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  BFH-Urteil vom 11.8.1993 (II R 34/90) BStBl. 1994 II S. 375

Erläßt das für die Grunderwerbsteuer zuständige FA eine Prüfungsanordnung, in der es einen in der Zukunft liegenden Prüfungsbeginn ankündigt, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht gehemmt, auch wenn der (zu prüfende) grunderwerbsteuerrechtlich maßgebende Sachverhalt im Rahmen der vorangegangenen Prüfung der Ertragsteuern vom Prüfer ermittelt und dies dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben worden ist, wenn der zeitlich später ergangenen Prüfungsanordnung keine Prüfungshandlungen folgen.

AO 1977 § 169 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 4 Satz 1.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1990, 372)

Sachverhalt

I.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. März 1978 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) das Erbbaurecht an einem in A gelegenen Grundstück mit aufstehenden Gebäuden für einen Kaufpreis von .... DM. Veräußerin war die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Objekt A mbH in B.

Die Klägerin war mit Gesellschaftsvertrag vom 3. März 1978 gegründet worden. Persönlich haftende Gesellschafter waren zunächst die C Grundstücksvermietungsgesellschaft mbH, sowie die Herren D und E; die persönlich haftenden Gesellschafter hatten keine Einlage geleistet. Der einzige Kommanditist der Gesellschaft, die Grundstücksverwaltungsgesellschaft Objekt A mbH, die Veräußerin des Erbbaurechts nebst Gebäuden, hatte eine Hafteinlage von 10.000 DM geleistet.

Am 17. März 1978 wurde der Gesellschaftsvertrag so geändert, daß durch Kapitalerhöhungen der Eintritt neuer Kommanditisten ermöglicht wurde. Dies wurde dadurch erreicht, daß die X-Treuhandgesellschaft mbH mit einer Hafteinlage von 5.000 DM als weitere Kommanditistin eintrat und ihr das Recht eingeräumt wurde, mit unterbeteiligten Kommanditisten Treuhandverträge abzuschließen und ihre Gesellschaftseinlage auf .... DM zu erhöhen. Letzteres geschah in den Monaten April/Mai 1978, wodurch sich der Anteil der veräußernden Grundstücksverwaltungsgesellschaft A mbH, die sich absprachegemäß nicht an den Kapitalerhöhungen beteiligte, auf 0,41 v. H. verringerte. Die Veräußerin mietete das Grundstück nach Abschluß des vorgenannten Kaufvertrages von der Klägerin.

Bereits im notariell beurkundeten Kaufvertrag hatte die Klägerin Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes Nordrhein-Westfalen (GrEStG NW) beantragt, da die Verkäuferin als einzige Kommanditistin zu 100 v. H. am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt sei. Mit interner Verfügung vom 24. Juli 1978 stellte das Finanzamt (FA) den Erwerbsvorgang aufgrund des § 5 Abs. 2 GrEStG NW von der Grunderwerbsteuer frei und erteilte die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Eintragung der Klägerin im Grundbuch erfolgte noch im Jahr 1978.

Im Jahr 1982 wurde bei der Klägerin durch die Betriebsprüfungsstelle des FA F eine Außenprüfung durchgeführt. Die Grunderwerbsteuer war in der Prüfungsanordnung nicht genannt. Als Folge der Ermittlung der Anschaffungskosten aus ertragssteuerrechtlicher Sicht wurde die Außenprüfung tatsächlich auch auf die Grunderwerbsteuer erstreckt; die Prüfung begann am 18. Februar 1982. Der Prüfer bezweifelte wegen des Eintritts der X-Treuhandgesellschaft mbH in die Erwerberin und der anschließenden Erhöhung ihrer Gesellschaftseinlage, daß die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG NW gewährt werden könne. Die Frage wurde mit der Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin erörtert. Nachdem die Steuerberatungsgesellschaft mehrmals darum gebeten worden war, nahm sie in einem Schreiben vom 2. Juni 1982 an die Betriebsprüfungsstelle zu dem ihr übersandten grunderwerbsteuerrechtlichen Vermerk aus der Prüfungsakte Stellung. Sie vertrat die Auffassung, daß der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG NW nichts entgegenstehe, weil im Zeitpunkt der Veräußerung durch den Kaufvertrag vom 6. März 1978 die Veräußerin vermögensmäßig allein an der Erwerberin beteiligt gewesen und die X-Treuhandgesellschaft mbH erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Gesellschaft (Erwerberin) eingetreten sei.

Am 4. November 1982 bat das FA F unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag vom 6. März 1978 das FA G, den Beklagten und Revisionsbeklagten, um die Erteilung einer Prüfungsanordnung zur Überprüfung der Grunderwerbsteuer. Bei der Klägerin finde gerade eine Außenprüfung statt. Daraufhin erließ das FA G am 24. November 1982 eine Prüfungsanordnung. Als Prüfungsgegenstand war die Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang aufgrund des Kaufvertrages vom 6. März 1978 aufgeführt; als voraussichtlicher Prüfungstermin war November/Dezember 1982 genannt. Ebenfalls am 24. November 1982 beauftragte das FA G das FA F gemäß § 195 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) mit der angeordneten Außenprüfung.

Nach außen erkennbare Prüfungshandlungen wurden von der Betriebsprüfungsstelle nicht mehr vorgenommen. Die Schlußbesprechung, in der auch die Grunderwerbsteuer behandelt wurde, fand am 4. Juni 1984 statt. Nach dem Betriebsprüfungsbericht vom 8. August 1984 erfolgte die Außenprüfung in der Zeit vom Januar bis Juli 1982 mit Unterbrechung.

Die Betriebsprüfungsstelle vertrat in dem dem Beklagten übersandten Auszug aus dem Betriebsprüfungsbericht vom 8. August 1984 die Auffassung, daß die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG NW mit Ausnahme eines 0,41 v. H. entsprechenden Betrages nicht gewährt werden könne, weil die Veräußerin ihren Anteil am Vermögen der erwerbenden Gesellschaft in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand auf einen anderen übertragen habe. Das FA schloß sich dieser Auffassung an und setzte durch Bescheid vom 8. Oktober 1987 Grunderwerbsteuer fest.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Weder sei der Erwerbsvorgang vom 6. März 1978 gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG NW von der Grunderwerbsteuer befreit, noch sei der Steueranspruch im Zeitpunkt seiner Festsetzung verjährt gewesen. Die Entscheidung des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 372.

Mit der Revision rügt die Klägerin (ausschließlich) Verletzung des § 171 Abs. 4 AO 1977. Der Steueranspruch sei mit Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 am 31. Dezember 1982 verjährt gewesen. Die Voraussetzungen für eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 lägen nicht vor, denn die Prüfungshandlung hinsichtlich der Grunderwerbsteuer sei nicht durch eine Prüfungsanordnung gedeckt gewesen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG vom 24. Januar 1990 sowie der Einspruchsentscheidung und des Grunderwerbsteuerbescheids die Grunderwerbsteuer auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 1987 und des Grunderwerbsteuerbescheides vom 8. Oktober 1987.

1. Die Steuerfestsetzung vom 8. Oktober 1987 ist wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist unzulässig (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Die Festsetzungsfrist hat gemäß § 16 a Satz 1 GrEStG NW mit Ablauf des Jahres 1978 zu laufen begonnen, weil die Klägerin in diesem Jahr als Eigentümerin des Erbbaurechts in das Grundbuch eingetragen worden ist. Der Beginn der Festsetzungsfrist war nicht nach § 16 a Satz 2 GrEStG NW gehemmt, denn der notarielle Kaufvertrag war dem FA übersandt worden (§ 18 GrEStG NW). Eine darüber hinausgehende Anzeigepflicht der Klägerin aus § 17 GrEStG NW bestand nicht; die Verringerung der gesamthänderischen Berechtigung der Kommanditistin, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Versagung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG NW führt (s. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374), ist dort nicht, insbesondere auch nicht in § 17 Abs. 3 GrEStG NW erfaßt. Die vierjährige Festsetzungsfrist war danach mit dem Ende des Jahres 1982 abgelaufen; ihr Ablauf war - entgegen der Auffassung des FG - nicht bis zum Erlaß des Steuerbescheides am 8. Oktober 1987 gemäß § 171 Abs. 4 AO 1977 gehemmt.

2. a) Nach der zuletzt genannten Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Entgegen der Auffassung des FG ist diese Wirkung der Außenprüfung nicht deshalb eingetreten, weil sich die Klägerin "rügelos auf die formlose Erweiterung der Betriebsprüfung auf die Grunderwerbsteuer eingelassen hat". Zwar kommt es für den sachlichen Umfang der Ablaufhemmung darauf an, worauf sich die Außenprüfung tatsächlich erstreckt hat; dies folgt aus dem Wortlaut des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO 1977. Der - von den tatsächlichen Prüfungshandlungen abhängige (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526) - mögliche sachliche Umfang der Ablaufhemmung ergibt sich jedoch aus der von der Finanzbehörde schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung (§ 196 AO 1977); diese bezeichnet den äußersten Rahmen der Ablaufhemmung, denn die Finanzbehörde und nicht der Prüfer bestimmt den Gegenstand der Außenprüfung (BFH-Urteil vom 18. Juli 1991 V R 54/87, BFHE 165, 13, BStBl II 1991, 824). Danach kann eine Ablaufhemmung auch dann nicht eintreten, wenn der Prüfer Steuerarten geprüft hat, die in der Prüfungsanordnung nicht genannt sind, und die Überschreitung des Prüfungsauftrages für den Steuerpflichtigen erkennbar war, oder wenn er sich widerspruchslos auf die Prüfung eingelassen hat (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 171 AO 1977 Rz. 54; anders zu § 146 a der Reichsabgabenordnung, vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1982 II R 72/81, BFHE 137, 396, BStBl II 1983, 384).

Die Finanzbehörde ist allerdings nicht gehindert, die erteilte Prüfungsanordnung durch eine Erweiterung des Prüfungsumfangs zu ergänzen, wenn sich dies später als notwendig oder zweckmäßig herausstellt (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung - BpO(St) -; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 196 Bem. 3; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 171 AO 1977 Tz. 16 a; Koch, Abgabenordnung, § 171 Tz. 20/1). Dies folgt aus § 196 i. V. m. § 194 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO 1977; danach steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, den für die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen erforderlichen sachlichen Umfang der Außenprüfung zu bestimmen. In dem durch die Erweiterung der ursprünglichen Prüfungsanordnung gesteckten Rahmen löst die ergänzende Prüfungsanordnung - als selbständiger Verwaltungsakt - die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO 1977 aus, wenn im Zeitpunkt des Erlasses der erweiterten Prüfungsanordnung die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war und vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist mit der Prüfung (tatsächlich) begonnen worden ist.

b) Im Streitfall ist zwar tatsächlich vor Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1982 hinsichtlich des Erwerbsvorgangs vom 6. März 1978 und der sich anschließenden gesellschaftsrechtlichen Vorgänge eine Prüfung der Grunderwerbsteuer erfolgt. Dies war auch der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten aufgrund der Erörterungen mit dem Außenprüfer und dem sich anschließenden Schriftwechsel über die grunderwerbsteuerrechtlichen Folgerungen aus dem Kaufvertrag und dem Eintritt der X-Treuhandgesellschaft mbH bekannt. Der Schriftwechsel ist aber nicht mit dem beklagten FA geführt worden, ebensowenig wie dieses veranlaßt hat, daß dem Bevollmächtigten der Klägerin der entsprechende, die grunderwerbsteuerrechtliche Lage betreffende Vermerk aus der Prüfungsakte bekanntgeworden war. Die tatsächlich durchgeführten Prüfungshandlungen konnten deshalb zu keiner Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist führen, weil für sie zu jener Zeit keine Prüfungsanordnung vorlag.

Die später für die Grunderwerbsteuer erteilte Prüfungsanordnung konnte für sich gesehen ebenfalls keine Ablaufhemmung bewirken; dazu wäre erforderlich gewesen, daß aufgrund dieser Prüfungsanordnung vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächliche Prüfungshandlungen vorgenommen worden wären. Das ist jedoch nicht geschehen. Ablaufhemmung könnte nur dann eingetreten sein, wenn die zeitlich nach Durchführung tatsächlicher Prüfungshandlungen ergangene Prüfungsanordnung dazu geführt hätte, daß den ohne diese Prüfungsanordnung früher vorgenommenen Prüfungshandlungen nunmehr ablaufhemmende Wirkung zukäme. Offenlassen kann der Senat im Streitfall, ob allgemein die Nachholung einer Prüfungsanordnung nach bereits vorgenommenen tatsächlichen Prüfungshandlungen zur Ablaufhemmung führen kann (bejahend Koch, a. a. O., § 171 Tz. 20/1; Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 196 AO 1977 Anm. 151; Tipke/Kruse, a. a. O., § 171 AO 1977 Tz. 16 a; verneinend Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 171 Anm. 41). Eine derartige Wirkung kann die zeitlich nachfolgende Prüfungsanordnung jedenfalls dann nicht haben, wenn sie diese nicht beansprucht. Im Streitfall ist die Prüfungsanordnung des beklagten FA auf eine ihr nachfolgende Prüfung gerichtet, wie sich schon aus der Ankündigung des Prüfungsbeginns für November/Dezember ergibt. Aus diesem Grunde ist es nach Auffassung des Senats auch unerheblich, daß die anderweitig, d. h. nicht vom zuständigen FA und sich nicht auf die Grunderwerbsteuer erstreckende angeordnete Prüfung noch nicht abgeschlossen war, weil die Schlußbesprechung noch nicht stattgefunden hatte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1989 IV R 6/88, BFH/NV 1990, 139).