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BFH-Urteil vom 23.10.1992 (VI R 65/91) BStBl. 1993 II S. 844

Der Vertrauensschutz des § 176 Abs. 2 AO 1977 greift auch dann ein, wenn Lohnsteuer mit einem Pauschalierungsbescheid nacherhoben wird, weil die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers in den zuvor ergangenen Lohnsteueranmeldungen nicht zutreffend einbehalten oder übernommen worden war (Anschluß an BFH-Urteile vom 15. Mai 1992 VI R 106/88, BFHE 168, 532, BStBl II 1993, 840, und VI R 183/88, BFHE 168, 505, BStBl II 1993, 829).

AO 1977 § 176 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt ein Unternehmen des Rohrleitungs-, Stahl- und Apparatebaus. In den Jahren 1978 bis 1980 führte sie für die Firma M-AG (folgend AG) in Subunternehmerschaft Arbeiten beim Bau eines Kraftwerkes in Griechenland aus. Dazu hatte sie durchschnittlich 36 Arbeitnehmer eingesetzt.

Bei einer im Jahre 1981 vorgenommenen Lohnsteuer-Außenprüfung für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 30. November 1980 stellte der Prüfer fest, daß die AG an die Arbeitnehmer der Klägerin Auslösungen in Höhe von rd. 50 DM täglich und daneben die Klägerin in Höhe von rd. 35 DM täglich auf inländische Gehaltskonten der Arbeitnehmer gezahlt hatte. Insgesamt erhielten die Arbeitnehmer damit Auslösungen etwa in Höhe der Dienstreisepauschalen nach Abschn. 25 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien 1978 (LStR). Der Prüfer ging davon aus, daß die Mehrzahl der in Griechenland eingesetzten Arbeitnehmer ausschließlich für die dortige Montagestelle eingestellt und unmittelbar nach Beendigung der Arbeiten wieder entlassen worden sei. Für eine derartige Fallgestaltung komme die Dienstreisefiktion des Abschn. 25 Abs. 2 Satz 11 LStR - Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte am Betriebssitz der Klägerin im Inland - nicht zum Tragen; es hätten nur die bei einer doppelten Haushaltsführung anzusetzenden Beträge bezahlt werden dürfen. Insgesamt seien - bis auf zwei Fälle - sämtliche von der Klägerin im Inland überwiesenen Auslösungen nachzuversteuern.

Auf den errechneten Auslösungsbetrag von 192.138 DM wandte der Prüfer, da die KG einer Pauschalierung zugestimmt hatte, einen Nettosteuersatz, und zwar in Höhe von 60,51 v. H., an, was eine Nachforderung in Höhe von 116.262,70 DM Lohnsteuer, 2.712,79 DM ev. Kirchensteuer und 5.425,59 DM röm. kath. Kirchensteuer ergab. U. a. diese Beträge forderte das Finanzamt (FA) N mit Pauschalierungsbescheid vom 7. Juli 1981 an. Auf den Einspruch teilte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das FA) in der Einspruchsentscheidung den bisherigen Pauschalierungsbescheid in einen Haftungs- und einen Pauschalierungsbescheid auf und erhob in letzterem für die Auslösungen nach Neuberechnung der Beträge pauschale Lohnsteuer mit einem Bruttosteuersatz von 37,7 v. H.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, zwar hätten die betreffenden Arbeitnehmer weder Dienstreisen durchgeführt, noch seien solche zu fingieren. Es seien aber die bei der doppelten Haushaltsführung vorgesehenen Beträge ungekürzt anzusetzen.

Ungeachtet dessen, wieviele Arbeitnehmer vor und nach dem Montageeinsatz im Ausland bei der Klägerin beschäftigt gewesen seien, hätten sie jedenfalls keine Dienstreisen durchgeführt. Denn es sei keine von der tatsächlichen Arbeitsstätte abweichende regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden gewesen. Bei auf auswärtigen Bau- und Montagestellen tätigen Arbeitnehmern könne der Firmensitz nur dann als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen werden, wenn dort vorübergehend Tätigkeiten verrichtet würden, die mit der in der Bauund Montagestelle erbrachten im Zusammenhang ständen. Solche seien nicht erfolgt. Im übrigen sei der fünfmonatige Aufenthalt auch kein "vorübergehender" gewesen.

Die Dienstreisefiktion des Abschn. 25 Abs. 2 Satz 11 LStR habe die Rechtsprechung zu Recht abgelehnt, da sie dem Dienstreisebegriff widerspreche. Ob die Voraussetzungen der Dienstreisefiktion vom FA im Streitfall zu Recht in Zweifel gezogen würden, könne dahinstehen. Die Übergangsregelung im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 16. Oktober 1986 (BStBl I 1986, 548) könne als Billigkeitsmaßnahme im vorliegenden Verfahren, in welchem es um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehe, nicht zum Zuge kommen.

Dagegen sei die Bemessungsgrundlage des angefochtenen Bescheides um die bei doppelter Haushaltsführung zu gewährenden Beträge zu kürzen. Der vom Lohnsteuerprüfer ermittelte Betrag von 192.138 DM habe sämtliche im Inland gezahlten Auslösungen erfaßt. Das seien, wie auch die Einspruchsentscheidung zutreffend annehme, bei 36 Arbeitnehmern für fünf Monate rd. 35 DM täglich. Zu folgen sei der Einspruchsentscheidung auch darin, daß die AG an Ort und Stelle täglich Auslösungen von rd. 50 DM gezahlt habe. Nicht zu beanstanden sei auch, daß der tägliche Gesamtbetrag von rd. (35 DM + 50 DM =) 85 DM nicht zu einer unzutreffenden Besteuerung führe. Ausgehend von diesen Feststellungen ergäben sich - abweichend von der Berechnung in der Einspruchsentscheidung - bei Anwendung der Pauschsätze des Abschn. 27 Abs. 2 Nr. 1 LStR für die ersten zwei Wochen des Einsatzes im Ausland:

Steuerfreie Verpflegungsmehraufwendungen                                41 DM

steuerfreies Auslandsübernachtungsgeld                                    41 DM

                                                                                                --------

steuerfrei insgesamt täglich                                                       82 DM

gesamte Auslösungen täglich (rund)                                           85 DM

davon bereits versteuert                                                             35 DM

zuviel versteuert für die ersten

zwei Wochen täglich                                                                 32 DM

Bei 36 Arbeitnehmern und 14 Tagen seien demnach insgesamt (32 DM 36 14 =) 16.128 DM zuviel versteuert worden. Für die restliche Zeit verbleibe es bei der bisherigen Versteuerung (vgl. Abschn. 27 Abs. 2 Nr. 2 LStR).

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 176 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Auch die Lohnsteuer-Anmeldungen genössen den in dieser Vorschrift vorgesehenen Vertrauensschutz (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. September 1987 VIII R 154/86, BFHE 151, 107, BStBl II 1988, 40; vom 10. November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198, 200, und vom 2. November 1989 V R 56/84, BFHE 159, 266, BStBl II 1990, 253). Deshalb habe im Streitfall nicht berücksichtigt werden dürfen, daß die Reisekostenfiktion des Abschn. 25 LStR vom BFH (Urteile vom 3. Oktober 1985 VI R 129/82, BFHE 145, 513, BStBl II 1986, 369, und vom 8. Juli 1988 VI R 50/85, BFH/NV 1989, 105) als nicht mit geltendem Recht in Einklang stehend bezeichnet worden sei. Da das angefochtene Urteil hiervon abgewichen sei, könne es keinen Bestand haben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die mit Pauschalierungsbescheid vom 7. Juli 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 1984 erhobene pauschale Lohnsteuer auf 0 DM zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage hinsichtlich des Pauschalierungsbescheides abzuweisen.

Das FA begründet seine Anschlußrevision wie folgt: Da beim angefochtenen Pauschalierungsbescheid nur die festgesetzte Steuer in Bestandskraft erwachsen könne (§ 157 Abs. 1 und 2 AO 1977), nicht dagegen die Besteuerungsgrundlagen, habe das FG nicht nur von der Sachverhaltsvorstellung des Lohnsteuer-Außenprüfers ausgehen dürfen, sondern die Berechnung in der Einspruchsentscheidung in Erwägung ziehen müssen. Diese ergebe eine Bemessungsgrundlage von 193.036 DM und zeige, daß die vom Prüfer angesetzte Bemessungsgrundlage von 192.138 DM - die das FG um 16 128 DM gekürzt habe - eine angemessene Schätzung enthalte. Tatsächlich sei wie folgt zu ermitteln:

12 Arbeitnehmer für 3 Monate Dienstreise

  

-         die Erstattungsbeträge der Klägerin übersteigen nicht

          die Höchstbeträge der LStR;

  

          nach Ablauf von 3 Monaten doppelte Haushaltsführung

  

          steuerfrei lt. LStR                                    36,80 DM

          ausgezahlt je Arbeit-

          nehmer durchschnittlich                           85,00 DM

                                                                         ------------

          nachzuversteuern                                    48,20 DM        je Kalendertag

  

-         bei einer Einsatzzeit von 5 Monaten ergebe sich eine

          Bemessungsgrundlage für die Nachversteuerung

          von

          60 Tage x 48,20 DM für 12 Arbeitnehmer                     =  34.704,00 DM

                                                                                             ---------------------

  

24 Arbeitnehmer doppelte Haushaltsführung

  

2 Wochen steuerfrei                                          82,00 DM

ausgezahlt                                                       85,00 DM

                                                                         ------------

nachzuversteuern                                                3,00 DM        je Kalendertag

  

14 Tage x 3,00 DM für 24 Arbeitnehmer

                                                                                               =   1.008 DM

                                                                                               -------------------

Folgezeit steuerfrei                                            36,80 DM

ausgezahlt                                                       85,00 DM

                                                                         ------------

nachzuversteuern                                              48,20 DM        je Kalendertag

  

-         bei einer Einsatzzeit von 5 Monaten insgesamt

       136 Tage x 48,20 DM für 24 Arbeitnehmer

                                                                                         = 157.324,80 DM

                                                                                            ----------------------

  

Nach dieser Berechnungsgrundlage ergebe sich für die Nachversteuerung der Auslösungsbeträge insgesamt folgende

  

Bemessungsgrundlage                                                            34.704,00 DM

                                                                                         +    1.008,00 DM

                                                                                          +157.324,80 DM

                                                                                            ----------------------

Summe:                                                                               193.036,80 DM

Zur Revision der Klägerin führt das FA aus, auch bei der Einspruchsentscheidung sei von der Dienstreisefiktion des Abschn. 25 Abs. 2 LStR ausgegangen worden. Das diese Fiktion in Frage stellende BFH-Urteil in BFHE 145, 513, BStBl II 1986, 369 habe nicht beachtet werden können, da es zum Zeitpunkt des Ergehens der Einspruchsentscheidung noch nicht existiert habe. Die Dienstreisefiktion könne aber nur hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer eingreifen, die Einsatzwechseltätigkeit ausgeübt hätten. Das sei bei denjenigen nicht der Fall gewesen, die nur für die Baustelle im Ausland eingestellt und anschließend wieder entlassen worden seien. Hinsichtlich der Einsatzwechseltätigkeit komme es nämlich nicht auf abstrakte Berufsbilder (Montagearbeiter), sondern auf die mutmaßliche Verwendung im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers an (BFH-Urteil vom 20. November 1987 VI R 6/86, BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443). Danach wären nur bei einem Drittel der eingesetzten Arbeitnehmer Dienstreisen grundsätzlich zum Zuge gekommen. Das FG habe hierzu keine abschließenden Feststellungen getroffen, da es die Dienstreisefiktion abgelehnt habe. Die Klage könne - wie die obige Berechnung zeige - jedoch auch dann keinen Erfolg haben, wenn man die Dienstreisefiktion anwende.

Der Vertrauensschutzgedanke des § 176 AO 1977 greife wegen der Besonderheiten des Lohnsteuer-Nachforderungsverfahrens nicht ein. § 176 AO 1977 sei nämlich nur auf Änderungsbescheide anwendbar, während der Pauschalierungsbescheid ein Erstbescheid sei. Die Tatsache, daß in einem anderen Verfahren - der Lohnsteuer-Anmeldung - bereits ein Steuerbescheid über denselben Besteuerungsgegenstand ergangen sei, führe nicht zur Anwendung des § 176 AO 1977. Ebensowenig, wie diese Vorschrift auf einen Einkommensteuerbescheid anwendbar sei, wenn zuvor ein Lohnsteuer-Jahresausgleich oder ein Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren durchgeführt worden sei, könne sie bei einem Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid, in dem der Arbeitgeber erstmals Steuerschuldner sei, eingreifen, wenn zuvor Lohnsteuer-Anmeldungen ergangen seien.

Entscheidungsgründe

Auf die Revisionen beider Beteiligten ist die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Feststellungen des FG tragen seine Entscheidung nicht.

1. Revision der Klägerin

a) Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob der durch § 176 Abs. 2 AO 1977 vermittelte Vertrauensschutz nicht bereits ohne diese Vorschrift aus allgemeinen Erwägungen des Lohnsteuerabzugsverfahrens abzuleiten ist. Im Rahmen der Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers ist es nämlich ermessensfehlerhaft, Lohnsteuerbeträge nachzuerheben, wenn der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug in Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Verwaltungsanweisungen durchgeführt hat, auch wenn diese rechtsfehlerhaft sind (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1985 VI R 130/82, BFHE 144, 569, BStBl II 1986, 98). Es ist fraglich, ob ähnliche Erwägungen nicht auch im Rahmen des das Erhebungsinstrument Haftungs- oder Pauschalierungsbescheid betreffenden Auswahlermessens angestellt werden müssen. Jedenfalls ist der Klägerin darin beizupflichten, daß die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens der Anwendung des § 176 Abs. 2 AO 1977 dem Grunde nach nicht entgegenstehen.

b) Wie der Senat (BFH-Urteile vom 15. Mai 1992 VI R 106/88, BFHE 168, 532, BStBl II 1993, 840, und VI R 183/88, BFHE 168, 505, BStBl II 1993, 829) entschieden hat, ändert ein Haftungs- oder ein Pauschalierungsbescheid, der Sachverhalte aufgreift, die in zuvor ergangenen Lohnsteueranmeldungen zu erfassen waren, aber zu Unrecht nicht erfaßt wurden, die diesbezüglichen Lohnsteueranmeldungen. Hierbei kommt es nicht darauf an, daß der Arbeitgeber als Entrichtungsschuldner der abzuführenden Lohnsteuer durch seine Zustimmung zum Pauschalierungsverfahren anstelle des Arbeitnehmers auch Erstschuldner wird (§ 40 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Maßgebend ist vielmehr, daß die Entrichtungsschuld durch den Lohnzufluß als dem Tatbestand, an den das Gesetz die Leistungspflicht anknüpft, entstanden ist (§ 38 AO 1977 i. V. m. § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG) und anzumelden war (§ 41 a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Damit ist sie in den Regelungsinhalt der betreffenden Lohnsteueranmeldung eingegangen. Der Umstand, daß die anzumeldende Lohnsteuer mangels damaliger Pauschalierung nach dem Lohnsteuerkartenprinzip zu berechnen war, während nunmehr ein Durchschnittspauschsteuersatz in Betracht kommt (§ 40 Abs. 1 EStG), ändert nichts daran, daß in den Regelungsinhalt beider Bescheide, nämlich der Lohnsteueranmeldung und des späteren Pauschalierungsbescheides, die Entrichtungsschuld für identische Sachverhalte fällt. Damit ist der Pauschalierungsbescheid nicht mehr Erstbescheid, sondern Änderungsbescheid der Lohnsteueranmeldung. Der Umstand, daß Lohnsteuer-Anmeldungen kraft Gesetzes (§ 168 Satz 1 AO 1977) unter Vorbehalt der Nachprüfung ergehen, schließt den durch § 176 Abs. 2 AO 1977 vermittelten Vertrauensschutz nicht aus (BFH-Urteil vom 28. September 1987 VIII R 163/84, BFHE 154, 375, BStBl II 1989, 50).

c) In Anwendung des § 176 Abs. 2 AO 1977 durfte nicht berücksichtigt werden, daß die Dienstreisefiktion des für die Streitjahre maßgebenden Abschn. 25 Abs. 2 Satz 11 LStR 1978 in späterer höchstrichterlicher Rechtsprechung als nicht mit dem Gesetz vereinbar angesehen wurde. Dabei ist unbeachtlich, daß diese Rechtsprechung erst nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ergangen ist. Denn § 176 Abs. 2 AO 1977 bindet auch das FG. Dieses konnte deshalb nicht dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen der Dienstreisefiktion vorlagen.

2. Revision des FA

Da im Rahmen des Vertrauensschutzes die Dienstreisefiktion weiterhin zu beachten ist, sind ihre damaligen Voraussetzungen - Beschäftigung an ständig wechselnden Einsatzstellen ohne tägliche Rückkehr zur Wohnung - zu prüfen.

a) Die LStR 1978 gingen hinsichtlich der Einsatzwechseltätigkeit von einer Beschäftigungsform aus, bei der "der Arbeitnehmer infolge der Eigenart seiner beruflichen Tätigkeit .... vorwiegend an ständig wechselnden Einsatzstellen" eingesetzt ist (vgl. Abschn. 25 Abs. 2 Satz 7 LStR). Anknüpfend an diese Form der Berufsausübung wurden als Rechtsfolge Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen bei über zehnstündiger Abwesenheit gewährt (Abschn. 22 Abs. 2 Nr. 2 LStR) und die Beschränkung des Werbungskostenabzugs bei Fahrten zur Arbeitsstätte mit dem eigenen PKW (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) nicht angewendet (Abschn. 24 Abs. 2 Satz 3 LStR). Das oben beschriebene Berufsbild sollte durch den ständigen Wechsel der Einsatzstelle als Eigenart der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers geprägt sein. Dies hat der BFH dahingehend präzisiert, daß nicht der Berufstyp, sondern die vermutliche berufliche Verwendung bestimme, ob der ständige Wechsel Eigenart der beruflichen Tätigkeit sei. Hiervon war auch in den Streitjahren auszugehen. Die Beispielsfälle der Bau- und Montagearbeiter waren weder abschließend zu verstehen noch war anzunehmen, daß ein Angehöriger dieser Berufe die Rechtsfolgen der Einsatzwechseltätigkeit auch für den Fall erhalten sollte, daß er auf Dauer immer am nämlichen Arbeitsplatz eingesetzt war. Deswegen ist dem FA zu folgen, daß Einsatzwechseltätigkeit und die hieran anknüpfende Dienstreisefiktion für solche Arbeitnehmer nicht eingriff, die nur für diese eine Bau- und Montagestelle eingestellt worden waren. Für diese kamen auch keine Dienstreiseregeln, sondern allenfalls die einer doppelten Haushaltsführung in Betracht.

b) Demgegenüber war die Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer "immer wieder zu dem Mittelpunkt zurückkehrt, um dort mit der Tätigkeit an der Einsatzstelle zusammenhängende Arbeiten .... zu verrichten" (Abschn. 25 Abs. 2 Satz 7, letzter Halbsatz LStR) kein Merkmal der Einsatzwechseltätigkeit. Vielmehr führte dies dazu, daß trotz Einsatzwechseltätigkeit aus anderen Gründen, als dem einer fiktiven regelmäßigen Arbeitsstätte, Dienstreisen anzunehmen waren. Der Fiktion in Abschn. 25 Abs. 2 Satz 11 LStR hätte es nicht bedurft, wenn eine Dienstreise schon aus anderen Gründen hätte angenommen werden können. Ebensowenig stand nach dem Verständnis der Verwaltung die fünfmonatige Dauer der Beschäftigung der Annahme von Dienstreisefolgen bei Einsatzwechseltätigkeit entgegen. Diese wurden vielmehr lediglich auf drei Monate begrenzt.

3. Das FG wird nunmehr die von ihm bewußt unterlassenen Feststellungen zu der Art der geschuldeten Beschäftigung der jeweiligen Arbeitnehmer nachzuholen haben und hieran anknüpfend über die Dienstreisefolgen entscheiden.