| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 23.10.1992 (VI R 55/91) BStBl. 1993 II S. 314

Pauschale Zuschläge können nur dann als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit angesehen werden und damit nach § 3 b EStG steuerfrei sein, wenn eine Verrechnung der Zuschläge mit den tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit erfolgt. Allein die Aufzeichnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden ersetzt diese Verrechnung nicht.

EStG § 3 b.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1984 im Wechselschichtdienst tätig. Neben seinem Tariflohn erhielt er eine tarifvertraglich festgelegte Wechselschichtzulage in Höhe von monatlich 1.338 DM (erstes Halbjahr) bzw. 1.382 DM (zweites Halbjahr), mit der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge sowie der Zuschlag für Wechselschichtdienst pauschal abgegolten wurden. Die tatsächlichen Stunden, die auf die vorgenannten Arbeiten entfielen, wurden vom Arbeitgeber des Klägers festgehalten; sie sind in den monatlichen Personalabrechnungen enthalten. Der pauschale Zuschlag wurde nach einem festgelegten Umrechnungsschlüssel auf die einzelnen zuschlagsbegünstigten Arbeitsleistungen aufgeteilt. Dieser Umrechnungsschlüssel ging davon aus, daß der monatlich gezahlte pauschale Zuschlag insgesamt aufgerundet 51 Zeiteinheiten abgelten sollte; hiervon entfielen 40 Zeiteinheiten auf steuerbegünstigte Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (SFN-Arbeit), die restlichen 11 Zeiteinheiten auf den Wechselschichtdienst. Der Arbeitgeber des Klägers ließ die monatliche pauschale Zulage - höchstens bis zu 40 Zeiteinheiten - insoweit gemäß § 3 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerfrei, als sie der in dem jeweiligen Monat tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit zuzuordnen war. Der auf die reine Wechselschichtarbeit entfallende Teil der pauschalen Zulage und der Teil der pauschalen Zulage, dem im jeweiligen Monat keine zulagebegünstigte Arbeitsleistung gegenüberstand, wurden dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Im Streitjahr lagen die tatsächlich geleisteten SFN-Arbeiten bis auf zwei Monate unter den 40 Zeiteinheiten. Im Juni 1984 leistete der Kläger 63,25 Zeiteinheiten und im Dezember 1984 51,25 Zeiteinheiten an SFN-Arbeit. Entsprechend der tatsächlichen Übung beließ der Arbeitgeber in den beiden Monaten jeweils nur den Zuschlag für 40 Zeiteinheiten an SFN-Arbeit lohnsteuerfrei und unterwarf den Lohn für die darüber hinausgehenden 23,25 (Juni) bzw. 11,25 (Dezember) Zeiteinheiten der Lohnsteuer. Im Juni 1984 entfielen auf die Wechselschichtarbeit 10,7 Zeiteinheiten und im Dezember 1984 8,3 Zeiteinheiten. Nach den Eintragungen des Arbeitgebers auf den monatlichen Lohnabrechnungen leistete der Kläger im Streitjahr tatsächlich 338 Zeiteinheiten an SFN-Arbeit und 97,6 Zeiteinheiten an Wechselschichtarbeit; der Arbeitgeber zahlte aber im Streitjahr insgesamt Zulagen für 480 Zeiteinheiten zulagebegünstigte Tätigkeiten.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1984 machte der Kläger geltend, die gemäß § 3 b EStG steuerfreien Beträge für tatsächlich geleistete SFN-Arbeit seien nicht monatlich, sondern jährlich zu ermitteln. Daraus folge, daß für den Monat Juni der Zuschlag für 23,25 Zeiteinheiten und für den Monat Dezember der Zuschlag für 11,25 Zeiteinheiten steuerfrei zu belassen sei, da der Arbeitgeber in diesen Monaten die Zuschläge pauschal nur für 40 Zeiteinheiten steuerfrei belassen habe.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Da der Kläger 338 Zeiteinheiten SFN-Arbeit tatsächlich geleistet habe und der Arbeitgeber für 480 Zeiteinheiten pauschale Zulagen für diese Tätigkeiten gewährt habe, sei die pauschale Vergütung für die tatsächlich geleisteten Zeiteinheiten nach § 3 b EStG steuerfrei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berufe sich zu Unrecht darauf, daß der Arbeitgeber nur die monatlich geleisteten begünstigten Arbeiten mit maximal 40 Zeiteinheiten für die steuerbefreiten Zulagen abgegolten habe, so daß wegen Fehlens einer tatsächlichen Verrechnung am Jahresende eine Zulage für die darüber hinausgehenden Zeiteinheiten nicht gewährt worden sei. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 25. März 1988 VI R 20/84 (BFH/NV 1988, 496) verlangt, es müsse sichergestellt sein, daß Zulagen nur für die im Jahr tatsächlich geleistete SFN-Arbeit steuerfrei bleibe. Dieser Nachweis könne nach dem weiteren Urteil des BFH vom 28. November 1990 VI R 90/87 (BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293) dadurch erbracht werden, daß der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aufliste, zum Jahresende abrechne und ggf. zuviel gezahlte Pauschzuschläge nachträglich der Lohnsteuer unterwerfe. Der Kläger habe ausweislich der monatlichen Lohnabrechnungen im Streitjahr an 338 Zeiteinheiten tatsächlich SFN-Arbeit geleistet, während die pauschalen Monatsbeträge insgesamt 480 Zeiteinheiten abgegolten hätten. Die Handhabung des Arbeitgebers, monatlich nur in Höhe der tatsächlich geleisteten Zeiteinheiten die pauschalen Zulagen steuerfrei zu belassen, habe dem weiteren Erfordernis für die Anwendung des § 3 b EStG Rechnung getragen, daß der Nachweis für die tatsächlich geleistete steuerbefreite Tätigkeit auf Belegen beruht habe, die vor Abschluß der Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers erstellt worden seien. Damit sei der erforderliche Nachweis für die tatsächlich geleistete steuerbefreite Tätigkeit erbracht, so daß für das Streitjahr noch der Lohn für insgesamt 34 Zeiteinheiten steuerfrei zu belassen sei.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es rügt die Verletzung des § 3 b EStG und führt zur Begründung im wesentlichen aus: Nach feststehender Rechtsprechung des BFH seien pauschale Zuschläge, die ohne Rücksicht auf innerhalb von bestimmten Zeiträumen tatsächlich erbrachte Leistungen gezahlt würden, nicht nach § 3 b EStG steuerfrei. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz werde nur anerkannt, wenn die pauschalen Zahlungen nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung erbracht würden. Nur dann sei es vertretbar, derartige monatliche Pauschalzuschläge steuerfrei zu belassen, obwohl ihnen in dem betreffenden Lohnzahlungszeitraum keine oder - wie hier - keine ausreichenden tatsächlich erbrachten Leistungen gegenüberstünden. Nur dann bildeten sie einen Ausgleich für die in anderen Lohnzahlungszeiträumen geleisteten und mit dem dort gewährten Pauschbetrag nicht abgegoltenen steuerbefreiten Arbeiten. Der gemeinsame Wille der Behandlung der monatlichen Pauschalzuschläge als bloße Verrechnungseinheiten eines größeren abschließenden Ausgleichszeitraums manifestiere sich in der Gesamtabrechnung der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit zum Jahresabschluß. Im Streitfall habe keine solche Jahresverrechnung stattgefunden. Damit fehle es an der Dokumentation des übereinstimmenden Willens von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Pauschalzahlungen, denen keine Leistungen i. S. des § 3 b EStG gegenüberstünden, als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse zu behandeln. Das Fehlen einer abschließenden Verrechnung lasse den Schluß zu, daß der Arbeitgeber für SFN-Arbeiten, soweit 40 Zeiteinheiten im Monat überschritten seien, keine Zuschläge gezahlt habe. Das bloße zeitnahe Aufzeichnen der auf die steuerbefreite Arbeit entfallenden Stundenzahlen allein besage nichts über die Vorstellungen der Vertragsparteien zur Einordnung der von ihnen gewährten zusätzlichen Zahlungen. Im übrigen sei Anlaß für die Zahlung der Zuschläge der Wechselschichtdienst gewesen. Da der Schichtdienst aber nicht notwendig in die durch § 3 b EStG begünstigte Arbeitszeit fallen müsse, sei die Zulage ohne Rücksicht auf die tatsächlich erbrachte oder noch zu erbringende SFN-Arbeit gezahlt worden.

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Gemäß § 3 b EStG in der im Streitjahr 1984 geltenden Fassung sind Zuschläge unter weiteren vorliegend nicht interessierenden Voraussetzungen nur steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete SFN-Arbeit gezahlt werden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Für die streitigen Zeiteinheiten der Monate Juni und Dezember 1984 sind keine Zuschläge "für" SFN-Arbeit gezahlt worden.

Nach den tarifvertraglichen Regelungen sind im Streitfall Arbeiten im Wechselschichtdienst, an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit durch Zuschläge pauschal monatlich für insgesamt 51 als durch Arbeit ausgefüllt unterstellte Zeiteinheiten abgegolten worden. Diese 51 Zeiteinheiten sollten bis zu 40 Zeiteinheiten auf tatsächlich geleistete steuerbegünstigte SFN-Arbeit entfallen können. Im übrigen sollte nicht steuerbegünstigte Arbeit im Wechselschichtdienst abgegolten werden. Diese Regelung macht deutlich, daß der Kläger Zuschläge für SFN-Arbeit monatlich nur für maximal 40 Zeiteinheiten erhalten sollte. Darüber hinausgehende SFN-Arbeit sollte nicht durch speziell auf diese Arbeit bezogene Zuschläge entlohnt werden. Dies belegt die Abrechnung für den Monat Dezember 1984. In diesem Monat hatte der Kläger 51,25 Zeiteinheiten SFN-Arbeit und 8,3 Zeiteinheiten reine Wechselschichtarbeit geleistet. Der Arbeitgeber des Klägers hat entsprechend der Vereinbarung nur die Zuschläge für 40 Zeiteinheiten SFN-Arbeit steuerfrei belassen, die Zuschläge für die restlichen 11 Zeiteinheiten dem Lohnsteuerabzug unterworfen, obwohl diesen 11 Zeiteinheiten nur 8,3 Zeiteinheiten für Wechselschicht gegenüberstanden. Wenn der Arbeitgeber die Zuschläge für die noch "freien" 2,7 Zeiteinheiten nicht der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit zugerechnet und nicht die Zuschläge für 42,7, sondern nur für 40 Zeiteinheiten steuerfrei belassen hat, so zeigt dies, daß hinsichtlich der Zuschläge für die über 40 Zeiteinheiten hinausgehende tatsächlich geleistete SFN-Arbeit nicht das Tatbestandsmerkmal des § 3 b EStG erfüllt ist, wonach Zuschläge "für" diese steuerbegünstigte Tätigkeit gezahlt werden müssen.

Insoweit handelt es sich um pauschale Zuschläge, die ohne Rücksicht auf tatsächlich erbrachte Leistungen gezahlt worden sind. Solche Zuwendungen können nach dem Urteil des Senats in BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293 nur dann nach § 3 b EStG begünstigt sein, wenn sie nach dem übereinstimmenden Willen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werden. Eine solche Einzelabrechnung spätestens zum jährlichen Abschluß des Lohnkontos ist neben den monatlichen Abrechnungen aber nicht erfolgt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz reicht es nach dem vorbezeichneten Senatsurteil für die Steuerfreiheit von SFN-Arbeit nach § 3 b EStG nicht allein aus, daß auf der Grundlage von Einzelaufstellungen die tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit feststehen. Pauschale Zuschläge, wie sie im Streitfall gezahlt worden sind, können - wie dargelegt - nur dann nach § 3 b EStG steuerbefreit sein, wenn sie durch Einzelabrechnung der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit zugeordnet werden. Dies ist im Streitfall zwar monatlich hinsichtlich der Zuschläge für maximal bis zu 40 Zeiteinheiten tatsächlich geleisteter SFN-Arbeit geschehen. Für die monatlich über 40 Zeiteinheiten hinausgehende erbrachte SFN-Arbeit fehlt es hingegen an einer entsprechenden Zuordnung.