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  BFH-Urteil vom 17.6.1993 (IV R 110/91) BStBl. 1993 II S. 752

Erwirbt ein Landwirt einen weiteren selbständigen landwirtschaftlichen Betrieb in der erklärten Absicht, ihn alsbald als eigenständigen Betrieb zu bewirtschaften, kommt es selbst dann zur Bildung von Betriebsvermögen, wenn die Absicht wieder aufgegeben wird, ihrer alsbaldigen Verwirklichung aber keine Hindernisse entgegenstanden (Fortführung von BFH-Urteil vom 12. September 1991 IV R 14/89, BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134).

EStG § 4 Abs. 1, § 13.

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschaften in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Ehegattenhof mit Obstanbau und Baumschule in G. Mit notariellem Vertrag vom 8. Februar 1978 erwarben sie etwa 60 km von G entfernt in B einen ca. 61,5 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb für 1,6 Mio DM, darunter auch kleinere Obstbauflächen. Bei Abgabe des notariell beurkundeten Kaufangebotes vom 20. Dezember 1977 hatten die Kläger erklärt, daß sie die erworbenen Flächen in Eigennutzung zu nehmen beabsichtigten. Nach dem Erwerb beantragten die Kläger Befreiung von der Grunderwerbsteuer für die erworbenen Flächen. Den in diesem Zusammenhang erforderlichen Antrag auf eine sog. Zweckdienlichkeitsbescheinigung an das Amt für Agrarstruktur begründeten sie damit, daß etwa 30 ha als Baumschule und die übrigen 30 ha als Obstanbaufläche genutzt werden sollen. Weiter heißt es dort:

" ....

c) Es sollen in B Wohn- und Wirtschaftsgebäude errichtet werden.

d) Die Bewirtschaftung erfolgt direkt von dort.

e) Durch die zentrale Bewirtschaftung von Baumschule und Obstanbau an nur einer Stelle glauben wir, eine wesentliche Verbesserung der Betriebsstruktur gegenüber der derzeitigen Bewirtschaftung in G zu erreichen."

Mit Ausnahme der Wasserflächen und Gebäude waren die Flächen wie bereits zuvor an diverse umliegende Landwirte zur Heuwerbung verpachtet. Schriftliche Pachtverträge bestanden nicht.

Das Amt für Agrarstruktur versagte den Klägern die Zweckdienlichkeitsbescheinigung. Es vertrat die Auffassung, daß durch den Erwerb die allgemeine Agrarstruktur nicht verbessert werde, und führte in diesem Zusammenhang aus, daß es sich nicht um eine Aufstockung des bestehenden Betriebes in G, sondern um den Erwerb eines zweiten gesonderten Betriebes handele. Zur beabsichtigten Nutzung der Flächen in B haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) erklärt, sie hätten den Betrieb in G aufgegeben und vollständig nach B verlagern wollen. Nach dem Erwerb hatten die Kläger 3,7 ha der zugekauften Fläche in B im Rahmen ihres Betriebes in G bilanziert. Die Restfläche behandelten sie als Privatvermögen.

Mit Vertrag vom 10. Februar 1980 - also zwei Jahre und zwei Tage nach dem Erwerb - veräußerten die Kläger den Betrieb in B für 2,44 Mio DM. Sie erklärten das damit, daß die Klägerin einen ca. 30 ha großen Betrieb von ihrem Onkel erhalten habe, der nur 15 km von G entfernt sei und deshalb von der Entfernung und von der Bodenbeschaffenheit her besser zu nutzen sei als der Betrieb in B.

Die Kläger gaben in ihrer Feststellungserklärung an, durch die Veräußerung einen Gewinn in Höhe von 126.766,53 DM für die bilanzierten Flächen von 3,7 ha erzielt zu haben. Nach einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Veräußerung des gesamten landwirtschaftlichen Anwesens in B als Veräußerung eines selbständigen landwirtschaftlichen Betriebes und ermittelte einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe von 842.470,70 DM. Im Einspruchsverfahren sah dann das FA den Gewinn aus der Veräußerung der Flächen in B - nach entsprechendem Hinweis - als laufenden Gewinn an.

Mit der Klage machten die Kläger geltend, sie hätten den Betrieb in B für ihr Privatvermögen erworben. Es habe sich nicht um notwendiges Betriebsvermögen gehandelt, weil der Betrieb in B beim Erwerb und bis zur Veräußerung parzellenweise mit unterschiedlicher Dauer verpachtet gewesen sei. Die erworbenen Flächen hätten daher dem Betrieb in G nicht unmittelbar gedient. Eine Bewirtschaftung der Flächen von G aus wäre wegen der Entfernung von 60 km nicht möglich, zumindest aber betriebswirtschaftlich unvernünftig gewesen. Die Flächen in B bestünden aus schweren Marschböden, die für Baumschulen nicht geeignet seien. Sie hätten daher den Betrieb außer den genannten 3,7 ha auch als Privatvermögen behandelt. Sie hätten allerdings beabsichtigt, dort einen selbständigen Betrieb zu gründen. Für die Behandlung der Flächen als Betriebsvermögen oder Privatvermögen sei diese Absicht jedoch unerheblich.

Das FA ist dieser Auffassung mit der Begründung entgegengetreten, die jetzigen Angaben der Kläger stünden im Widerspruch zu ihren Angaben in dem Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung.

Zwar habe das Amt für Agrarstruktur angenommen, die Voraussetzung für eine grunderwerbsteuerbegünstigte Betriebsaufstockung läge nicht vor. Die Kläger hätten den Sachverhalt aber so dargestellt, als seien die Flächen in B durchaus geeignet, dem bereits vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb in G zu dienen. Trotz der Versagung der Zweckdienlichkeitsbescheinigung sei die zunächst beabsichtigte betriebliche Nutzung entscheidend für die Eigenschaft als Betriebsvermögen.

Das FG hat der Klage teilweise mit der Begründung stattgegeben, zwar seien die von den Klägern erworbenen Flächen in B notwendiges Betriebsvermögen geworden. Sie seien jedoch als eigenständiger Betrieb anzusehen und der anläßlich der Veräußerung 1980 erzielte Erlös als Veräußerungsgewinn mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen (§ 14 i. V. m. § 16 Abs. 3, § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht.

Sie halten für entscheidend, ob die Grundstücke, die nach den Feststellungen des FG für einen eigenständigen Betrieb, nicht jedoch für den bestehenden Betrieb erworben seien, bereits mit dem Erwerb notwendiges Betriebsvermögen geworden seien. Das sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht der Fall. Im Fall des Urteils vom 20. April 1989 IV R 95/87 (BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863) habe der erkennende Senat offengelassen, ob ein erworbener land- und forstwirtschaftlicher Betrieb von Anfang an notwendiges Betriebsvermögen sein könne, wenn der Steuerpflichtige den Betrieb zwar mit der bekundeten Absicht erwerbe, ihn alsbald selbst zu übernehmen, aber nicht sofort selbst bewirtschafte und seine Absicht erst später verwirkliche. Im Fall des Senatsurteils vom 12. September 1991 IV R 14/89 (BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134) sei es nur darum gegangen, ob der hinzuerworbene Hof Teil eines bereits bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Steuerpflichtigen geworden sei. Dagegen seien im Streitfall die strittigen Grundstücke als eigenständiger Betrieb erworben worden. In einem solchen Fall genüge die bloße Absicht, ihn in Eigenbewirtschaftung zu nehmen, nicht; mit der Verwirklichung dieser Absicht hätten sie noch nicht begonnen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Kläger in B einen landwirtschaftlichen Betrieb begründen wollten, daß die erworbenen Flächen deshalb Betriebsvermögen bildeten, und daß ihre Veräußerung zu einem bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuernden Veräußerungsgewinn geführt hat.

1. Wer einen landwirtschaftlichen Betrieb als Inhaber führt, erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Solche Einkünfte können in Gestalt von Gewinnen und Verlusten aber auch schon aus Maßnahmen entstehen, die der Vorbereitung der werbenden Tätigkeit dienen und mit dieser in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen; hierzu zählen alle Maßnahmen, die auf die Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit gerichtet sind. Einkommensteuerrechtlich beginnt der Betrieb bereits mit den Vorbereitungshandlungen (BFH-Urteile vom 30. November 1977 I R 115/74, BFHE 124, 52, BStBl II 1978, 193; vom 17. März 1981 VIII R 149/78, BFHE 133, 44, BStBl II 1981, 522; vom 15. April 1992 III R 96/88, BFHE 168, 133, BStBl II 1992, 819). Solche Vorbereitungshandlungen haben die Kläger vorgenommen.

a) Sie haben die Flächen in B erworben, um darauf einen selbständigen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Dies hat das FG in einer den Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) aus dem Verhalten der Kläger gefolgert.

Danach haben die Kläger sowohl in ihrer Voranfrage an das Amt für Agrarstruktur als auch im notariellen Kaufangebot auf die beabsichtigte landwirtschaftliche Nutzung der Flächen hingewiesen. Die Kläger versicherten in diesem Zusammenhang, das Amt für Agrarstruktur habe sich bereit erklärt, eine Bestätigung gemäß Runderlaß vom 4. August 1975 abzugeben. Sie haben sogar eine pachtweise Nutzung der Flächen vor Abschluß des Kaufvertrages in Aussicht genommen. Hierzu heißt es im Angebot: "Die Käufer beabsichtigen, aufgrund eines noch zu schließenden längerfristigen Pachtvertrages bereits vor Annahme des Vertragsangebotes in eine Nutzung des Grundbesitzes einzutreten, da sie selbst Pachtländereien abgeben müssen." Zum Abschluß des Pachtvertrages ist es nur deshalb nicht gekommen, weil die Verkäufer das Angebot der Kläger alsbald angenommen haben. Im Anschluß an den Erwerb haben die Kläger sodann sowohl gegenüber der Grunderwerbsteuerstelle des FA als auch gegenüber dem Amt für Agrarstruktur im einzelnen ihre Nutzungsabsicht und die Beweggründe für den Erwerb des Betriebs in B dargelegt. Sie haben dabei versichert, "das gekaufte Land selbst bewirtschaften zu wollen", und im einzelnen erläutert, welche Bewirtschaftung geplant sei. In diesem Zusammenhang haben sie die Schwierigkeiten bei der Führung des Betriebs in G geschildert und dagegen die Vorteile einer Bewirtschaftung des Betriebs in B mit Obstbau und Baumschulanlagen hervorgehoben. Als Obstbaubetrieb war der Hof in B auch geeignet und die Kläger zur Eigenbewirtschaftung auch in der Lage.

Das FG hat auch die Möglichkeit verneint, daß die Kläger ihre Absichten vor dem Erwerb der Grundflächen aufgegeben haben. Vielmehr haben die Kläger ihren Antrag gegenüber dem Amt für Agrarstruktur auch nach dem Erwerb der Grundstücke aufrechterhalten. Hinsichtlich einer Teilfläche von 3,7 ha haben sie ihre Absicht auch in der Weise realisiert, daß sie sie ihrem Betrieb in G als Betriebsvermögen zugeordnet haben. Entgegen der Auffassung der Revision kommt auch der Erwerb der Grundstücksflächen als Vorbereitungshandlung in Betracht. Gerade mit dieser wirtschaftlich entscheidenden Handlung haben sie ihren Willen, in B einen landwirtschaftlichen Betrieb zu begründen, auch nach außen dokumentiert.

b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die erworbenen Flächen überwiegend noch verpachtet waren. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134 ausgeführt hat, ist ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb auch dann vorhanden, wenn der erwerbende Landwirt zwar an der unmittelbaren Bewirtschaftung durch eine Verpachtung gehindert ist, er aber den Grund und Boden in der bekundeten Absicht erworben hat, die Bewirtschaftung alsbald zu übernehmen, und dieser Bewirtschaftungswille sich auch in einem überschaubaren Zeitraum verwirklichen läßt. Da nach den Feststellungen des FG schriftliche Pachtverträge nicht bestanden, die Flächen - mit Ausnahme der Fläche von 3,7 ha, der Wasserflächen und der Gebäude - vielmehr lediglich zur Heuwerbung an Landwirte verpachtet waren, hätten die Kläger die Pachtverträge jährlich kündigen können (vgl. §§ 566, 581 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; s. auch §§ 585 a, 594 a Abs. 1 BGB in der ab 8. November 1985 geltenden Fassung). Rechtliche Hindernisse standen der Aufnahme der Nutzung nicht im Wege. Die beim Amt für Agrarstruktur beantragte Bescheinigung hatte nur für die Erhebung der Grunderwerbsteuer Bedeutung.

2. Diese Würdigung steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat allerdings in seinem Urteil in BFHE 157, 365, BStBl II 1989, 863 ausgeführt, daß ein Nichtlandwirt, der ein landwirtschaftliches Anwesen erwirbt und in unmittelbarem Anschluß an den Erwerb verpachtet, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Damit ist der Streitfall aber nicht vergleichbar. Er entspricht vielmehr im wesentlichen dem Sachverhalt, der dem Urteil in BFHE 165, 518, BStBl II 1992, 134 zugrunde lag. Hier war ein landwirtschaftlicher Betrieb erworben worden, der im ganzen an einen Pächter für noch neun Jahre verpachtet war. Der Senat hat entschieden, daß der Kläger seit dem Erwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt habe, weil er den Willen zur eigenbetrieblichen Nutzung der Flächen eindeutig bekundet und sofort die notwendigen Schritte eingeleitet habe, um diese Absicht zu verwirklichen.

3. Das FG hat die spätere Veräußerung der erworbenen Grundstücke als Betriebsveräußerung i. S. der §§ 14, 16, 34 EStG beurteilt. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Rechtsprechung hat die Tarifbegünstigung auch für den Gewinn aus der Veräußerung eines im Aufbau befindlichen Betriebs gewährt, wenn mit den veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen ein Betrieb tatsächlich geführt werden könnte (BFH-Urteile vom 1. Februar 1989 VIII R 33/85, BFHE 156, 158, BStBl II 1989, 458, und vom 7. November 1991 IV R 50/90, BFHE 166, 448, BStBl II 1992, 380). So liegt es im Streitfall. Mangels einer Aufgabehandlung muß davon ausgegangen werden, daß die veräußerten Wirtschaftsgüter ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen noch bis zur Veräußerung behalten haben.