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  BFH-Beschluß vom 28.5.1993 (VIII B 11/92) BStBl. 1993 II S. 665

Der erweiterte Verlustausgleich nach § 15 a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG kommt nicht in Betracht, wenn sich die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nicht aus § 171 Abs. 1 HGB, sondern aus § 172 Abs. 2 HGB ergibt.

EStG § 15 a Abs. 1 Sätze 2 und 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine KG, an der im Streitjahr 1987 die Beigeladenen zu 1 und 2 als Kommanditisten beteiligt waren. Die Beigeladenen hatten zum 31. Dezember 1986 Festkapitalkonten von je 48.000 DM sowie negative Kapitalkonten II von 351.758 DM und 262.568 DM.

Am 9. Dezember 1987 beurkundete der Notar K die Erhöhung der Einlagen der Kommanditisten auf je 750.000 DM. Er teilte diese Änderung mündlich dem Sachbearbeiter der Sparkasse S, der Hauptgläubigerin der KG, im Dezember 1987 mit. Die Sparkasse hatte zuvor ihre Forderungen gegen die KG durch persönliche Bürgschaften der Kommanditisten abgesichert.

Die Klägerin wies den Notar darauf hin, daß die Eintragung im Handelsregister vor dem 31. Dezember 1987 geschehen müsse. Die Erhöhung der Einlagen wurde jedoch erst am 6. Januar 1988 im Handelsregister eingetragen.

Auf die Beigeladenen entfielen im Streitjahr Verlustanteile von 113.556,16 DM und 107.312,82 DM. Damit erhöhten sich deren negative Kapitalkonten auf ./. 470.467,09 DM und ./. 375.033,38 DM.

In der Anlage ESt 1, 2, 3 B (V) zur Feststellungserklärung 1987 beantragte die Klägerin, die Verlustanteile der Beigeladenen als Verluste festzustellen, die bei der Einkommensteuer-Veranlagung anzusetzen sind.

Mit Feststellungsbescheid vom 14. Dezember 1988 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die bei der Veranlagung anzusetzenden Verlustanteile der Kommanditisten mit 0 DM fest und erhöhte die verrechenbaren Verlustanteile um die oben genannten Beträge auf 405.838 DM bzw. 279.394 DM.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

In den Urteilsgründen führte das Finanzgericht (FG) aus, im Streitfall seien die Voraussetzungen des erweiterten Verlustausgleichs nach § 15 a Abs. 1 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung an die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) angeknüpft.

Eine analoge Anwendung des § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG auf die Fälle der Haftungserweiterung nach § 172 Abs. 2 HGB sei nicht zulässig. Die Vorschrift des § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG sei insoweit nicht lückenhaft. Sie greife nach ihrem Sinn und Zweck nur ein, wenn der Kommanditist wirtschaftlich gesehen den Gläubigern in gleicher Weise hafte wie ein voll haftender Gesellschafter. Diese Fallgestaltung sei bei der hier allein in Betracht kommenden zweiten Alternative des § 172 Abs. 2 HGB nicht gegeben. Der Beginn der Außenhaftung habe nach dieser Vorschrift eine andere Wirkung als die Haftung bei Eintragung oder handelsüblicher Bekanntmachung. Denn sie wirke nur für diejenigen Gläubiger, denen die "Mitteilung in anderer Weise" zugegangen sei.

Das FG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, beantragt die Klägerin, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen. Das FG habe es abgelehnt, im Streitfall einen erweiterten Verlustausgleich i. S. des § 15 a Abs. 1 EStG anzunehmen, obwohl nachweislich die Voraussetzungen einer Haftung nach § 172 Abs. 2, zweite Alternative HGB erfüllt seien; die angefochtene Entscheidung sei insoweit mit dem Zweck des § 15 a EStG nicht zu vereinbaren. Das FG habe die Voraussetzungen eines erweiterten Verlustausgleichs nach § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG mit der Begründung abgelehnt, daß die Klägerin die Erhöhung der Hafteinlage nur einem ihrer Gläubiger nach § 172 Abs. 2, zweite Alternative HGB mitgeteilt habe. Das Gericht habe dabei nicht beachtet, daß dieser Gläubiger der einzige relevante Gläubiger der Klägerin gewesen sei.

Darin liege zugleich ein Verfahrensmangel, der die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rechtfertige. Das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und gewürdigt. Es habe nicht festgestellt, welche Gläubiger vorhanden gewesen seien.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zurückzuweisen.

Es kann offenbleiben, ob die Ausführungen in der Beschwerdeschrift den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 3 FGO) genügen, weil die Beschwerde jedenfalls nicht begründet ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344).

1. Die Rechtsfrage, ob ein erweiterter Verlustausgleich nach § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG auch dann zu bejahen ist, wenn der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft nicht nach § 171 Abs. 1 HGB, sondern nach § 172 Abs. 2 HGB haftet, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 a Abs. 1 EStG ein erweiterter Verlustausgleich nur in Betracht kommt, wenn der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der KG "aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB" haftet.

Auch eine sinngemäße (analoge) Anwendung des § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG in den Fällen der Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 2 HGB ist nicht möglich, da die gesetzliche Regelung insoweit nicht lückenhaft ist. Eine Lücke des Gesetzes liegt nur dann vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Von einer lückenhaften gesetzlichen Regelung ist der "rechtspolitische Fehler" zu unterscheiden, der dann gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht - gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie - als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 24. Januar 1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, 332, BStBl II 1974, 295; vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221). Für die Feststellung, ob eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes oder eine vom Gesetzgeber bewußt auf bestimmte Tatbestände beschränkte Regelung vorliegt, an die die Gerichte gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -), ist vor allem die Entstehungsgeschichte des Gesetzes heranzuziehen (BFHE 111, 329, 332, BStBl II 1974, 295).

Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs zu § 15 a Abs. 1 EStG ist eine Erweiterung der Verlustausgleichsmöglichkeit in den Fällen, in denen sich die Haftung des Kommanditisten aus anderen Tatbeständen als dem des § 171 Abs. 1 HGB ergibt, ausgeschlossen (BTDrucks 8/3648, S. 17; vgl. auch Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 8/4157, S. 4 f.). Der Gesetzgeber hat somit bewußt den erweiterten Verlustausgleich und -abzug nach § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG auf den Fall der Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB beschränkt. Ob diese Beschränkung der allgemeinen Zielsetzung des § 15 a EStG, den steuerrechtlichen Verlustausgleich des Kommanditisten seiner zivilrechtlichen Haftung anzugleichen (BTDrucks 8/3648, S. 15 f.), gerecht wird, mag bezweifelt werden (vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 8. Aufl., 1991, § 11 a III 3). Jedenfalls beruht die Begrenzung des erweiterten Verlustausgleichs auf die Fälle der leicht nachprüfbaren Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB nicht auf einer planwidrigen Unvollständigkeit des § 15 a Abs. 1 EStG, sondern auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers (herrschende Ansicht; vgl. z. B. Biergans, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1981, 3, 13; Brandt in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 a Rz. 47; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 15 a EStG Rz. 266; Mittelsteiner, DStR 1980, 579; L. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 15 a Anm. 41 b; Schulze-Osterloh, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1981/82, 238, 254; Söffing/Wrede, Finanz-Rundschau 1980, 365, 372; Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 15 a Rz. 16 f.; Stuhrmann in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz und Nebengesetze, 14. Aufl., § 15 a EStG Rz. 46; Uelner/Dankmeyer, Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 12, 18; a. A. Bitz in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 15 a EStG Rz. 26 a. E.).

2. Der Senat braucht nicht über den gerügten Verfahrensmangel zu entscheiden. Wie der Senat unter 1. dargelegt hat, kommt eine entsprechende Anwendung des § 15 a Abs. 1 Satz 2 EStG nicht in Betracht, wenn sich die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft aus § 172 Abs. 2 HGB ergibt. Es ist deshalb für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung, ob die Sparkasse S, wie die Klägerin behauptet, die einzige Gläubigerin des Unternehmens war.