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  BFH-Urteil vom 13.5.1993 (IV R 1/91) BStBl. 1993 II S. 828

1. Als Folgebescheid des Gewerbesteuer-Meßbescheids ist der Zerlegungsbescheid zugleich Grundlagenbescheid des Gewerbesteuerbescheids. Damit unterliegt er der Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 AO 1977, wenn er aufgrund einer Außenprüfung ergangen ist.

2. Wird die Prüfung der Gewerbesteuer angeordnet, so umfaßt die Außenprüfung auch die Zerlegung der Gewerbesteuer. Die tatsächliche Durchführung einer Außenprüfung setzt nicht voraus, daß bisher nicht bekannte Tatsachen festgestellt werden, die zu einer Änderung des Steueranspruchs führen (Anschluß an BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 167/86, BFHE 160, 504, BStBl II 1990, 772).

AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 171 Abs. 4 und Abs. 10, §§ 184, 185; GewStG §§ 28 ff.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt in A ein Hoch- und Tiefbauunternehmen mit Betriebsstätten in B, C und D.

Aufgrund der für die Streitjahre 1982 und 1983 eingereichten Gewerbesteuererklärungen setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf 115.927 DM und 35.775 DM fest. Die entsprechenden Zerlegungsbescheide ergingen am 16. Juli und am 31. August 1984; Zerlegungsmaßstab war das Verhältnis der Betriebseinnahmen.

Am 8. Januar 1985 ordnete das FA eine Betriebsprüfung an, die u. a. die Gewerbesteuer 1980 bis 1983 umfassen sollte. Nach erfolgter Prüfung wurden die Gewerbesteuermeßbeträge durch Änderungsbescheide für die Streitjahre 1982 und 1983 um 41.527 DM und 25.315 DM auf 157.454 DM und 61.090 DM erhöht. Während für die Jahre 1980 und 1981 aufgrund der ebenfalls geänderten Meßbescheide im Juli 1985 entsprechend geänderte Zerlegungsbescheide ergingen, unterblieb dies für die Streitjahre. Aus Anlaß einer Folgeprüfung wurde dieses Versäumnis festgestellt. Das FA erließ daraufhin am 27. April 1989 Zerlegungsbescheide und verteilte die Meßbeträge ebenfalls nach dem Verhältnis der Betriebseinnahmen. Erst im Einspruchsverfahren verwies das FA auf die Berichtigungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, die Zerlegungsbescheide vom 27. April 1989 seien erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden und daher rechtswidrig.

Die Frist für den Erlaß von Zerlegungsbescheiden für den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag der Jahre 1982 und 1983 habe mit Ablauf der Jahre 1986 und 1987 geendet (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 1 AO 1977), da die Gewerbesteuer nach § 18 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1978 mit Ablauf des Erhebungszeitraums entstehe und die reguläre Frist vier Jahre betrage.

Die vor Fristablauf im Jahre 1985 begonnene Betriebsprüfung habe den Ablauf der Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe der Grundlagenbescheide gehemmt, soweit die einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide für die Zerlegungsbescheide bindend gewesen seien (§ 171 Abs. 10 AO 1977). Die Festsetzungsfrist für die Zerlegungsbescheide sei nicht nach § 171 Abs. 4 AO 1977 zu berechnen, denn eine Außenprüfung, die sich auf Sachverhalte eines Grundlagenbescheids erstrecke, hemme die Festsetzungsfrist für Folgebescheide nicht (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. April 1989 VIII R 265/84, BFHE 156, 371, BStBl II 1989, 593). Die Regelung des § 171 Abs. 4 AO 1977 sei nur vorrangig gegenüber § 171 Abs. 10 AO 1977 anzuwenden, wenn der angefochtene Zerlegungsbescheid seinerseits als Grundlagenbescheid aufgrund der Betriebsprüfung erlassen worden sei. Zerlegungsbescheide seien zwar sowohl Grundlagen- als auch Folgebescheide. Im Streitfall seien sie nach ihrem konkreten Inhalt jedoch nur als Folgebescheide zu beurteilen, weil sie die prüfungsbedingt erhöhten Meßbeträge nach dem unveränderten Maßstab, der Summe der Betriebseinnahmen, zerlegt hätten.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß das FA die angefochtenen Zerlegungsbescheide erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen hat.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 184, 185 AO 1977 ist der Erlaß eines Zerlegungsbescheids nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß die Frist für den Erlaß der Zerlegungsbescheide 1982 und 1983 nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 1 AO 1977 ohne Rücksicht auf verjährungshemmende Maßnahmen mit dem Jahresende 1986 bzw. 1987 abgelaufen wäre. Im Gegensatz zu § 14 a GewStG i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1985 vom 14. Dezember 1984 (BGBl I, 1493, BStBl I, 659) sah § 25 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) keine ausdrückliche Pflicht zur Abgabe von Zerlegungserklärungen vor. Ob daher die Festsetzungsfrist erst später mit Ablauf des Kalenderjahres begonnen hat, in dem die Zerlegungserklärungen abgegeben wurden (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977), und dementsprechend später ablief, kann jedoch dahinstehen. Das FA hat bereits im Jahre 1985, und damit vor Ablauf der erstgenannten Fristen, mit einer Außenprüfung begonnen, so daß der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO 1977 gehemmt wurde. Die Vorschrift bestimmt, daß die Festsetzungsfrist für die Steuern nicht abläuft, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, bevor die aufgrund der Prüfung zu erlassenden Bescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 drei Monate verstrichen sind. In diesem Fall endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlußbesprechung stattgefunden hat, die in § 169 Abs. 2 AO 1977 genannten Fristen verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 3 erster Halbsatz AO 1977). Die angefochtenen Zerlegungsbescheide sind am 27. April 1989 und damit noch vor Ablauf der in § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 bestimmten Vierjahresfrist ergangen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sich die Außenprüfung auch auf die streitige Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge erstreckt. Die Prüfungsanordnung betraf die Gewerbesteuer 1980 bis 1983 und damit alle Sachverhalte, die für die Besteuerung nach dem GewStG maßgebend waren. Nach Auffassung des Senats gehört hierzu insbesondere die Zerlegung der Gewerbesteuer nach §§ 28 ff. GewStG. Nach dem Gesetz ist es nicht erforderlich, daß sich die Prüfungsanordnung - wie die Klägerin meint - ausdrücklich auch auf die Zerlegung erstrecken müsse. Nach § 194 Abs. 1 AO 1977 und § 5 Abs. 2 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - (i. V. m. Art. 108 Abs. 7 des Grundgesetzes - GG -) kann sich eine Außenprüfung zwar auf bestimmte Sachverhalte, wie die Gewerbesteuerzerlegung, beschränken. Umfaßt die Prüfung jedoch eine bestimmte Steuerart, so unterliegen alle für diese Steuerart maßgebenden Verhältnisse der Prüfung; die Prüfungsanordnung ist in diesem Fall auch insoweit hinreichend bestimmt, als sie die Prüfung der Zerlegung umfaßt, ohne sie ausdrücklich anzuordnen.

Auch tatsächlich hat die Prüfung die Zerlegung der Gewerbesteuer umfaßt, denn eine Außenprüfung erstreckt sich auf alle Steueransprüche, bezüglich derer Maßnahmen i. S. der §§ 193 ff. AO 1977 ergriffen werden, die auf die Ermittlung des Steueranspruchs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerichtet sind (§ 194 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Dies hat der BFH zu § 146 a Abs. 3 der Reichsabgabenordnung entschieden (Urteil vom 11. April 1990 I R 167/86, BFHE 160, 504, BStBl II 1990, 772); es gilt gleichermaßen für die insoweit unveränderte Vorschrift des § 171 Abs. 4 AO 1977. Die tatsächliche Durchführung einer Außenprüfung setzt danach nicht voraus, daß bisher nicht bekannte Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich eine geänderte Steuerfestsetzung ergibt; denn wie der in § 171 Abs. 4 AO 1977 enthaltene Hinweis auf § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zeigt, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch in einem solchen Fall gehemmt (BFH in BFHE 160, 504, BStBl II 1990, 772).

Das FG geht zu Unrecht davon aus, im Streitfall sei die Anwendung des § 171 Abs. 4 AO 1977 durch § 171 Abs. 10 AO 1977 ausgeschlossen. Nach § 171 Abs. 10 AO 1977 endet die Frist für die Festsetzung einer Steuer, für die ein Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Dem FG ist zwar zuzugeben, daß der einheitliche Gewerbesteuermeßbescheid Grundlagenbescheid für den Zerlegungsbescheid ist, soweit dieser an einen geänderten Gewerbesteuermeßbescheid anzupassen ist. Die angefochtenen Zerlegungsbescheide wären daher als Folgebescheide der im Jahre 1985 bekanntgegebenen Gewerbesteuermeßbescheide verspätet ergangen. Zerlegungsbescheide sind jedoch zugleich Grundlagenbescheide im Verhältnis zu den Gewerbesteuerbescheiden. Sie schieben sich gleichsam zwischen Steuermeßbescheid und Realsteuerbescheid (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., Vorbemerkung zu § 185 AO 1977). Als unabdingbare Voraussetzung einer Steuerfestsetzung durch die realsteuerberechtigte Gemeinde ist der Zerlegungsbescheid in jedem Fall Grundlagenbescheid, auch wenn eine Änderung der Zerlegung nur zur Anpassung an einen geänderten Gewerbesteuermeßbescheid erforderlich sein sollte. In dieser Eigenschaft ergeht der Zerlegungsbescheid daher stets aufgrund einer Außenprüfung i. S. des § 171 Abs. 4 AO 1977, es sei denn, der sachliche Umfang der Prüfung sei entsprechend eingeschränkt worden.

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).