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  BFH-Urteil vom 4.3.1993 (X R 30/91) BStBl. 1993 II S. 404

Eine "Rückzahlung" des Berlindarlehens (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG) liegt auch dann vor, wenn der Darlehensgeber von dem Darlehensnehmer ein Grundstück erwirbt und mit diesem vereinbart, daß der zu verzinsende Kaufpreis zugleich mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens fällig werden soll und daß Kaufpreis- und Zinsforderungen mit den Tilgungsraten und den Zinsen des Darlehens verrechnet werden.

BerlinFG § 17 Abs. 3 Satz 3.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1990, 560)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) gewährte am 29. Dezember 1981 den Eigentümern des Grundstücks Berlin, A-Straße 40, ein Darlehen in Höhe von 200.000 DM für Modernisierungsarbeiten und den Ausbau des Dachgeschosses. Die Forderung auf Rückzahlung trat er sicherungshalber an die das Darlehen finanzierende Bank ab. Im Einkommensteuerbescheid für 1981 vom 24. August 1983 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes in der für das Streitjahr 1981 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1978 - BerlinFG - (BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3).

Mit Vertrag vom 1. Juni 1983 erwarb der Kläger von den Darlehensnehmern aus dem Grundstück zwei Eigentumswohnungen von 85,28 qm und 122 qm zum Preis von ebenfalls 200.000 DM. Der Kaufpreis sollte zugleich mit dem Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens fällig und in derselben Höhe verzinst und getilgt werden; Zins und Tilgungsraten sollten mit diesem Anspruch verrechnet werden. Der Kaufpreis ermäßigte sich um bereits geleistete Tilgungsraten auf das Darlehen.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen: Im Jahre 1983 sei es zu dieser unvorhergesehenen Entwicklung gekommen, nachdem die Darlehensnehmer nicht mehr zu Zins- und Tilgungsleistungen in der Lage gewesen seien und deshalb die Eigentumswohnungen zum Verkauf und den Erlös zur Verrechnung der Zins- und Tilgungsraten mit entsprechenden Kaufpreisraten angeboten hätten. An den vermieteten Eigentumswohnungen habe er, der Kläger, kein Interesse gehabt und sich zum Erwerb nur unter den besonderen Umständen bereitgefunden. Zwar seien seinerzeit für Eigentumswohnungen Kaufpreise von etwa 1.000 DM/qm gezahlt worden. Trotzdem habe er wegen der ungünstigen Wohnlage nahe der Stadtautobahn einen überhöhten Preis gezahlt, um seine Darlehensforderung zu retten.

Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid 1981 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und versagte die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG mit der Begründung, es liege eine mißbräuchliche Rechtsgestaltung vor, die faktisch einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens gleichkomme. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 560.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er trägt u. a. vor:

Das FG habe sich in Widerspruch gesetzt zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juni 1966 I 222/65 (BFHE 86, 366, BStBl III 1966, 538). Aus den Gründen dieser Entscheidung sei er nicht gezwungen gewesen, sich eine Rückzahlung des Darlehens aufdrängen zu lassen und damit einen steuerlichen Nachteil in Kauf zu nehmen, den der zahlungsunfähige Darlehensnehmer ihm nicht hätte ersetzen können. Die Übertragung der Eigentumswohnungen und die Stundung des Kaufpreises seien bei der gegebenen Sachlage die einzig vernünftige Lösung gewesen. Eine Absicht, das Gesetz zu umgehen, habe nicht bestanden.

Die Darlehensforderung habe auch deswegen nicht erlöschen können, weil sie an eine Bank abgetreten gewesen sei. Die Bank habe die Forderung jederzeit gerade gegenüber dem Nehmer des Berlindarlehens fälligstellen können, wenn nämlich er, der Kläger, seinen Verpflichtungen gegenüber der Bank nicht nachgekommen wäre. Die Selbständigkeit der einzelnen Forderungen und deren Fortbestand ergäben sich auch daraus, daß sich die Kaufpreisforderung - etwa aufgrund Minderung wegen Mängeln der Wohnungen - hätte verringern können; dies hätte den Bestand des Berlindarlehens nicht berührt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 25. Juni 1987 i. d. F. der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß mit dem Erwerb der Eigentumswohnungen zu Zins- und Tilgungsbedingungen, die denen des Darlehens "spiegelbildlich" entsprechen, das Darlehen an Erfüllungs Statt getilgt und damit im Rechtssinne vorzeitig zurückgezahlt worden ist. Dies folgt aus einer Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG; auf die Erwägungen des FG zum Tatbestand der Steuerumgehung, insbesondere zu einer Umgehungsabsicht, kommt es nicht an.

Weiterhin hat das FG zutreffend erkannt, daß das FA den geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen durfte. Es ist rechtlich unerheblich, daß das FA als Berichtigungsgrundlage zunächst § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 angegeben hatte.

2. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 BerlinFG ermäßigt sich bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die verzinsliche Darlehen mit einer Laufzeit von mindestens 25 Jahren zur Förderung u. a. des Baues von Gebäuden in Berlin (West) gewähren, bei Vorliegen weiterer hier nicht streitiger Voraussetzungen die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum der Hingabe um 20 v. H. der hingegebenen Darlehen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG wird die Steuerermäßigung unter der Bedingung gewährt, daß das Darlehen nicht vorzeitig zurückgezahlt wird. Vorzeitige Rückzahlungen, nach Ablauf von 10 Jahren seit der Hingabe des Darlehens auf Grund einer Kündigung oder Teilkündigung des Schuldners, sind jedoch unschädlich.

3. Wie der IV. Senat des BFH in seinem Urteil vom 22. Juni 1978 IV R 99/74 (BFHE 126, 97, 99, BStBl II 1979, 2) zu § 16 des Berlinhilfegesetzes (BHG) ausgeführt hat, ist "Rückzahlung" eines Darlehens grundsätzlich nur eine Leistung des Darlehensschuldners (oder eines Dritten) an den Darlehensgläubiger, die zu einem Erlöschen der Darlehensschuld führt; der Begriff ist insofern deckungsgleich mit dem in § 609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwendeten Rechtsbegriff der "Rückerstattung" des Darlehens. Auf der Grundlage dieser Begriffsbestimmung hat der IV. Senat eine entgeltliche Abtretung der Darlehensforderung jedenfalls dann nicht als steuerschädlich angesehen, wenn sie Bestandteil einer Veräußerung des Gewerbebetriebs im ganzen war. Der I. Senat des BFH hat in seinem Urteil vom 6. März 1985 I R 213/80 (BFHE 143, 345, BStBl II 1985, 413) zu § 17 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG entschieden, daß der Sinn des Wortes "Rückzahlung" gegen eine Gleichsetzung von "echter" Rückzahlung und Abtretung spreche. Leiste ein Bürge vor Fälligkeit des Berlindarlehens an den Gläubiger, liege darin keine vorzeitige steuerschädliche Rückzahlung; dieser Vorgang könne mit einer rechtsgeschäftlichen Abtretung verglichen werden und sei deswegen nicht einer steuerschädlichen vorzeitigen Rückzahlung gleichzustellen. Dem stehe der Förderungszweck des § 17 BerlinFG deswegen nicht entgegen, weil die Abtretung des Rückforderungsanspruchs nicht die durch den Darlehensvertrag begründete Rechtsstellung (Zinssatz, Laufzeit) des Schuldners berühre. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat dieser Rechtsauffassung zugestimmt (BMF-Schreiben vom 16. Februar 1987, BStBl I 1987, 254).

4. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 BerlinFG an. Das dort verwendete gesetzliche Tatbestandsmerkmal "Rückzahlung" setzt voraus, daß die Darlehensvaluta in das Vermögen des Darlehensgebers zurückgelangt sind (vgl. auch Sönksen/Söffing, BerlinFG, Kommentar, K § 16 Rdnr. 71). Es ist Sinn und Zweck des § 17 Abs. 2 BerlinFG, denjenigen Steuerpflichtigen zu begünstigen, der eigenes Kapital für Zwecke des Wohnungsbaus vergibt; die Steuerermäßigung hat die wirtschaftliche Funktion eines Entgelts für die - langfristige - Kapitalüberlassung (vgl. Senatsurteil vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327). Dies ist maßgebend für die Auslegung des komplementären Begriffs "Rückzahlung". Auch wenn das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "Rückzahlung" nicht zugleich die - nach dem Sinn des Gesetzes förderungsschädliche - entgeltliche Abtretung umfaßte, war es schon vor der gesetzlichen Gleichstellung von Rückzahlung und entgeltlicher Abtretung (§ 17 Abs. 3 Satz 5 BerlinFG i. d. F. der Bekanntmachung vom 2. Februar 1990, BGBl I 1990, 173, BStBl I 1990, 83; s. hierzu BTDrucks 11/2157 S. 180) Zweck der Regelung insbesondere über die Mindestlaufzeit der Berlindarlehen, die Steuerermäßigung nur demjenigen zu gewähren, der selbst langfristig Kapital zur Nutzung überläßt.

5. Im Streitfall ist das Tatbestandsmerkmal der vorzeitigen Rückzahlung erfüllt.

a) Bei der Auslegung des Begriffs "Rückzahlung" kommt es nicht auf die zivilrechtliche Konstruktion, sondern darauf an, wie die von den Vertragschließenden gestaltete Rechtslage nach ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt am Maßstab des einschlägigen Steuergesetzes zu beurteilen ist. Hierin liegt keine vom Gesetz losgelöste und daher unzulässige ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise, sondern eine steuerrechtliche Bewertung der bürgerlich-rechtlich gewollten Rechtsfolgen (vgl. - zur Auslegung des § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei Darlehensverträgen zwischen Eltern und Kindern - Senatsurteil vom 12. Februar 1992 X R 121/88, BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, unter 6. c).

b) Hiernach ist im Streitfall entscheidend, daß sich die Vereinbarung vom 1. Juni 1983 als Rückzahlung des Darlehens durch Leistung an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) darstellt, durch welche die langfristige Überlassung von Kapital aus dem Rechtsgrund des Darlehensvertrages beendet wurde. Durch die Übereignung der Wohnungen A-Straße hat der Kläger Vermögensgegenstände in Höhe der Darlehensvaluta erhalten. Er selbst geht davon aus, daß er mit dem Erwerb der Wohnungen "sein Darlehen gerettet" habe; damit dürfte der wirtschaftliche Kern der Vereinbarung vom 1. Juni 1983 zutreffend umschrieben sein. Zwar standen sich Kaufpreis- und Darlehensforderung und die jeweils hierauf entfallenden Zinsansprüche rechtlich selbständig gegenüber. Sie waren jedoch bereits im voraus zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten miteinander verrechnet, so daß sich im Regelfall - von Leistungsstörungen z. B. wegen Sachmängeln abgesehen - für keine der Vertragsparteien noch eine Zahlungspflicht ergeben konnte; damit entfiel insbesondere eine Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens zu einem späteren Zeitpunkt. Das Vertragsverhältnis hatte nicht mehr den wirtschaftlichen Gehalt einer entgeltlichen Überlassung von Kapital. Es war im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien de facto abgewickelt. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß sich "die Darlehensgeschäfte" in ihrer wirtschaftlichen Belastung gegenseitig aufheben.

c) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, daß der Kläger den Darlehensanspruch der finanzierenden Bank sicherungshalber abgetreten hatte.

6. Der Hinweis des Klägers auf das BFH-Urteil in BFHE 86, 366, BStBl III 1966, 538 verhilft der Revision nicht zum Erfolg. In jenem Fall eines Darlehens nach § 7 c EStG 1951, in dem sich aus einem später geschlossenen Kaufvertrag eine gegenläufige Zahlungspflicht des Darlehensgebers ergab, war streitig gewesen, zu welchem Zeitpunkt das (zurückgezahlte) Darlehen bei diesem "zugeflossen" und folglich als Betriebseinnahme zu erfassen war. Der BFH führte aus, unter "Zufließen" seien sowohl die Barzahlung wie auch sonstige schuldtilgende Maßnahmen, z. B. Aufrechnung und Zusammenfall von Forderung und Schuld, zu verstehen. Zwar komme es bei der Beurteilung von Vorgängen nach § 7 c EStG 1951 in besonderem Maße auf deren wirtschaftliche Bedeutung an. Bei einer Verbindung eines 7 c-Darlehens mit zusätzlichen Geld- und Kreditgeschäften zwischen Darlehensgeber und -nehmer sei eine einheitliche Betrachtung der gegenseitigen Gläubigerschaft, die zur Annahme eines Rückflusses führe, nur zulässig, wenn zwischen beiden Geschäften ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang dergestalt bestanden habe, daß das eine Rechtsgeschäft nicht ohne das andere vorgenommen worden wäre.

Unter Bezugnahme hierauf hat der erkennende Senat bei der Anwendung des § 42 AO 1977 i. V. m. § 17 Abs. 2 BerlinFG einen "inneren wirtschaftlichen Zusammenhang" zwischen Berlindarlehen und Gegengeschäft jedenfalls dann als gegeben angesehen, wenn wechselseitige Darlehensgeschäfte aufgrund eines Gesamtplanes den Charakter eines den gesetzlichen Begünstigungszweck verfehlenden Hin- und Herschiebens der Darlehensvaluta haben (Urteil in BFHE 163, 264, 276, BStBl II 1991, 327). Eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung würde hier vorliegen, wenn die Vertragspartner bereits im vorhinein den Kauf der Wohnungen geplant hätten. Auf den Gesichtspunkt des Mißbrauchs kommt es im Streitfall nicht an. Das Urteil in BFHE 86, 366, BStBl III 1966, 538 geht zwar davon aus, daß ein solcher innerer Zusammenhang zwischen 7 c-Darlehen und (gegenläufigem) Kaufvertrag nicht gegeben war. Es stützt aber die Entscheidung des weiteren auf die sachverhaltsbedingte Erwägung, daß in den Vereinbarungen "weder eine Verrechnung noch eine Aufrechnung des Kaufpreises mit der 7 c-Forderung gesehen werden" könne. Eine solche Verrechnung haben hier die Vertragsparteien nach den Feststellungen des FG getroffen. An diese Feststellungen, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden sind, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).