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  BFH-Urteil vom 19.5.1993 (I R 60/92) BStBl. 1993 II S. 714

Wechselkursbedingte Wertminderungen eines in französischen Francs gewährten Gesellschafterdarlehens an eine offene Handelsgesellschaft französischen Rechts können nicht gewinnmindernd in der Steuerbilanz des inländischen Gesellschafters geltend gemacht werden.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1993, 10)

Sachverhalt

I.

Streitig ist die ertragsteuerliche Berücksichtigung von Wechselkursverlusten bei der Bewertung eines Gesellschafterdarlehens an eine französische Personengesellschaft.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, war im Streitjahr 1979 zu 49 v. H. am Gesellschaftskapital der offenen Handelsgesellschaft französischen Rechts ("societe en nom collectif") SNC beteiligt. Gegen diese Beteiligungsgesellschaft hatte die Klägerin zum 31. Dezember 1979 in französischen Francs (FF) zahlbare, unverzinsliche Forderungen in Höhe von rd. 490.000 FF. Bei der Bewertung dieser Forderungen zum Umrechnungskurs vom 31. Dezember 1979 ergaben sich gegenüber den Einbuchungs- oder Vorjahreswerten Währungsverluste von 4.350,08 DM und Währungsgewinne in Höhe von 1.924,43 DM. Den Saldo in Höhe von 2.425,65 DM machte die Klägerin als Währungsverlust geltend.

Nach französischem Steuerrecht werden Gesellschafterdarlehen an eine Personengesellschaft als Fremdkapital der Gesellschaft behandelt. Zinsen auf derartige Darlehen sind bei der Personengesellschaft als Betriebsausgaben abziehbar (Art. 39 Nr. 1 Abs. 3 Code Generale des Impots - CGI -).

Nach einer Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Darlehen als Einlage der Klägerin in die SNC. Die aus der Bewertung dieser Darlehen entstandenen Währungsverluste könnten bei der inländischen Besteuerung nicht berücksichtigt werden. Das FA legte diese Auffassung einem geänderten Sammelfeststellungsbescheid für die Gewinne der Jahre 1975 bis 1979 vom 17. Dezember 1985 zugrunde. Auf den Einspruch der Klägerin hob das FA diesen Bescheid für das Streitjahr 1979 aus formellen Gründen auf und erließ am 9. November 1988 einen inhaltlich unveränderten Sammelbescheid für die Feststellungszeiträume 1976 bis 1981. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Verfahrens.

2. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage für das Streitjahr statt (EFG 1993, 10) und verpflichtete das FA, den Gewinn unter Berücksichtigung eines Währungsverlustes von 2.425 DM neu zu berechnen und dabei die Änderung der Gewerbesteuer-Rückstellung zu berücksichtigen.

3. Das FA stützt seine Revision auf Verletzung der §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 4, Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Die Klägerin kann wechselkursbedingte Änderungen im Wert der Darlehensforderungen gegen die SNC nicht gewinnmindernd in ihrer inländischen Steuerbilanz geltend machen.

1. Nach deutschem Steuerrecht gehört die Darlehensforderung der Klägerin gegen die SNC zum notwendigen Betriebsvermögen der SNC.

a) Gewährt der Gesellschafter einer Personengesellschaft seiner Gesellschaft ein Darlehen, so ist die Darlehensforderung in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft Eigenkapital der Gesellschaft (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Dezember 1982 I R 9/79, BFHE 138, 184, BStBl II 1983, 570; vom 22. Mai 1984 VIII R 35/84, BFHE 142, 28, BStBl II 1985, 243, m. w. N.; anderer Ansicht z. B. Brönner/Bareis, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. Aufl., S. 665 f.; Groh, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht - JbFSt - 1983/84, 255, 265 f.). Die Darlehensforderung kann nach dieser aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG abgeleiteten Rechtsprechung nicht in der Steuerbilanz der Klägerin als der Gesellschafterin ausgewiesen werden (BFH-Urteile vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, 522 ff., BStBl II 1979, 750; in BFHE 138, 184, BStBl II 1983, 570; vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84, BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553, 555; vom 14. April 1988 IV R 271/84, BFHE 153, 125, 128, BStBl II 1988, 667; ebenso Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 10. Dezember 1979, BStBl I 1979, 683; Döllerer, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A - DStZ/A - 1976, 435; Uelner, JbFSt 1979/80, 338, 350; Bitz in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 15 Rz. 46; a. A. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht; 8. Aufl., § 11 V; Söffing in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Tz. 364 f.). Die Bilanzierungskonkurrenz ist im Sinne eines Vorrangs der Mitunternehmereigenschaft aufzufassen (BFH vom 18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, 551, BStBl II 1983, 771). Das gilt auch für grenzüberschreitende Beteiligungen an einer Personengesellschaft (BFH in BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211).

b) Aus der Zuordnung eines Gesellschafterdarlehens zum Eigenkapital der darlehensnehmenden Personengesellschaft und aus dem Verbot der Bilanzierung in der Steuerbilanz des Gesellschafters folgt nach deutschem Steuerrecht, daß der Gesellschafter die Forderung weder in seiner eigenen Steuerbilanz noch in der Sonderbilanz über seine Beteiligung an der Personengesellschaft gewinnmindernd wertberichtigen kann (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 1981 IV R 160/76, BFHE 132, 538, BStBl II 1981, 427; vom 12. Juli 1990 IV R 37/89, BFHE 162, 30, 33, BStBl II 1991, 64; ebenso Bitz in Littmann/Bitz/Meincke, a. a. O., § 15 Rz. 74; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz-Körperschaftsteuergesetz, § 15 Rz. 206). Das gilt auch für Wertminderungen aufgrund einer Wechselkursänderung. Es besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen einer zu erwartenden geminderten Darlehensrückzahlung wegen Bonitätsverschlechterung der Personengesellschaft (Darlehensnehmerin) oder wegen veränderter Wechselkurse. In beiden Fällen verändert sich der Rückzahlungsbetrag an den Darlehensgeber-Gesellschafter.

Die Entscheidungen des BFH sind in der Literatur angegriffen worden. Es wird die Auffassung vertreten, daß auch für Gesellschafterforderungen in der Sonderbilanz die allgemeinen Bewertungsvorschriften anzuwenden seien (R. Thiel, Steuer und Wirtschaft 1984, 104; Knobbe-Keuk, a. a. O., § 11 V; Lempenau, Steuerberater-Jahrbuch 1982/83, 201, 221). Der Senat schließt sich jedoch der bisherigen Rechtsprechung an.

2. Der Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Streitfall steht nicht entgegen, daß es sich bei der Darlehensnehmerin um eine Personengesellschaft französischen Rechts (societe en nom collectif) handelt. Zum einen ist § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG und die Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung von Sonderbetriebsvermögen grundsätzlich auch für grenzüberschreitende Beteiligungen anwendbar (vgl. BFH in BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 I R 15/89, BFHE 164, 38, BStBl II 1991, 444). Zum anderen entspricht die societe en nom collectif zivilrechtlich und nach ihrer steuerrechtlichen Behandlung weitgehend dem deutschen Recht. Die Rechtsform führt nach französischem Handelsrecht ebenso wie bei der deutschen offenen Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. des Handelsgesetzbuches - HGB -) zur Vollhaftung der Gesellschafter. Die societe en nom collectif wird auch steuerrechtlich in Frankreich, abgesehen von der Abzugsfähigkeit von Zinsen auf Gesellschafterdarlehen, wie ein Zusammenschluß ihrer Gesellschafter und nicht wie eine Kapitalgesellschaft behandelt. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie nicht für eine Besteuerung nach dem System der Körperschaftsteuer (impot sur les societes) optiert hat (Art. 239 CGI).

3. Der Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Große Senat hat entschieden, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sei bei "doppelstöckigen" Personengesellschaften nicht anwendbar, wenn der Gesellschafter der zwischengeschalteten Obergesellschaft ihm gehörige Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft zur Nutzung überläßt. Im Streitfall wurde das Darlehen jedoch nicht von den Gesellschaftern der Klägerin (Obergesellschaft), sondern von der Klägerin selbst aus ihrem Gesamthandsvermögen gewährt. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist in diesem Fall auch nach der Entscheidung des Großen Senats vom 25. Februar 1991 (a. a. O.) entsprechend seinem Wortlaut anwendbar. Es ist somit ohne Bedeutung, daß der durch das Steueränderungsgesetz - StÄndG - 1992 eingefügte Satz 2 des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1991 enden.

B. Auf die Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens Frankreich (DBA/F) vom 21. Juli 1959/9. Juni 1969 (BStBl II 1961, 343, BStBl I 1970, 902) kommt es hiernach nicht an.

Selbst wenn nach dem DBA/F ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) für Wertänderungen der Darlehensforderung bestehen sollte, können diese Wertänderungen wegen der unter Abschnitt A dargestellten Besonderheiten des anzuwendenden innerstaatlichen Rechts nicht berücksichtigt werden.

C. Die Klägerin kann den vor ihr geltend gemachten Währungsverlust nicht nach § 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abziehen. Der Abzug setzt voraus, daß die Klägerin bei Einkünften aus einer ausländischen Betriebsstätte einschließlich eines Anteils an einer ausländischen Personengesellschaft einen Verlust erlitten hätte, der ohne Steuerbefreiung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) nach den Vorschriften des deutschen EStG ausgeglichen oder abgezogen werden könnte. Das ist nicht der Fall. Zum einen kann nach deutschem Steuerrecht der geltend gemachte Währungsverlust als Verlust im Eigenkapital der Personengesellschaft nicht gewinnmindernd wertberichtigt werden (BFH in BFHE 162, 30, 33, BStBl II 1991, 64, m. w. N.). Im übrigen läge ein Verlust in diesem Sinne nur vor, wenn die gesamten Einkünfte der Klägerin aus ihrer Beteiligung an der SNC negativ gewesen wären. Zu dieser Annahme besteht jedoch kein Anlaß, da die Klägerin im Streitjahr insgesamt positive Einkünfte aus der Beteiligung erzielte.