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  BFH-Urteil vom 16.12.1992 (I R 2/92) BStBl. 1993 II S. 455

Erteilt eine GmbH der als Geschäftsführerin angestellten Ehefrau des beherrschenden Gesellschafters unmittelbar nach der Anstellung eine vom ersten Tag des Anstellungsverhältnisses an unverfallbare Pensionszusage, so ist diese und damit die entsprechende Pensionsrückstellung in aller Regel durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Werbeagentur in der Rechtsform der GmbH. Gesellschafter sind die Eheleute Z. Sie waren im Streitjahr 1987 an der Klägerin zu 60 v. H. (Ehemann) und zu 40 v. H. (Ehefrau) beteiligt.

Durch Vertrag vom 1. November 1982 stellte die Klägerin die damals 56jährige Frau Z als Geschäftsführerin an. Als alleiniges Entgelt wurde eine Pension vereinbart. Frau Z sollte mit dem Erreichen des 65. Lebensjahres eine monatliche Pension in Höhe von 2.500 DM erhalten. In der Pensionszusage vom 10. Dezember 1982 heißt es:

"§ 2 - Der Rentenanspruch ist nach Unterzeichnung dieses Vertrages unverfallbar. Eine Kündigung seitens der Gesellschaft ist ausgeschlossen. Die Geschäftsführerin hat auf die Pensionszusage einen Rechtsanspruch ....

§ 4 - Aufgrund dieser Pensionszusage wird auf die Zahlung eines Geschäftsführergehaltes verzichtet."

Am 1. Dezember 1983 schloß die Klägerin mit Herrn Z ebenfalls einen Anstellungsvertrag über dessen Tätigkeit als Geschäftsführer. Als Entgelt wurde ein monatliches Gehalt von 4.000 DM zuzüglich einer Weihnachtsgratifikation vereinbart.

Im Jahr 1988 wurde Frau Z als Geschäftsführerin abberufen. Herr Z wurde alleiniger Geschäftsführer. Aufgrund der Pensionszusage bildete die Klägerin eine Pensionsrückstellung, der sie im Streitjahr 1987 entsprechend einem versicherungsmathematischen Gutachten 34.498 DM zuführte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Zuführung zur Pensionsrückstellung nicht als Betriebsausgabe an und setzte die Körperschaftsteuer 1987 durch Bescheid vom 14. März 1989 entsprechend fest.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab.

Das FA stützt seine vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassene Revision auf Verfahrensmängel und auf Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist unbegründet. Der Senat verzichtet insoweit auf eine Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - vom 8. Juli 1975 - BGBl I 1975, 861 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1991 - BGBl I 1991, 2288 -).

B. Die Revision des FA ist gleichwohl begründet. Die Zuführungen zu der wegen der Pensionszusage an Frau Z gebildeten Pensionsrückstellung sind verdeckte Gewinnausschüttungen und mindern das Einkommen der Klägerin nicht.

1. Verfahrensrechtliche Beschränkungen der Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1987 vom 16. August 1988 durch den angefochtenen Änderungsbescheid 1987 vom 14. März 1989 bestanden nicht. Der ursprüngliche Körperschaftsteuerbescheid vom 16. August 1988 erging gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

2. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 des Aktiengesetzes - AktG -, § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -) einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteile vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; vom 29. April 1992 I R 21/90, BFHE 168, 151, BStBl II 1992, 851). Der durch die Sorgfaltspflichten des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters objektivierte Maßstab erfordert einen Fremdvergleich, den Vergleich des Verhaltens der Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter mit dem Verhalten gegenüber einem Nichtgesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1988 I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, 249; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG a. F. Rz. 108; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., S. 66; Streck, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 8 Anm. 89).

Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Vermögensminderung auch darin bestehen, daß die Kapitalgesellschaft an den Gesellschafter ein Entgelt zahlt oder zu zahlen hat, obwohl es hierfür an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren und im voraus abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 24. Mai 1989 I R 90/85, BFHE 157, 168, BStBl II 1989, 800; vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen der Kapitalgesellschaft an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786; vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631).

3. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte einem fremden Geschäftsführer nicht unmittelbar nach der Anstellung eine unverfallbare Versorgungszusage erteilt. Versorgungszusagen werden üblicherweise erst nach einer gewissen Betriebszugehörigkeit, jedenfalls nicht vor Ablauf einer Probezeit erteilt. Für den Fremdvergleich kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3610), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2261), eine Unverfallbarkeit von Pensionsansprüchen erst vorsieht, wenn die Versorgungszusage mindestens zehn Jahre bestanden hat. Zwar ist den Vertragsparteien die Möglichkeit einer für den Arbeitnehmer günstigeren Regelung nicht verschlossen. Die gesetzliche Regelung kann jedoch als Anhaltspunkt für die von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter üblicherweise getroffenen Vereinbarungen dienen.

Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die von ihm vertretene Gesellschaft nicht von Vertragsbeginn an mit langjährigen Rentenverpflichtungen gegenüber einer noch nicht erprobten Geschäftsführerin belastet, die auch nach dem Vortrag der Klägerin keine besondere Qualifikation aufgrund einer für die Tätigkeit als Geschäftsführerin im weitesten Sinne einschlägigen Ausbildung besaß.

b) Soweit der erkennende Senat im Urteil vom 21. Februar 1974 I R 160/71 (BFHE 111, 506, BStBl II 1974, 363) wegen der von fremden Arbeitnehmern zu unterscheidenden Position eines Gesellschafters keinen Fremdvergleich durchgeführt hat, hält er an dieser Auffassung zumindest nicht als an einer allgemein gültigen Regel fest. Ein Fremdvergleich ist zwar nicht denkbar bei Leistungen der Gesellschaft, die nur einem Gesellschafter, nicht aber einem fremden Dritten erbracht werden können (z. B. Zahlung eines Kaufpreises an den Gesellschafter für den Erwerb eigener Anteile, BFH-Urteil vom 16. Februar 1977 I R 163/75, BFHE 122, 52, BStBl II 1977, 572; vgl. auch Döllerer, a. a. O., S. 66). Dieser Fall liegt jedoch nicht vor, da Geschäftsführer-Anstellungsverträge nicht nur mit Gesellschaftern, sondern auch mit Fremden abgeschlossen werden.

4. Der Anstellungsvertrag kann im übrigen auch deshalb steuerlich nicht anerkannt werden, weil es an einer klaren Vereinbarung über die zu zahlende Pension bei vorzeitiger Kündigung fehlt.

Das FG hat aus arbeitsrechtlichen Grundsätzen in Verbindung mit der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gefolgert, daß die Vertragsparteien eine zeitanteilige Kürzung der Pension für den Fall vorzeitiger Beendigung des Anstellungsverhältnisses vereinbarten. Diese Vertragsauslegung bindet das Revisionsgericht nicht, da das FG insoweit die Denkgesetze nur teilweise beachtet hat (§ 118 Abs. 2 FGO). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG hat ein vor Erreichen der Altersgrenze ausscheidender Versorgungsberechtigter mindestens Anspruch auf eine Versorgungsleistung, die dem Verhältnis der Zeit der Betriebszugehörigkeit zur Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Altersgrenze entspricht. Diese Regelung schließt eine davon abweichende, für den Anwartschaftsberechtigten günstigere Vereinbarung nicht aus. Eine von der Norm abweichende Vereinbarung ist im Streitfall um so weniger auszuschließen, als auch die Vereinbarungen zur Unverfallbarkeit ab dem Vertragsbeginn - § 2 der Pensionszusage - von sonst üblichen Verträgen abweichen. Das FG konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen nicht ausschließen, daß sich die Klägerin auch bei vorzeitigem Ausscheiden von Frau Z verpflichten wollte, die volle Pension von 2.500 DM monatlich zu zahlen. Diese Möglichkeit konnte um so weniger ausgeschlossen werden, als der Vertragswortlaut für eine ungekürzte Pension spricht. Die bestehende Unklarheit geht zu Lasten der Klägerin. Sie führt zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung, da die einkommenswirksame Vermögensminderung der Klägerin (Zuführung zur Pensionsrückstellung) auf der unklaren Vereinbarung beruhte.

5. Im Hinblick auf die obigen Gründe brauchte der Senat nicht zu entscheiden, ob die Zusage einer Pension ohne laufende Geschäftsführerbezüge nicht in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen zu beurteilen ist. Für Ehegatten-Arbeitsverhältnisse hat die höchstrichterliche Rechtsprechung sogenannten "Überversorgungen" die steuerliche Anerkennung versagt (BFH-Urteile vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173; vom 8. Oktober 1986 I R 220/82, BFHE 148, 37, BStBl II 1987, 205; vom 11. September 1987 III R 267/83, BFH/NV 1988, 225; vom 23. November 1988 I R 363/83, BFH/NV 1989, 628). Als Überversorgung in diesem Sinne wurden Renten angesehen, die 30 v. H. des letzten steuerpflichtigen Jahresarbeitslohns übersteigen (BFH in BFH/NV 1988, 225, und in BFH/NV 1989, 628).