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  BFH-Urteil vom 12.3.1993 (VI R 20/92) BStBl. 1993 II S. 881

Ein Zinszuschuß des Arbeitgebers i. S. des § 3 Nr. 68 EStG 1987 liegt auch dann vor, wenn ohnehin geschuldeter steuerpflichtiger Arbeitslohn in einen steuerbefreiten Zinszuschuß umgewandelt wird (gegen BMF-Schreiben vom 9. Juli 1987, BStBl I 1987, 512).1

EStG 1987 § 3 Nr. 68.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1992, 250)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten. Sie hatten für den Erwerb ihrer selbstgenutzten Eigentumswohnung vom Arbeitgeber des Klägers ein zinspflichtiges Darlehen erhalten. Die darauf entfallenden Zinszahlungen lagen über dem Betrag von 2.000 DM jährlich. Für das Streitjahr 1988 behandelte der Arbeitgeber des Klägers einen Betrag in Höhe von 2.000 DM nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn, sondern als i. S. des § 3 Nr. 68 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG) steuerfreien Zuschuß. Dieser Sachverhalt wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) aufgrund einer Mitteilung des für den Arbeitgeber zuständigen Finanzamts bekannt. Das FA erfaßte den Betrag von 2.000 DM in einem geänderten Einkommensteuerbescheid als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es vertrat die Ansicht, die Umwandlung tarifvertraglich geschuldeten Arbeitslohns in einen Zinszuschuß sei nach § 3 Nr. 68 EStG nicht zulässig.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 250 veröffentlichten Urteil statt. Es entschied, ein steuerfreier Zinszuschuß i. S. des § 3 Nr. 68 EStG liege auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer in Höhe des Zinszuschusses auf seinen Lohn verzichte.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die unrichtige Anwendung des § 3 Nr. 68 EStG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Die Entscheidung des FG, die als Zinszuschuß geleistete Zahlung des Arbeitgebers des Klägers in Höhe von 2.000 DM sei gemäß § 3 Nr. 68 EStG steuerbefreit, ist frei von Rechtsfehlern.

1. Nach § 3 Nr. 68 EStG sind steuerbefreit Zinsersparnisse bei einem unverzinslichen oder zinsverbilligten Arbeitgeberdarlehen sowie Zinszuschüsse des Arbeitgebers, wenn die Darlehen mit der Errichtung oder dem Erwerb einer eigengenutzten Wohnung in einem im Inland belegenen Gebäude zusammenhängen, soweit die Zinsersparnisse und Zinszuschüsse insgesamt 2.000 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen.

a) Der Begriff "Zinszuschüsse" ist mehrdeutig und deshalb auslegungsfähig. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist er dahin zu verstehen, daß ein finanzieller Beitrag zu geschuldeten Zinsen geleistet wird. Der Wortteil "Zuschuß" kann sich nach dem möglichen Wortsinn entsprechend der Ansicht Meinckes (in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 3 Rz. 261) und der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 9. Juli 1987, BStBl I 1987, 512) aber auch auf den Arbeitslohn beziehen, zu dem der Zuschuß hinzuzufügen ist (a. A. wohl Thömmes, Der Betrieb - DB - 1987, 2011, 2012; Drenseck, Finanz-Rundschau - FR - 1989, 261, 262). Denn dem Begriff "Zuschuß" kann auch die Bedeutung einer zusätzlichen Zahlung beigemessen werden.

b) Während die Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 68 EStG und die Gesetzessystematik keine eindeutigen Anhaltspunkte für die Auslegung des objektiv mehrdeutigen Begriffs "Zinszuschüsse" erbringen, legen der Sinn und Zweck der Vorschrift das Verständnis nahe, daß ihre Voraussetzungen auch bei einer sog. Barlohnumwandlung erfüllt sind.

aa) Der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sind keine Argumente für ihre Auslegung zu entnehmen. Denn die Gesetzesmaterialien nehmen, wie auch das BMF eingeräumt hat, zu der Frage, ob steuerbefreit nur solche Leistungen sein sollten, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu erbringen sind, nicht Stellung (BTDrucks 10/5208, S. 36).

bb) Die systematische Auslegung verhilft ebenfalls zu keinem zwingenden Schluß. Zwar hat der Senat für die Steuerfreiheit von Jubiläumszuwendungen (§ 3 Nr. 52 EStG i. V. m. § 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -; ab 1990 § 3 LStDV) verlangt, daß es sich bei dem Jubiläumsgeschenk bzw. der Jubiläumszuwendung um eine zusätzliche Leistung handeln muß (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139; vom 12. März 1993 VI R 71/92, BFHE 171, 67, BStBl II 1993, 521). Aber es sind in den jeweiligen Steuerbefreiungsvorschriften unterschiedliche Begriffe, nämlich ursprünglich der des Geschenks in § 4 LStDV und der des Zinszuschusses in § 3 Nr. 68 EStG, verwendet worden. Außerdem handelt es sich bei dem Jubiläumsgeschenk bzw. der Jubiläumszuwendung, anders als bei den Zinszuschüssen, um eine einmalige, nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung des Arbeitgebers aus einem bestimmten Anlaß, der in der beruflichen oder betrieblichen Sphäre liegt. Ferner ist die Jubiläumszuwendung, anders als der Zinszuschuß, nicht funktionsgebunden, weil der Arbeitnehmer frei über sie verfügen kann. Zwischen den beiden Steuerbefreiungen bestehen danach Unterschiede von solchem Gewicht, daß die durch Auslegung ermittelten tatbestandlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 LStDV nicht ohne weiteres Rückschlüsse darauf zulassen, welche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 68 EStG vorliegen müssen.

Für einen anderen Fall eines funktionsgebundenen Arbeitslohns, nämlich des Beitrags zu einer Direktversicherung (§ 40 b EStG), hat die Finanzverwaltung die Umwandlung von bisher steuerpflichtigem in pauschal zu versteuernden Arbeitslohn für unbedenklich gehalten (vgl. Abschn. 129 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1990; vgl. dazu auch das BFH-Urteil vom 29. April 1991 VI R 61/88, BFHE 164, 289, BStBl II 1991, 647).

Für die nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 mit einem Pauschsteuersatz von 15 v. H. versteuerbaren Fahrtkostenzuschüsse vertritt das BMF allerdings die Auffassung, daß es sich um solche Leistungen handeln müsse, die zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht würden (Schreiben vom 13. Februar 1990, BStBl I 1990, 112; a. A. Offerhaus, DB 1991, 207; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40 Rdnr. C 9; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 40 Anm. 6 e).

cc) Während danach die Entstehungsgeschichte und die systematische Auslegung zu keinen eindeutigen Ergebnissen führen, sprechen nach Ansicht des Senats der Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, unter dem Begriff "Zinszuschüsse" nicht nur solche Leistungen zu verstehen, die zusätzlich zu dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Der erkennbare Zweck der Vorschrift ist die steuerliche Begünstigung von Arbeitnehmern, die mit Zinsen für eine eigengenutzte Wohnung belastet sind und die diese Zinsen nach der Systematik des EStG nicht als Werbungskosten abziehen können. Es ist - solange die Willkürgrenze des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) nicht überschritten ist - nicht Aufgabe des Senats, darüber zu urteilen, ob derartige systemwidrige Begünstigungen überhaupt wünschenswert und gerecht sind. Entscheidend hat für den Senat bei der Auslegung einer Gesetzesnorm der erkennbare Gesetzeszweck zu sein. Soll danach derjenige Arbeitnehmer, der Zinsaufwendungen für die eigengenutzte Wohnung zu tragen hat, gefördert werden, so wäre es nicht einleuchtend, diese Förderung des Arbeitnehmers von der wirtschaftlichen Leistungsstärke des Arbeitgebers abhängig zu machen. Dies geschähe aber, wenn nur zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Zinszuschüsse steuerbefreit wären. Es sind auch in der mündlichen Verhandlung keine plausiblen Gründe dafür aufgezeigt worden, denjenigen Arbeitnehmer steuerlich zu begünstigen, der von seinem leistungsstarken Arbeitgeber mehr erhält als letzterer schuldet, und denjenigen Arbeitnehmer von der Begünstigung auszunehmen, der wegen der geringeren Leistungsfähigkeit seines Arbeitgebers weniger bekommt. Eine derartige Differenzierung innerhalb der Arbeitnehmerschaft erschiene darüber hinaus auch deshalb problematisch, weil nicht tarifgebundene Arbeitnehmer bei der nächstanstehenden Gehaltserhöhung anstelle einer Barlohnerhöhung einen steuerbefreiten Zinszuschuß vereinbaren könnten. Die teleologische Auslegung führt deshalb dazu, daß als Zinszuschüsse nicht nur solche Leistungen zu verstehen sind, die zusätzlich zum übrigen Gehalt gezahlt werden, sondern daß auch sog. umgewandelter Arbeitslohn erfaßt wird. Wenn der Gesetzgeber den mehrdeutigen Begriff "Zinszuschüsse" anders hätte verstanden wissen wollen, so hätte er dies im Hinblick auf den mit einem derartigen Verständnis kaum im Einklang stehenden erkennbaren Gesetzeszweck ausdrücklich klarstellen müssen.

c) Führt somit die teleologische Auslegung zur Zulässigkeit der sog. Barlohnumwandlung, so können die Gründe, die für die ersatzlose Aufhebung der Vorschrift durch das Steuerreformgesetz 1990 (StRG 1990) vom 25. Juli 1988 (BGBl I, 1093, 1094, BStBl I 1988, 224, 225) angegeben worden sind, keine andere Auslegung rechtfertigen.

Dies gilt zum einen schon deshalb, weil die Vorstellungen, die den späteren Gesetzgeber zur Aufhebung einer Vorschrift veranlaßt haben, keinen Bezug zu den Zielen haben müssen, die den früheren Gesetzgeber zur Einführung der Vorschrift bewogen haben. Den Gesetzesmaterialien über die Aufhebung einer Vorschrift kann daher für die Auslegung einer Norm keine mit ihrer Entstehungsgeschichte vergleichbare Bedeutung beigemessen werden.

Zum anderen ist die Vorschrift nach der Begründung in den Gesetzesmaterialien deshalb gestrichen worden, weil die Ausschußmehrheit zu der Überzeugung gelangt sei, daß die Vorschrift zunehmend durch Lohngestaltungen ausgeschöpft werde, die nicht hatten begünstigt werden sollen (BTDrucks 11/2536 S. 45) bzw. weil verhindert werden sollte, daß Zinszuschüsse zu Lasten künftiger Barlohnerhöhungen vereinbart würden und damit die Steuerpflicht umgangen werde (BTDrucks 11/2536 S. 76). Die ersatzlose Aufhebung der Vorschrift durch das StRG 1990 mit der Begründung, es solle verhindert werden, daß Zinszuschüsse zu Lasten künftiger Barlohnerhöhungen vereinbart würden, läßt in der Tat den vom BMF gezogenen Erst-recht-Schluß zu, daß der die Vorschrift aufhebende Gesetzgeber die Steuerbefreiung nicht auf umgewandelten Arbeitslohn hat erstrecken wollen. Die ersatzlose Aufhebung der Vorschrift anstelle einer Änderung der bisherigen Gesetzesfassung ist indessen als das Eingeständnis des Gesetzgebers oder zumindest der Ausschußmehrheit zu werten, daß es auch für die Zukunft nicht möglich erscheint, die derzeitigen tatsächlichen Vorstellungen über die begünstigten Sachverhalte in einen Gesetzeswortlaut zu fassen, der auch in der Praxis vollzogen werden kann. Wenn danach in Zukunft die Umwandlung von Arbeitslohn und die Vereinbarung von Zinszuschüssen zu Lasten künftiger Barlohnerhöhungen gleichermaßen nicht mehr durch eine Steuerfreiheit begünstigt werden sollen, so gibt es keine überzeugenden Gründe dafür, zwischen diesen Fallgestaltungen für die Vergangenheit bzw. für die befristete Geltungsdauer der Vorschrift (gemäß § 52 Abs. 2 j EStG 1990 gilt sie für vor dem Januar 1989 erhaltene Darlehen bis zum Jahr 2000 weiter) zu differenzieren. Wie bereits dargelegt, würde es nicht einleuchten, die in der Regel besserverdienenden, nicht tariflich gebundenen Arbeitnehmer zu begünstigen, weil deren einzelvertraglich anstelle einer Barlohnerhöhung vereinbarten Zinszuschüsse steuerbefreit sind, die in der Regel weniger gut verdienenden, tariflich gebundenen Arbeitnehmer aber von dieser Vergünstigung auszunehmen.

2. Die Steuerbefreiung der Zinszuschüsse scheitert im Falle der Umwandlung von Arbeitslohn entgegen der Auffassung des BMF auch nicht an arbeitsrechtlichen Vorschriften. Selbst wenn die Umwandlung von Arbeitslohn tarifrechtlich nicht zulässig wäre, wäre dies gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für die Besteuerung unerheblich. Außerdem wäre die Umwandlung tariflicher Ansprüche jedenfalls nach dem sog. Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes) erlaubt. Die Umwandlung von steuerpflichtigem in steuerbefreiten Arbeitslohn ist für den Arbeitnehmer auch dann günstiger, wenn sich dadurch die Berechnungsgrundlage für die Beiträge an die Sozialversicherungsträger mindert. Denn wenn sogar ein ersatzloser Verzicht auf Lohn zulässig ist, wenn sich dies unter Berücksichtigung der Sozialabgaben für den Arbeitnehmer günstiger auswirkt (vgl. Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 4 Rz. 210), muß dies erst recht für die bloße Umwandlung von steuerpflichtigem in steuerbefreiten Lohn gelten.

Der Mutmaßung des BMF, es könne sich bei der im Streitfall vereinbarten Umwandlung von Arbeitslohn um ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO 1977) handeln, bei dem beide Teile sich darüber einig gewesen sein müßten, daß das Erklärte nicht gewollt sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Arbeitgeber des Klägers die Zinszuschüsse nicht der Lohnsteuer unterworfen und sie mithin tatsächlich entsprechend der Vereinbarung mit dem Kläger als steuerbefreite Leistung behandelt. Dadurch wird deutlich, daß beide Teile das tatsächlich Erklärte auch gewollt haben.

3. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) ist im Streitfall ebensowenig anzunehmen wie bei der Umwandlung von steuerpflichtigem in pauschal zu versteuernden Arbeitslohn bei der Direktversicherung gemäß § 40 b EStG. Zu Unrecht beruft sich das BMF in diesem Zusammenhang auf das Senatsurteil vom 20. Dezember 1991 VI R 32/89 (BFHE 167, 49, BStBl II 1992, 695). Diesem Urteil lag eine andere, mit derjenigen des Streitfalls nicht vergleichbare Fallgestaltung zugrunde. Dort wurde in regelmäßiger Wiederkehr jeweils innerhalb eines Kalenderjahrs zwischen pauschaler Besteuerung und allgemeinem Lohnsteuerabzug gewechselt. Dies verhielt sich gegenläufig zu dem von § 40 a EStG verfolgten Ziel der Erleichterung der Lohnsteuererhebung. Es war, gemessen am angestrebten Ziel, eine unangemessene Gestaltung. Im Streitfall ist ein derartiger Wechsel im Verhalten nicht gegeben.