 4.6.1992 (IV R 101/90) BStBl. 1993 II S. 276

Geht ein Schätzungslandwirt zur Buchführung über, ist der Viehbestand in seiner Anfangsbilanz und in den Folgebilanzen nach den Grundsätzen des Urteils vom 1. Oktober 1992 IV R 97/91 (BFHE 169, 180, BStBl II 1993, 284) zu bewerten. Der Landwirt ist nicht an die Schätzungswerte der Finanzverwaltung gebunden; in der Hinnahme der Schätzungen ist keine Entscheidung für diese Werte zu sehen.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, § 13 a, § 7 Abs. 1 Satz 1; HGB § 240 Abs. 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt auf rd. 50 ha Land eine Landwirtschaft. Er ist seit dem 1. Juni 1965 buchführungspflichtig. Dieser Pflicht kommt er erst seit dem 1. Juli 1981 nach; zuvor hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewinn unter Verwendung der Richtsätze der Oberfinanzdirektion (OFD) für Schätzungslandwirte ermittelt. In seiner Anfangsbilanz bewertete der Kläger das Viehvermögen mit den Herstellungskosten. Dabei setzte er folgende Werte an: Kälber 530 DM, ein- bis zweijährige Mastrinder 1.610 DM, ein- bis zweijährige Zuchtrinder 1.350 DM, Färsen 1.940 DM, Milchkühe 1.790 DM, Ferkel 65 DM, Läufer 115 DM und Schweine 225 DM je Tier.

Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, beim Übergang von der Richtsatzschätzung zur Buchführung sei das Vieh mit Durchschnittswerten zu bewerten (vgl. Einkommensteuerkartei der OFD Hannover, § 13 EStG Nr. 3.4). Danach betragen die Wertansätze je Tier für Kälber 200 DM, Rinder 500 DM, Färsen 1.000 DM, Milchkühe 1.000 DM, Ferkel 35 DM, Läufer 100 DM und Schweine 180 DM. Entsprechend diesen Wertansätzen korrigierte das FA die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in der Anfangsbilanz zum 1. Juli 1981 sowie in den Schlußbilanzen zum 30. Juni 1982, zum 30. Juni 1983, 30. Juni 1984, 30. Juni 1985 und 30. Juni 1986. Die Ansätze für den Viehbestand in den Prüferbilanzen stellten sich dadurch gegenüber dem Ansatz des Klägers von 92.998,70 DM (1. Juli 1981), von 83.808,30 DM (30. Juni 1982), 83.326,69 DM (30. Juni 1983), 88.956,29 DM (30. Juni 1984), 96.040 DM (30. Juni 1985) und 84.970 DM (30. Juni 1986) auf nunmehr 47.200 DM, 43.200 DM, 43.700 DM, 47.100 DM, 50.800 DM und 45.700 DM. Die Abweichungen in den Bestandsveränderungen führten zu einer höheren Einkommensteuerfestsetzung für 1982 und 1985.

Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.

Mit der Klage wandten sich die Kläger gegen die vom FA vorgenommene Durchschnittsbewertung. Der Wertansatz für den Viehbestand sei nach den Herstellungskosten vorzunehmen, wobei bei den Tieren des Anlagevermögens die Absetzungen für Abnutzung (AfA) abzuziehen seien. Ein Rind könne nach der ersten Abkalbung im Alter von zweieinhalb Jahren als Milchkuh eingestuft werden. Unter Einbeziehung aller Kosten beliefen sich die Herstellungskosten für eine Milchkuh bis zur ersten Kalbung auf 4.024,68 DM. Da eine Kuh nach acht Lebensjahren ausscheide, betrage ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer fünfeinhalb Jahre. Im Betrieb des Klägers betrage die Nutzungsdauer aber nur drei Jahre, so daß sich ein Durchschnittswert von 2.938,02 DM je Kuh ergebe. Nach eigener Berechnung betrugen die Herstellungskosten für ein Kalb 871,57 DM, für ein Rind 2.109,49 DM, für ein Mastrind 2.309,49 DM. Diese Werte müßten nunmehr bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden.

Das FA hielt dem entgegen, der Kläger hätte sich im Rahmen der von ihm akzeptierten Richtsatzschätzung für die Bewertung des Viehbestands mit den Durchschnittswerten der Finanzverwaltung entschieden. Daran sei er beim Übergang zur Buchführung gebunden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es folgte der Auffassung des FA und hielt den Ansatz der Durchschnittswerte auch in den Folgebilanzen für erforderlich.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie machen nunmehr geltend, daß bei den Kühen ein Schlachtwert von 1.500 DM berücksichtigt werden müsse. Die AfA verringerten sich entsprechend, so daß sich ein durchschnittlicher Herstellungskostenwert von 3.284 DM ergebe.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision der Kläger muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.

1. Im Streitfall hätte der Kläger bereits zum 1. Juli 1965 von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13 a EStG zum Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen und aus diesem Anlaß eine Übergangsbilanz erstellen sollen. In dieser Übergangsbilanz hätte er das Betriebsvermögen mit den Werten ansetzen müssen, die sich ergeben würden, wenn er seinen Gewinn von Anfang an durch Bestandsvergleich ermittelt hätte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1987 IV R 49/86, BFHE 151, 386, BStBl II 1988, 327; vom 17. März 1988 IV R 82/87, BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770; vom 14. April 1988 IV R 96/86, BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672).

Der Kläger ist dem nicht nachgekommen, sondern hat eine Schätzung seiner Gewinne durch die Finanzverwaltung hingenommen; auch diese Schätzung erfolgte auf der Grundlage eines Bestandsvergleichs (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301). Infolgedessen ist die vom Kläger auf den Beginn seiner Buchführung am 1. Juli 1981 zu erstellende Anfangsbilanz nach denselben Grundsätzen zu gestalten, die für die Übergangsbilanz beim Wechsel von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gelten (BFH-Urteile vom 5. Dezember 1985 IV R 112/85, BFHE 145, 537, BStBl II 1986, 390, nur Leitsatz, Gründe in BFH/NV 1986, 402; vom 8. August 1991 IV R 56/90, BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272).

Dies bedeutet, daß der Kläger das zur Veräußerung bestimmte Mastvieh als Umlaufvermögen mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, das zur Milchhergabe bestimmte Rindvieh mit seinen Anschaffungs- und Herstellungskosten, ab Beginn seiner Nutzung nach vollendeter Aufzucht aber vermindert um AfA anzusetzen hatte (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG). In dieser Weise war auch in den Folgebilanzen zu verfahren.

Die in § 6 Abs. 1 EStG vorausgesetzte Einzelbewertung machte es grundsätzlich erforderlich, für jedes Tier die ihm zurechenbaren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu ermitteln. Der Umfang dieser Kosten hing wesentlich von der Dauer der Aufzucht und damit vom Alter des Tieres ab. Der Kläger war jedoch nicht gehindert, die einzelnen Tierarten in Altersklassen einzuteilen, das (nach der Zusammensetzung der Altersklasse gewogene) Durchschnittsalter des Bestandes zu bestimmen und die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines Tieres dieses Alters zu ermitteln, um anschließend alle Tiere der Altersklasse mit diesem Betrag als Durchschnittswert zu bewerten. Hierin liegt ein Verfahren der Gruppenbewertung, die in § 40 Abs. 4 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) a. F., § 240 Abs. 4 HGB n. F. für gleichartige Vermögensgegenstände zugelassen ist und auch in der Steuerbilanz vorgenommen werden kann (vgl. Abschn. 36 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -); ihre Anwendung ist gerade im Bereich der Viehbewertung angebracht, weil die Berechnung der dem einzelnen Tier zurechenbaren Herstellungskosten besondere Schwierigkeiten macht. Nach den gleichen Grundsätzen muß verfahren werden, wenn ein Durchschnittswert für altersmäßig abgegrenzte Tiergattungen (Ferkel, Läufer, Schweine; Rinder, Färsen, Milchkühe) bestimmt werden soll; im Fall der Milchkühe sind hierbei auch AfA auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des für den Bestand repräsentativen Tieres anzusetzen.

2. Der Kläger mußte die danach anzusetzenden Herstellungskosten, wie andere Unternehmer, nach den Verhältnissen seines Betriebs ermitteln. Doch konnte er sich an die in Musterbetrieben ermittelten Beträge anlehnen, soweit die Verhältnisse seines Betriebes damit vergleichbar waren. Diese Erleichterung erscheint erforderlich, weil die Zurechnung der Ausgaben wegen der verwobenen Betriebsvorgänge in der Landwirtschaft Schwierigkeiten macht und die meisten Betriebe nicht über eine innerbetriebliche Kostenrechnung verfügen. Im Hinblick auf diese Verhältnisse werden auch von der Finanzverwaltung Durchschnittswerte vorgehalten, die von den Landwirten für eine Gruppenbewertung verwendet werden können (vgl. Abschn. 125 EStR). Diese Durchschnittswerte liegen jedoch beträchtlich unter den vom Kläger errechneten Werten. Ihr Ansatz in der Anfangsbilanz würde sich als vorteilhaft erweisen, wenn der Kläger seinen Viehbestand aufstockt, als nachteilig dagegen, wenn er - wie im Streitfall geschehen - diesen Bestand verringert.

Der Kläger war aber zur Übernahme dieser Durchschnittswerte nicht gezwungen. Die Werte sind weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung, sondern allein durch Verwaltungsanweisungen festgelegt. Demgemäß gewährt Abschn. 125 Abs. 3 EStR nur die Möglichkeit, beim Wechsel zur Buchführung in der Übergangsbilanz und in den Folgebilanzen anstelle der an sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu ermittelnden betriebsindividuellen Werte die Durchschnittswerte der Finanzverwaltung anzusetzen.

Der Kläger hatte bei Aufstellung seiner Bilanz zu entscheiden, ob er die finanzamtlichen Werte übernehmen wollte. In der Hinnahme der Gewinnschätzungen der Finanzverwaltung kann eine derartige Entscheidung nicht gesehen werden; hierin liegt keine Willensäußerung, die als Ausübung eines Wahlrechts angesehen werden könnte. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit entschieden, daß ein Landwirt beim Übergang von der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zum Bestandsvergleich nicht auf die Aktivierung selbstgewonnener Futtervorräte verzichten muß, wie in einer Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung vorgesehen; es könne nicht angenommen werden, daß er sich in der Vergangenheit für die Vereinfachungsregelung entschieden habe, weil er auf einen Antrag zum Übergang zur Buchführung durch Bestandsvergleich verzichtet habe (BFH-Urteil in BFHE 153, 138, BStBl II 1988, 672). Hiermit übereinstimmend hat der Senat eine Verpflichtung zur Übernahme der finanzamtlichen Durchschnittswerte auch hinsichtlich der Anfangsbilanz eines bisherigen Schätzungslandwirts verneint (BFH in BFHE 166, 120, BStBl II 1993, 272). An dieser Auffassung ist auch für den Streitfall festzuhalten.

3. Bei Berechnung der Buchwerte des dem Anlagevermögen zuzurechnenden Milchviehbestandes sind, wie hervorgehoben, auch AfA zu berücksichtigen. Hierbei ist ein Schlachtwert als Restwert zu veranschlagen.

Nach § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung sich auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, der Teil der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt; maßgebend ist hierbei die betriebliche Nutzungsdauer. Dies kann jedoch nur gelten, soweit das Wirtschaftsgut durch die Nutzung verbraucht wird und die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dadurch zu Aufwand werden. Deshalb kommt im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs eine AfA auf die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten für solche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht in Betracht, die sich trotz ihrer Nutzung nicht verbrauchen; die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten werden dann allenfalls anläßlich einer späteren Veräußerung aufgewendet. Entsprechendes muß aber auch dann gelten, wenn ein Wirtschaftsgut nach Beendigung seiner Nutzung veräußert wird; die Anschaffungs- und Herstellungskosten können in diesem Fall nur insoweit in die AfA eingehen, als sie durch die Nutzung verbraucht werden, nicht dagegen in dem Umfang, in dem sie für die Veräußerung aufgewendet werden. Nur diese Kosten sind für die betrieblichen Leistungen während der Nutzungsdauer verbraucht worden und als mit ihnen zusammenhängende Aufwendungen anzusehen. Danach muß von der Abschreibung auf einen Erinnerungswert jedenfalls dann abgesehen werden, wenn der Restwert wesentlich ist. Dies steht in Einklang mit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 7. Dezember 1967 GrS 1/67 (BFHE 91, 93, BStBl II 1968, 268). Danach müssen die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zur Berechnung der AfA jedenfalls dann um einen Restwert (Schrottwert) verringert werden, wenn der Restwert als beträchtlich anzusehen ist. Dem ist nach wie vor zuzustimmen.

Im Streitfall muß der Restwert als erheblich bezeichnet werden, wenn der Schlachtwert einer Kuh nach der Darstellung der Kläger 1.500 DM beträgt, die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aber 4.024 DM ausmachen.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 22. Juli 1971 IV R 74/66 (BFHE 103, 63, BStBl II 1971, 800) allerdings verlangt, daß der Restwert einen absolut beträchtlichen Betrag ausmache, und in diesem Zusammenhang eine Summe von 3.600 DM genannt. Dies ist jedoch für den Schrottwert von Schiffen ausgeführt worden, der mit den Verhältnissen des Streitfalls nicht vergleichbar ist. Vorliegend wurden die Kühe von vornherein mit der Bestimmung aufgezogen, zunächst als Milchvieh genutzt und danach als Schlachtvieh verwendet zu werden. Obwohl ihr Restwert absolut geringer war als im Senatsurteil in BFHE 103, 63, BStBl II 1971, 800, hatte er im Verhältnis zu den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten doch ein erheblich größeres Gewicht. Die durchgängige Nichtberücksichtigung des Restwerts beim Milchviehbestand würde aber unter Würdigung der unterschiedlichen betrieblichen Verhältnisse vorliegend zu erheblich höheren stillen Reserven als im Urteilsfall führen; die Schaffung solcher stiller Reserven ist nicht das Ziel des § 7 EStG.

4. Das FG wird nach diesen Grundsätzen die für die Viehbewertung maßgebenden Werte in der Anfangsbilanz und in den Folgebilanzen ermitteln.