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BFH-Urteil vom 16.12.1992 (XI R 34/92) BStBl. 1993 II S. 436

Bei einer teilentgeltlichen Betriebsübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist der Veräußerungsgewinn auch dann gemäß § 16 Abs. 2 EStG zu ermitteln, wenn das Kapitalkonto negativ ist.

EStG § 16 Abs. 1 und 2; EStDV § 7 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammenveranlagt.

Der Kläger betrieb eine Orgelbaufirma. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 10. Mai 1984 übertrug er zum 1. Mai 1984 seinen Betrieb auf seinen Sohn. Im Gegenzug übernahm dieser die betrieblichen Verbindlichkeiten und verpflichtete sich zur Zahlung einer monatlichen Rente von 3.000 DM und eines einmaligen Geldbetrages von 86.000 DM. Im notariellen "Nachtrag zur Urkunde vom 10. Mai 1984" wurde festgehalten, daß der Betrag von 86.000 DM der Gleichstellung der beiden weiteren Söhne des Klägers habe dienen sollen. Für das Rumpfwirtschaftsjahr 1. Januar 1984 bis 30. April 1984 erklärte der Kläger lediglich einen laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 28.085 DM.

Die Betriebsprüfung ermittelte einen Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 207.348 DM wie folgt:

- Veräußerungspreis                                                           86.000 DM

- negatives Kapital zum 30. April 1984                                130.007 DM

                                                                                         ---------------

                                                                                       216.007 DM

- Veräußerungskosten                                                      ./. 8.659 DM

                                                                                         ---------------

- Veräußerungsgewinn                                                      207.348 DM.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Streitig sei allein noch die Erfassung des negativen Kapitalkontos in Höhe von 130.007 DM. Nach der sog. Einheitsmethode sei eine gemischte Schenkung als einheitlicher Vorgang zu erfassen; Veräußerungsgewinn sei die Differenz zwischen Gegenleistung und Nettobuchwert. Dabei sei auch das negative Kapital zu berücksichtigen, da der Kläger von dieser Belastung befreit worden sei. Die ältere Rechtsprechung, auf die sich die Kläger beriefen, gelte nur für die voll unentgeltliche Übertragung.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 16 EStG und führen aus: Die Teilentgeltlichkeit könne nicht dazu führen, daß das negative Kapitalkonto dem entgeltlichen Teil des Übertragungsvorgangs zuzuordnen sei. Auch nach der neuesten Rechtsprechung gehörten bei Betriebsübertragung übernommene Verbindlichkeiten nicht zum Entgelt. Da dem negativen Kapital der Entgeltscharakter fehle, komme eine Einbeziehung in den Veräußerungsgewinn nicht in Betracht. Die Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) führe dazu, daß bei noch so geringer Ausgleichsleistung und im Unterschied zur unentgeltlichen Übertragung infolge des negativen Kapitalkontos ein hoher Veräußerungsgewinn entstehen könne. Diese Rechtsfolge könne nicht gewollt sein, zumal der Übertragende in beiden Fällen von seiner Verpflichtung zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos befreit ist. Daher könne lediglich der Betrag von 86.000 DM als Entgelt Bestandteil des Veräußerungsgewinns sein.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des angefochtenen Bescheides den Veräußerungsgewinn auf 77.341 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, und trägt vor: Nach der sog. Einheitstheorie seien teil- und vollentgeltliche Betriebsübertragungen grundsätzlich gleichzubehandeln. Der Legaldefinition des § 16 Abs. 2 EStG entsprechend müsse der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten dem Wert des nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten Betriebsvermögens gegenübergestellt werden. Dabei sei unerheblich, ob der Wert des Betriebsvermögens positiv oder negativ sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den Veräußerungsgewinn zutreffend ermittelt.

1. Wird ein Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die Buchwerte fortzuführen; ein Veräußerungsgewinn fällt nicht an (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II 3 a. E.). Hingegen kann bei einer ganz oder teilweise entgeltlichen Veräußerung ein Gewinn entstehen; gemäß § 16 Abs. 2 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Der Wert des Betriebsvermögens ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG zu ermitteln.

Unabhängig von der Qualifikation als Auflagen- oder gemischte Schenkung können Abstandszahlungen und Gleichstellungsgelder bei einer Betriebsübertragung im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auf seiten des Veräußerers zu einem Veräußerungsgewinn führen. Anders als es bei Privatvermögen der Fall ist, kann die teilentgeltliche Betriebsübertragung nicht in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil aufgespalten werden; die Übertragung ist vielmehr einheitlich zu beurteilen (BFH-Urteil vom 10. Juli 1986 IV R 12/81, BFHE 147, 63, BStBl II 1986, 811; Reiß in Kirchhof/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 16 Rz. B 146 ff.; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., 1992, § 16 Anm. 6 c, 7 d; Mundt, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1991, 698; Halbig, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1991, 529; a. A. wohl Pape, Inf 1991, 221, 223). Ein Veräußerungsgewinn entsteht, wenn das Entgelt den Buchwert - und die Veräußerungskosten - übersteigt. Konsequenz dieser Auffassung ist, daß auch bei einer teilentgeltlichen Veräußerung die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG vorzunehmen ist. Dementsprechend ist dem Veräußerungserlös der Buchwert als Resultante des nach § 5 EStG ermittelten Betriebsvermögens (Aktiva ./. Passiva) gegenüberzustellen. Dabei ist unerheblich, ob der Buchwert (rechnerisch im Kapitalkonto erfaßt) einen positiven oder negativen Wert hat (BFH-Urteil vom 11. März 1992 XI R 6/91, BFH/NV 1992, 593; Reiß, a. a. O., § 16 Rz. E 45).

Die bisherige Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686, und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111) steht dem nicht entgegen; sie betrifft allein die unentgeltliche Übertragung i. S. des § 7 Abs. 1 EStDV (so auch Schoor, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1992, 29, 32).

Ebenso können sich die Kläger nicht darauf berufen, daß nach dem Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II 3, die Freistellung von Verbindlichkeiten im Fall der Betriebsübertragung kein Entgelt sei. Diese Aussage bezieht sich ebenfalls lediglich auf die unentgeltliche Betriebsübertragung i. S. des § 7 Abs. 1 EStDV. Ist aber die Betriebsübertragung teilentgeltlich und ist gemäß § 16 Abs. 1 EStG ein Veräußerungsgewinn zu ermitteln, so kann das nur in der von § 16 Abs. 2 EStG bestimmten Weise geschehen (Schoor, a. a. O., 32). Es wäre zudem sachlich nicht gerechtfertigt, den Veräußerungserlös nur um die in den Aktiva enthaltenen noch nicht abgesetzten Ausgaben zu mindern, dagegen die in den Passiva zum Ausdruck kommenden betrieblichen Verbindlichkeiten, die den Gewinn bereits gemindert haben und von denen der Übergeber befreit wird, nicht oder nur in Höhe der Aktiva zu berücksichtigen.

2. Zu Recht haben FA und FG die Rentenzahlungen außer Betracht gelassen. Diese Zahlungen sind als Versorgungsleistungen zu beurteilen, denen kein Entgeltscharakter beizumessen ist (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II 1; BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794; Schmidt, a. a. O., § 16 Anm. 7 g; Schoor, a. a. O., 29).