| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 16.2.1993 (IX R 63/88) BStBl. 1993 II S. 659

Umbaumaßnahmen an einer Wohnung führen dann zu Ausbauten i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG, wenn unter durchgreifender Umgestaltung der Bausubstanz ein bisher nicht vorhandenes Badezimmer geschaffen wird. Nicht erforderlich ist, daß dadurch neuer Wohnraum entsteht.

EStG § 21 a Abs. 4 Satz 5; II. WoBauG § 17 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1989, 52)

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Umbau einer Eigentumswohnung, der zur Schaffung eines vorher nicht vorhandenen Badezimmers führt, als Ausbau i. S. von § 21 a Abs. 4 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum erweiterten Schuldzinsenabzug berechtigt.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammenveranlagte Eheleute. Sie erwarben am 21. Dezember 1983 zum Kaufpreis von rd. 113.000 DM eine Eigentumswohnung, die sie vor ihrem Einzug umbauen ließen. Die Küche wurde in ein anderes Zimmer verlegt. Im Bereich der früheren Küche wurden ein Badezimmer und ein gesondertes Gäste-WC geschaffen. Zuvor war lediglich ein 1,5 qm großes WC vorhanden. Wie sich aus den im Klageverfahren eingereichten Plänen ergibt, die Grundlage der Vorentscheidung waren, wurden Trennwände beseitigt und dafür an anderer Stelle neue Trennwände errichtet, auch wurden Mauerdurchbrüche geschlossen und an anderer Stelle neu geöffnet. Die Kläger wandten für das Badezimmer insgesamt 38.720,50 DM und für weitere damit zusammenhängende Arbeiten 7.607,32 DM auf. Die auf diese Baumaßnahmen entfallenden Schuldzinsen (2.576,80 DM) machten sie für das Streitjahr 1985 erfolglos als Werbungskosten nach § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG geltend.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 52).

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verletzung des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG und des § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG). Entgegen der Auffassung des FG verlange § 21 a Abs. 4 EStG, daß neuer Wohnraum geschaffen werde.

Das FA hat im Revisionsverfahren einen (hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrags, der Kinderfreibeträge und anderer Punkte vorläufigen) Änderungsbescheid erlassen und darin die Einkommensteuer unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrags nach § 54 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665) herabgesetzt.

Es beantragt nunmehr sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Änderungsbescheid vom 24. Juni 1992 nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 2.576 DM herabzusetzen.

Entscheidungsgründe

I.

Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt, über dessen Rechtmäßigkeit das FG entschieden hat, geändert hat (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Februar 1989 II R 128/85, BFHE 155, 563, 564, BStBl II 1989, 348, und vom 14. November 1990 II R 126/87, BFHE 163, 218, 220, BStBl II 1991, 556; Senatsurteil vom 31. März 1992 IX R 2/86, BFH/NV 1992, 759). Der während des Revisionsvesfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 24. Juni 1992 ist verfahrensrechtlich ein neuer Verwaltungsakt (BFH in BFHE 163, 218, 220, BStBl II 1991, 556), der die Steuerfestsetzung der Höhe nach verändert hat. Da dem FG-Urteil noch der Einkommensteuerbescheid vom 30. April 1986 zugrunde liegt, ist seine Steuerfestsetzung durch die während des Revisionsverfahrens geänderte Steuerfestsetzung des FA überholt.

II.

Der Senat entscheidet nach §§ 100, 121 FGO in der Sache selbst. Eine Zurückverweisung an das FG nach § 127 FGO ist nicht geboten, weil die Sache spruchreif ist (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1992, 759).

Die Klage ist begründet. Wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, steht den Klägern der erweiterte Schuldzinsenabzug nach § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG zu, weil sie ihre Eigentumswohnung im Sinne dieser Vorschrift "ausgebaut" haben.

1. Nach dieser Vorschrift können unter weiteren hier nicht umstrittenen Voraussetzungen Schuldzinsen, die mit den Herstellungskosten für Ausbauten und Erweiterungen an einem Haus i. S. des § 21 a Abs. 1 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, im Jahr der Herstellung und in den beiden folgenden Kalenderjahren über die Höhe des Grundbetrags hinaus bis zur Höhe von jeweils 10.000 DM von dem nach Abs. 3 Nr. 1 gekürzten Grundbetrag abgesetzt werden.

a) Der Begriff der Ausbauten und Erweiterungen, der sich außer in § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG auch in anderen Vorschriften des Steuerrechts findet (z. B. in § 7 b Abs. 2 Satz 1 und § 10 e Abs. 2 EStG, § 14 Abs. 3 Nr. 1, § 14 a Abs. 2 und § 15 Abs. 3 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -), wird in § 17 Abs. 1 und 2 II. WoBauG umschrieben, und zwar auch mit Wirkung für das Steuerrecht (§ 15 Abs. 3 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -; Senatsurteil vom 28. April 1992 IX R 130/86, BFHE 168, 147, 148 f., BStBl II 1992, 823). Nach der im Streitfall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG gilt als Wohnungsbau durch Ausbau auch der unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umbau von Wohnräumen, die infolge Änderung der Wohngewohnheiten nicht mehr für Wohnzwecke geeignet sind, zur Anpassung an die veränderten Wohngewohnheiten.

b) Baumaßnahmen führen nur dann zu Ausbauten i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG, wenn vorhandene Wohnräume ihre Eignung zu Wohnzwecken durch eine Änderung der Wohngewohnheiten, nicht aber durch Altersabnutzung oder Verwahrlosung, verloren haben (Senatsurteil in BFHE 168, 147, 149 f., BStBl II 1992, 823, m. w. N.). Mit dem Begriff "Wohngewohnheiten" ist ein - sich im Laufe der Zeit wandelnder - Standard gemeint, der allgemein als für ein gesundes und menschenwürdiges Wohnen notwendig betrachtet wird, sich allgemein durchgesetzt hat und vom ganz überwiegenden Teil der Wohnungssuchenden und Wohnungsinhaber erwartet und gefordert wird (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd. 1, § 17 II. WoBauG Anm. 1.4).

Nach den Wohngewohnheiten des Streitjahres 1985 gehörte zur notwendigen Mindestausstattung einer Wohnung auch ein Badezimmer. Dies ergibt sich aus der Ergänzungserhebung zum Mikrozensus vom April 1982, derzufolge 97,4 v. H. der nach 1972 gebauten Wohneinheiten mit Bad oder Dusche ausgestattet waren (Statistisches Jahrbuch 1984 für die Bundesrepublik Deutschland, Abschn. 10.11, S. 231), und entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - (vgl. zuletzt Urteil vom 27. April 1990 8 C 19.88, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 454.4, § 17 II. WoBauG Nr. 3, S. 9).

c) Weitere Voraussetzung eines Ausbaus i. S. von § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG ist, daß es sich um einen unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführten Umbau handelt. Ein Umbau im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die Bausubstanz durchgreifend umgestaltet wird. Entgegen der Auffassung des FA ist dafür nicht erforderlich, daß neuer, bisher nicht vorhandener Wohnraum geschaffen wird (Senatsurteil in BFHE 168, 147, 149 f., BStBl II 1992, 823, m. w. N.). Der Bauaufwand für einen Umbau kann in der Regel den Kosten nach als wesentlich angesehen werden, wenn er etwa ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht (Urteil des BVerwG vom 26. August 1971 VIII C 42.70, BVerwGE 38, 286, 289 f.).

d) Diese Auslegung des Begriffs "Ausbau", die für die Anwendung des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG maßgebend ist, widerspricht - entgegen der Auffassung des FA - nicht der Rechtsprechung des BFH zu § 7 b Abs. 2 EStG 1960 (BFH-Urteile vom 4. Dezember 1962 VI 169/62 U, BFHE 76, 335, BStBl III 1963, 122, sowie vom 21. Februar 1967 VI 341/65, BFHE 88, 171, BStBl III 1967, 312). Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf seine Ausführungen in BFHE 168, 147, 150, BStBl II 1992, 823).

2. Im Streitfall hat das FG die Baumaßnahme der Kläger in Übereinstimmung mit den Beteiligten zu Recht als Ausbau i. S. des § 21 a Abs. 4 Satz 5 EStG, § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG qualifiziert. Nach den Feststellungen des FG, gegen die keine Revisionsrügen erhoben sind und an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, haben die Kläger ein zuvor nicht vorhandenes Badezimmer geschaffen und dadurch ihre Wohnung, die den Wohngewohnheiten nicht mehr entsprach, den geänderten Wohngewohnheiten angepaßt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG liegen auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Umbaus vor. Denn die Kläger haben unter Änderung des Grundrisses die Bausubstanz durchgreifend umgestaltet und dabei u. a. Wände beseitigt und an anderer Stelle neu errichtet. Aus dem Verhältnis der dafür aufgewendeten Kosten (rd. 46.000 DM) zu den Anschaffungskosten von nur rd. 113.000 DM hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gefolgert, daß es sich um wesentlichen Bauaufwand i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG handelt.

3. Die Einkommensteuer 1985 ist dementsprechend unter Ansatz weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 2.576 DM festzusetzen.

a) Da hierbei von dem nach § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemachten Änderungsbescheid auszugehen ist, unterschreitet die Steuerfestsetzung des Senats diejenige der Vorentscheidung, obwohl nur das FA Revision eingelegt hat. Damit hält sich der Senat jedoch im Rahmen des Antrags des FA, die Klage abzuweisen. Denn die Klage richtet sich gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 24. Juni 1992, über den im Revisionsverfahren erstmals zu entscheiden ist. Dies folgt aus den §§ 68, 123 FGO. Diese Vorschriften eröffnen im Interesse der Prozeßökonomie dem Kläger die Möglichkeit, einen während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheid nicht gesondert mit Einspruch und Klage anzufechten, sondern ihn unmittelbar in das Revisionsverfahren einzuführen und damit dessen Streitgegenstand auszutauschen. Zu diesem Zweck läßt § 123 FGO ausnahmsweise im Revisionsverfahren eine Klageänderung zu (Geist, Finanz-Rundschau - FR - 1989, 229, 231). Der Kläger darf sein dem neuen Verfahrensgegenstand entsprechendes geändertes Begehren in der Revisionsinstanz durch einen entsprechenden, bestimmten Antrag geltend machen und begründen. Darauf hat der Vorsitzende, soweit erforderlich, hinzuwirken (§§ 121, 76 Abs. 2 FGO; Geist, a. a. O.). Eine ausdrückliche Anpassung des prozessualen Begehrens an den veränderten Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist allerdings dann entbehrlich, wenn - wie im Streitfall - der ursprünglich in der Revisionsinstanz gestellte Antrag in Verbindung mit dem Antrag nach § 68 FGO das letztlich verfolgte Rechtsschutzziel eindeutig erkennen läßt.

Im Streitfall steht aufgrund des ursprünglichen Antrags der Kläger, die Revision zurückzuweisen, fest, daß sie entsprechend der Vorentscheidung den Abzug weiterer Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.576 DM begehren. Aufgrund des Antrags nach § 68 FGO richtet sich dieses Begehren nunmehr gegen den Änderungsbescheid vom 24. Juni 1992, der den Kinderfreibetrag nach § 54 EStG i. d. F. des StÄndG 1991 berücksichtigt hat. Darin liegt sinngemäß zugleich eine nach § 123 FGO zulässige Klageerweiterung mit dem Ziel, die Einkommensteuer niedriger als in der Vorentscheidung festzusetzen.

b) Danach ergibt sich folgende Steuerberechnung: (wird ausgeführt).