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  BFH-Urteil vom 5.5.1993 (II R 17/90) BStBl. 1993 II S. 745

Fehlerbeseitigende Fortschreibungen des Einheitswertes für den Grundbesitz sind ohne Rücksicht auf die Zahl der betroffenen Fälle zulässig, es sei denn, daß durch die Fortschreibung einer Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und Verkehrsverhältnisse, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau niedergeschlagen haben, oder einer anderen Beurteilung dieser allgemeinen Wertverhältnisse Rechnung getragen werden soll (Klarstellung der Rechtsprechung zum Verbot der sog. Kollektivfortschreibung).

BewG 1965 § 21 Abs. 1, § 22 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2, § 27.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines mit einem Warenhaus bebauten Grundstückes. Das Gebäude ist mit einer Sprinkleranlage versehen. Durch Bescheid vom 29. Januar 1979 war der Einheitswert für das Betriebsgrundstück auf den 1. Januar 1978 mit 6.217.000 DM festgestellt worden; die Sprinkleranlage war entsprechend dem gleichlautenden Ländererlaß vom 31. März 1967 (BStBl II 1967, 127) nicht im Gebäudewert erfaßt.

Durch Wertfortschreibungsbescheid vom 20. Juni 1986 beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Sprinkleranlage als Teil des Gebäudes und erhöhte den Einheitswert zum 1. Januar 1986 auf 6.395.800 DM. Das FA folgte damit einem Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen, durch den die FÄ angewiesen worden waren, die bisher im Einheitswert der Betriebsgrundstücke nicht enthaltenen Sprinkleranlagen in Warenhäusern entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Oktober 1983 III R 138/80 (BFHE 140, 287, BStBl II 1984, 262) werterhöhend im Wege der fehlerbeseitigenden Fortschreibung zu erfassen.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stehe der Wertfortschreibung im Streitfall nicht entgegen, daß infolge der Anordnung des Finanzministers alle Warenhäuser mit Sprinkleranlagen betroffen seien. Eine fehlerbeseitigende Fortschreibung gemäß § 22 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) sei nicht nur in Einzelfällen zulässig. Jedenfalls unter der Geltung dieser Vorschrift könne sich das FG der früheren Rechtsprechung des BFH zum Verbot der sog. kollektiven Fortschreibung nicht anschließen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 22 Abs. 3 BewG. Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Einheitswertbescheides vom 20. Juni 1986 den Einheitswert auf 6.217.000 DM festzustellen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet; die Vorentscheidung beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 126 Abs. 2, § 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA berechtigt war, durch fehlerbeseitigende Wertfortschreibung die Sprinkleranlage - werterhöhend - in den Gebäudewert einzubeziehen.

1. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG findet eine Wertfortschreibung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Hierunter fällt auch die Berichtigung der aufgrund des BFH-Urteils vom 7. Oktober 1983 III R 138/80 (BFHE 140, 287, BStBl II 1984, 262) als unzutreffend erkannten rechtlichen Beurteilung der Sprinkleranlage als Betriebsvorrichtung, denn Fehler im Sinne der genannten Vorschrift ist jede objektive Unrichtigkeit (BFH-Urteil vom 29. November 1989 II R 53/87, BFHE 159, 215, BStBl II 1990, 149). Zutreffend ist die Fehlerbeseitigung durch den Bescheid vom 20. Juni 1986 auf den 1. Januar 1986 vorgenommen worden (§ 22 Abs. 4 Nr. 2 BewG).

2. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Wertfortschreibung durch den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen ausgelöst worden ist, in dem dieser sämtliche FÄ des Landes angewiesen hat, in allen Fällen die bisher im Einheitswert des Grundbesitzes nicht enthaltenen Sprinkleranlagen in Warenhäusern werterhöhend im Wege der fehlerbeseitigenden Fortschreibung zu erfassen. Der erkennende Senat räumt der Revision zwar ein, daß insbesondere dem BFH-Urteil vom 6. November 1964 III 69/62 U (BFHE 81, 114, BStBl III 1965, 41; s. auch BFH-Urteil vom 18. Oktober 1968 III 225/65, BFHE 94, 142, BStBl II 1969, 63) entnommen werden könnte, daß eine fehlerbeseitigende Fortschreibung nur in Einzelfällen erlaubt sei und daß eine Fortschreibung zur Beseitigung von gleichliegenden Fehlern, die in einer Vielzahl von Fällen unterlaufen sind, nicht erfolgen dürfe (Verbot der sog. kollektiven Fortschreibung). Diese Beurteilung hält jedoch einer näheren Nachprüfung nicht stand. Sie läßt sich weder aus der von dem zitierten Urteil als Beleg angeführten Rechtsprechung ableiten, noch ist sie von Gesetzes wegen gerechtfertigt. Der Senat kommt vielmehr zu dem Ergebnis, daß fehlerbeseitigende Fortschreibungen des Einheitswertes für den Grundbesitz ohne Rücksicht auf die Zahl der betroffenen Fälle zulässig sind, es sei denn, daß durch die Fortschreibung einer Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und Verkehrsverhältnisse, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau niedergeschlagen haben (BFH-Urteile vom 12. März 1982 III R 63/79, BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451, und vom 26. Juli 1989 II R 65/86, BFHE 158, 87, BStBl II 1990, 147), oder einer anderen Beurteilung dieser allgemeinen Wertverhältnisse Rechnung getragen werden soll.

a) Im Urteil vom 7. Mai 1951 III 116/50 S (BFHE 55, 301, BStBl III 1951, 116), das sich zum erstenmal zu der Frage der später so genannten Kollektivfortschreibung geäußert hatte, führte der BFH aus, daß die vom Reichsfinanzhof (RFH) im Urteil vom 31. März 1938 III 303/37 (RFHE 43, 325) anerkannte Berichtigung unrichtiger Einheitswerte durch Wertfortschreibung mit Wirkung für die Zukunft nach Tatbestand und Gründen dieses Urteils nur die Berichtigung von Einzelfällen betroffen habe, in denen Fehler bei der Einheitswertfeststellung vorgekommen seien. Dagegen werde die allgemeine Wertfortschreibung der Einheitswerte sämtlicher oder doch nahezu sämtlicher wirtschaftlicher Einheiten oder Untereinheiten, hier der gärtnerischen Betriebe im Bezirk einer Oberfinanzdirektion, durch das Urteil des RFH nicht gedeckt. Die Grenze zwischen Einzelfällen, in denen die Wertfortschreibung zulässig sei, und einer Vielheit von Fällen, in denen sie nicht mehr zulässig sei, möge mitunter nicht leicht zu ziehen sein. Es könne aber keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß mit den hier in Frage kommenden Wertfortschreibungen der Einheitswerte gärtnerischer Betriebe die Grenze des Zulässigen überschritten und die Wertfortschreibung des gärtnerischen Betriebs des Beschwerdeführers nicht mehr zu vertreten sei.

Der Wortlaut der Entscheidungsgründe - auch wenn der Berichtigung von Einzelfällen die allgemeine Wertfortschreibung gegenübergestellt wird - steht zwar dem Verständnis nicht entgegen, daß es maßgebend auf die Zahl, die Quantität der betroffenen Fälle ankomme. Jedoch läßt der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt erkennen, daß nicht die Quantität, sondern die besondere Art, die Qualität der Fortschreibung für die Entscheidung maßgebend war, denn die angeordnete und vom FA vorgenommene Wertfortschreibung beruhte auf einer anderen Beurteilung der für die Bewertung maßgebenden allgemeinen Verhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunktes. Für den Betrieb des Beschwerdeführers war der Einheitswert auf den 1. Januar 1935 zunächst gemäß einer Verfügung des Präsidenten des Landesfinanzamts vom 22. November 1935 nach den für die Einheitsbewertung 1931 erlassenen Richtlinien für die Bewertung gärtnerischer Betriebe bewertet worden. Durch Verfügungen vom 9. März 1944 und vom 16. August 1948 wurde durch den zuständigen OFD-Präsidenten eine Überprüfung der Einheitswerte der gärtnerischen Betriebe vom 1. Januar 1935 und Wertfortschreibungen zu dem Zweck angeordnet, die nach seiner Auffassung unrichtigen Bewertungen aufgrund der Bewertungsrichtlinien 1931 zu beseitigen und durch richtige Bewertungen gemäß den Bewertungsrichtlinien 1935 mit Wirkung vom Fortschreibungszeitpunkt für die Zukunft zu ersetzen.

Die BFH-Urteile vom 19. September 1952 II 224/51 U (BFHE 56, 741, BStBl III 1952, 284) und vom 27. November 1953 III 210/52 U (BFHE 58, 250, BStBl III 1954, 11) weisen unter Bezugnahme auf das Urteil in BStBl III 1951, 116 darauf hin, daß eine "allgemeine" Fortschreibung der Einheitswerte unzulässig sei, geben aber keinen Aufschluß darüber, ob dies von der Zahl der Betroffenen oder von einer bestimmten Qualität der Fortschreibung abhängen soll (für die erstgenannte Entscheidung war die Frage der Zulässigkeit einer allgemeinen Fortschreibung im übrigen nicht entscheidungserheblich; der der zweiten zugrunde liegende Sachverhalt war allerdings dem dem Urteil in BStBl III 1951, 116 zugrunde liegenden Sachverhalt vergleichbar). Eine Klärung ergibt sich jedoch aus dem Urteil vom 6. August 1954 III 10/53 S (BFHE 59, 226, BStBl III 1954, 298), denn dort wird unter Hinweis auf § 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) 1935 und die BFH-Urteile in BStBl III 1951, 116, sowie vom 2. Oktober 1953 III 194/52 (BFHE 58, 153, BStBl III 1953, 350) ausgeführt, daß Wertfortschreibungen von Grundstücken nicht zulässig seien, wenn sie im Zuge einer grundsätzlichen Entwicklung der Wertverhältnisse für beträchtliche Teile des Bundesgebietes in Frage kommen und damit praktisch eine Hauptfeststellung ersetzen würden, die vom Gesetzgeber nur für Hauptfeststellungszeitpunkte vorgesehen sei. Diese Ausführungen machen deutlich, daß nach der früheren Rechtsprechung des BFH nicht die Zahl der (möglichen) Fälle maßgebend dafür war, ob eine Wertfortschreibung einer Hauptfeststellung gleichzuachten war, sondern daß entscheidend war, ob der Grund für die Fortschreibung die allgemeinen Wertverhältnisse betraf.

b) Dies entspricht der Regelung (auch) des BewG 1965. Nach dessen § 22 Abs. 3 findet eine Wertfortschreibung zur Beseitigung aller objektiven Unrichtigkeiten der letzten Feststellung statt. Eine Beschränkung auf bestimmte Fehler enthält die Vorschrift nicht. Nach § 22 Abs. 4 Satz 2 werden der Wertfortschreibung, vorbehaltlich des § 27 BewG, die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt. Hieraus wird deutlich, daß fehlerbeseitigende Fortschreibungen grundsätzlich immer zulässig sind, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 BewG erfüllt sind und (nur) dann nicht in Betracht kommen, wenn ihr Grund in der Änderung der allgemeinen Wertverhältnisse liegt, denn § 27 BewG 1965 bestimmt (ähnlich bereits § 3 a Abs. 1 BewDV 1935), daß die Wertverhältnisse vom letzten Hauptfeststellungszeitpunkt für den ganzen Hauptfeststellungszeitraum gelten. Sie sind also bei Fortschreibungen zugrunde zu legen. Veränderungen dieser Verhältnisse dürfen sich innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes nicht auswirken (BFH-Urteil vom 12. März 1982 III R 63/79, BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451; vgl. auch BFH-Urteile vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151, und - zu § 22 BewG 1935, § 3 a BewDV 1935 - in BStBl III 1953, 350). Dem ist eine spätere abweichende Beurteilung dieser Wertverhältnisse gleichzustellen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der Berichtigung von Fehlern, die eine größere Zahl von Steuerpflichtigen betreffen, auch nicht der Wortlaut des § 22 Abs. 3 BewG in Verbindung mit dem Einleitungssatz des § 21 Abs. 1 BewG entgegen, weil gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BewG "die Einheitswerte allgemein" festgestellt würden, während gemäß § 22 Abs. 3 BewG "der Einheitswert" fortgeschrieben werde. Der hierdurch beschriebene Gegensatz zwischen einer Hauptfeststellung nach § 21 BewG und einer (Wert-)Fortschreibung nach § 22 BewG ist nicht - wegen der Verwendung des Wortes "allgemein" - durch die unterschiedliche Zahl der Feststellungen gekennzeichnet, sondern durch den Anlaß, der zu den Feststellungen führt. Während die Fortschreibung nach § 22 BewG besondere - in den Verhältnissen der jeweiligen wirtschaftlichen Einheiten liegende - Gründe erfordert und nur für die Fälle vorgenommen wird, in denen solche Gründe gegeben sind, wird die Hauptfeststellung unabhängig von solchen besonderen Gründen für alle wirtschaftlichen Einheiten - allgemein - vorgenommen, um insbesondere die Änderung der Wertverhältnisse zu erfassen.

3. Im Streitfall liegt der Grund für die vom FA vorgenommene Wertfortschreibung nicht in einer Änderung der allgemeinen Wertverhältnisse, nämlich der allgemeinen wirtschaftlichen, politischen und Verkehrsverhältnisse, wie sie sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau niederschlagen (BFH-Urteil in BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451). Hierunter fällt nicht die Veränderung der rechtlichen Beurteilung, nach der eine Sprinkleranlage nicht zu den Betriebsvorrichtungen (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG), sondern als Gebäudebestandteil zum Grundvermögen (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG) zählt.

4. Die von der Revision hilfsweise beantragte Zurückverweisung kommt nicht in Betracht. Weder mangelt es der Vorentscheidung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen, noch sind in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht worden (§ 118 Abs. 2 FGO).