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  BFH-Urteil vom 7.5.1993 (VI R 113/92) BStBl. 1993 II S. 676

Schafft ein Steuerpflichtiger für Zwecke seiner Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf abnutzbare Wirtschaftsgüter von mehrjähriger Nutzungsdauer an, so sind ebenso wie bei Arbeitsmitteln nur die auf die Nutzungsdauer verteilten Anschaffungskosten als Sonderausgaben abziehbar.

EStG § 7, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 6 und 7, § 10 Abs. 1 Nr. 7.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb im Jahre 1985 zum Preis von 4.285 DM einen Computer, um sich während ihres Erziehungsurlaubs im Hinblick auf den späteren Wiedereinstieg in ihren Beruf als Lehrerin fortzubilden. Sie beantragte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988, im Rahmen des Höchstbetrages nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Absetzung für Abnutzung (AfA) für den Computer bei einer vierjährigen Nutzungsdauer mit 900 DM zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug. Er hielt § 7 EStG im Rahmen der Sonderausgaben nicht für anwendbar.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sehe eine Anwendung der Regelungen des § 7 EStG im Gegensatz zu § 9 und § 4 Abs. 1 und 3 EStG nicht vor. Entsprechend sei der Anwendungsbereich des § 7 EStG nach Absatz 1 Satz 1 auf Wirtschaftsgüter beschränkt, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen der Erzielung von Einkünften dienten (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610, 614 a. E.; vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660).

Die Kläger rügen mit ihrer Revision eine Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahin zu ändern, daß Aufwendungen für die Weiterbildung der Klägerin in einem nicht ausgeübten Beruf mit 900 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Schafft ein Steuerpflichtiger für Zwecke seiner Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf abnutzbare Wirtschaftsgüter von mehrjähriger Nutzungsdauer an, so sind entgegen der Auffassung der Vorinstanz im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur die auf die Nutzungsdauer verteilten Anschaffungskosten als Sonderausgaben abziehbar.

Der Vorinstanz ist einzuräumen, daß sich dieses Ergebnis nicht unmittelbar aus § 10 EStG ableiten läßt, weil § 7 EStG in § 10 EStG - anders als in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG - nicht genannt ist. Der VIII. und IX. Senat des BFH haben es in den Urteilen in BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, und BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610, 614 a. E. deshalb auch abgelehnt, AfA im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusetzen (ebenso für § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 10 EStG Anm. 330 "Geräte"; a. A. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 10 Anm. 22 d, bb).

Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß im Rahmen der Nr. 7 des § 10 Abs. 1 EStG die für Arbeitsmittel i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG geltenden Vorschriften sinngemäß anzuwenden sind. Für Aufwendungen für die Anschaffung von abnutzbaren Arbeitsmitteln war schon vor der Klarstellung (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 142) in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Satz 2 EStG, der durch das EStG 1990 (BGBl I 1990, 1898, BStBl I 1990, 453) eingefügt worden ist und ausdrücklich auf Nr. 7 des § 9 EStG verweist, anerkannt, daß die gemäß § 7 EStG auf die Nutzungsdauer verteilten Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132, 134, zu C. II. 1. b; Urteil vom 28. Oktober 1977 VI R 194/74, BFHE 123, 558, BStBl II 1978, 151, 152).

2. Für eine sinngemäße Anwendung der § 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 6 und 7 EStG, § 7 EStG im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG sprechen der Zweck der Vorschrift, die Wesensgleichheit von Werbungskosten, Ausbildungskosten und Kosten der Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf sowie der Umstand, daß die Folgeprobleme vermieden werden, die aufträten, wenn die jeweils abziehbaren Aufwendungen nach unterschiedlichen Grundsätzen ermittelt würden.

a) Neben der Verbesserung der Ausbildungsförderung sollte durch die Einführung der Abziehbarkeit von Berufsausbildungskosten durch das Steueränderungsgesetz 1968 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) auch der Zweck verfolgt werden, "der derzeitigen Unterscheidung zwischen Ausbildungskosten und Fortbildungskosten weitgehend die Bedeutung zu nehmen" (BTDrucks V/3602, S. 9). Diesem Zweck dient es, wenn die Höhe der abziehbaren Aufwendungen so weit wie möglich nach den gleichen Grundsätzen bemessen wird. Denn anderenfalls würde der Streit über den Rechtscharakter der Aufwendungen dem Grunde nach bei der Ermittlung der Höhe der steuermindernd anzuerkennenden Beträge wieder virulent werden. Dieser Auffassung steht auch nicht die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltene ausdrückliche Regelung in § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 EStG entgegen, wonach die Aufwendungen für den Lebensunterhalt nicht abziehbar sind, solange keine auswärtige Unterbringung vorliegt. Es liegt vielmehr nahe, diese Vorschrift über die Nichtabziehbarkeit von Lebenshaltungskosten als eine Ausnahmeregelung zu verstehen, die vor dem Hintergrund zu sehen ist, daß im übrigen - also außerhalb des Bereichs der Lebenshaltungskosten - die Anwendung der für den Werbungskostenabzug geltenden Vorschriften für selbstverständlich gehalten wurde.

b) Es drängt sich auch deshalb auf, die Höhe der jeweils abziehbaren Aufwendungen nach gleichen Grundsätzen zu ermitteln, weil Ausbildungs- und Fortbildungskosten ihrem Wesen nach nicht unterschiedlich, sondern gleichartig sind (vgl. dazu auch Beul in Finanz-Rundschau 1986, 340, 345). Die Berufsausbildung, die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf und die Berufsfortbildung haben das gleiche Ziel, nämlich dem Steuerpflichtigen diejenigen Kenntnisse und Qualifikationen zu verschaffen und zu erhalten, die er für die Erzielung von Einnahmen aus der angestrebten oder ausgeübten Berufstätigkeit benötigt. Die jeweils für die Erlangung der Kenntnisse und Qualifikationen getätigten Aufwendungen sind ihrem Wesen nach gleich. Der Unterschied zwischen Ausbildungskosten und (vorweggenommenen) Werbungskosten liegt vornehmlich in dem mehr oder weniger engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Aufwendungen und dem Zeitpunkt der Einnahmeerzielung und nicht in der Wesensart der entstehenden Kosten.

c) Durch eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften, nach denen eine Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungsdauer vorzunehmen ist, werden auch die anderenfalls auftretenden Folgeprobleme plausibler gelöst oder sogar vermieden.

Nutzt beispielsweise ein Berufstätiger ein abnutzbares Wirtschaftsgut gleichzeitig sowohl in seinem ausgeübten Beruf (Werbungskosten) als auch im Rahmen eines erstmaligen Hochschulstudiums (Ausbildungskosten), so wäre der auf die Ausbildung entfallende Anteil sofort, der auf die berufliche Nutzung entfallende nur in der auf die Nutzungsdauer verteilten Höhe abziehbar. Einleuchtende Gesichtspunkte für diese unterschiedliche Behandlung sind nicht ersichtlich.

Will ein Steuerpflichtiger einen zuvor angeschafften kostspieligen Gegenstand von langer Nutzungsdauer im Rahmen seiner nichtselbständigen Tätigkeit verwenden, so muß er diesen Gegenstand seines Privatvermögens mit demjenigen Wert ansetzen, der sich unter Abzug einer fiktiven AfA ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1989 IX R 109/84, BFHE 156, 417, BStBl II 1989, 922). Hätte er wegen einer Verwendung dieses Gegenstandes zu Ausbildungszwecken die Aufwendungen bereits insgesamt im Jahr der Anschaffung und Zahlung als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit dem Höchstbetrag von 900 DM abziehen müssen, so ergäbe sich das Problem, ob eine Berücksichtigung der Anschaffungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus diesem Grunde von vornherein ausschiede oder aber jedenfalls noch insoweit in Betracht käme, als sich eine Steuerminderung wegen des den Höchstbetrag von 900 DM übersteigenden Teils der Anschaffungskosten überhaupt nicht ergeben hatte.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen über die Nutzungsdauer des angeschafften Computers und darüber getroffen, ob die Klägerin den Computer im Streitjahr tatsächlich nahezu ausschließlich für Zwecke der Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf oder auch zu privaten Zwecken genutzt hat. Es wird dies im zweiten Rechtsgang nachholen müssen.

4. Der VI. Senat konnte die Entscheidung über die sinngemäße Anwendung der für Arbeitsmittel geltenden Vorschriften wegen seiner geschäftsplanmäßigen ausschließlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über die Einkommensteuer (einschließlich Lohnsteuer) betreffend die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und die Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ohne die Zustimmung anderer Senate treffen. Die Auslegung des § 10 EStG im übrigen wird durch dieses Urteil nicht berührt.