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  BFH-Urteil vom 30.7.1993 (III R 16/92) BStBl. 1994 II S. 31

Muß der Verlobte wegen der beabsichtigten und alsbald durchgeführten Eheschließung seine Berufstätigkeit - z. B. infolge vorzeitigen Ortswechsels - aufgeben (oder verliert er eine andere alleinige Unterhaltsquelle), so ist der andere Partner sittlich verpflichtet, eine dadurch eintretende Unterhaltsbedürftigkeit zu beseitigen.

EStG § 33 Abs. 2, § 33 a Abs. 1 und Abs. 4.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der 1953 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte im Streitjahr 1989 Unterhaltsaufwendungen für seine in Thailand geborene Verlobte in Höhe von 3.000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Kläger hat seine Verlobte, die im Streitjahr 17 Jahre alt war, etwa zur Jahresmitte 1990 geheiratet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Anerkennung der Aufwendungen im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1989 und im Einspruchsverfahren ab.

Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger u. a. vor, er habe schon im Streitjahr beabsichtigt, seine Verlobte zu heiraten. Deshalb habe er alles unternommen, um die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu ermöglichen. Im Zusammenhang damit habe seine Verlobte ihre Arbeitsstelle in Thailand verloren und sich auf Gedeih und Verderb auf ihn verlassen. Eine Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik habe die Verlobte nur für die Eheschließung erhalten. Es wäre anstößig gewesen, wenn er sie nicht unterstützt hätte. Aus dem Eheversprechen habe sich dazu auch eine sittliche Pflicht ergeben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte aus, Unterhaltsaufwendungen an einen Verlobten erwüchsen regelmäßig nicht zwangsläufig aus rechtlichen Gründen, weil Verlobte nicht einander zum Unterhalt verpflichtet seien. Die streitigen Aufwendungen seien dem Kläger auch nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden. Denn sie seien nicht schon aufgrund der Verlobung, des Zusammenlebens oder wegen der gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung zwangsläufig.

Eine sittliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt komme zwischen Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft nur für den Fall in Betracht, daß die Bedürftigkeit eines Partners gemeinschaftsbedingt sei oder besondere Umstände vorlägen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen ließen (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. April 1991 III R 85/89, BFHE 164, 82, BStBl II 1991, 518). Daß die Verlobte unterhaltsbedürftig gewesen sei, weil sie ihre Arbeitsstelle in Thailand verloren habe, sei aber nicht gemeinschaftsbedingt gewesen. Denn als sie noch in Thailand gelebt habe, habe eine nichteheliche Gemeinschaft nicht bestanden. Der Fall, daß die Unterhaltsgewährung bei Würdigung aller Umstände als unausweichlich erscheine, liege hier ebenfalls nicht vor. Derartige Umstände seien bejaht worden, wenn die Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammengelebt hätten; daran fehle es im Streitfall.

Mit seiner Revision rügt der Kläger mangelnde Sachaufklärung und die Verletzung materiellen Rechts.

Er meint, die Annahme des FG, die Aufwendungen seien nicht gemeinschaftsbedingt gewesen, beruhten auf einer lebensfremden Annahme. Man könne nicht ernsthaft davon ausgehen, daß seine damalige Verlobte ohne jegliche Gemeinschaftsaufnahme Arbeit und Heimat verlassen hätte. Tatsächlich habe eine - wenn auch relativ kurze - Lebensgemeinschaft bereits bestanden; im übrigen habe das FA in der Einspruchsentscheidung das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts zwischen dem Kläger und seiner damaligen Verlobten ausdrücklich anerkannt.

Die Rüge mangelnder Sachaufklärung werde für den Fall erhoben, daß der erkennende Senat die Unterstellung des FG, die nichteheliche Gemeinschaft sei in Thailand noch nicht aufgenommen worden, für erforderlich halte. Für diesen Fall sei nämlich der Sachverhalt durch das erstinstanzliche Gericht nicht genügend aufgeklärt worden. Er, der Kläger, habe mit Schriftsatz vom 30. Oktober 1991 (S. 1) vortragen lassen: "Die Bedürftigkeit der damaligen Verlobten war gemeinschaftsbedingt .... Aufgrund der eingegangenen Beziehung zum Kläger leitete die damalige Verlobte alle notwendigen Maßnahmen ein, um die Ausreise nach Deutschland zu erlangen ....". Diese Ausführungen könnten sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, daß eine eheähnliche Gemeinschaft bereits vor der Übersiedlung in die Bundesrepublik bestanden habe. Für diesen Vortrag sei auch Beweis angeboten worden, und zwar durch Vernehmung der Eltern seiner Verlobten (Schriftsatz vom 30. Oktober 1991, S. 2).

Im übrigen habe er mit seiner damaligen Verlobten eine gemeinsame Wohnung unter der Adresse ...., Thailand, gehabt. Insgesamt habe er sich in der Zeit vom 8. Dezember 1988 bis 21. Januar 1989 und vom 20. November 1989 bis zum 17. Februar 1990, also über 90 Tage, in Thailand aufgehalten; Kopien der Einreise- und Ausreisebestätigungen seien als Anlage beigefügt.

Das FA erwidert: Die Angriffe der Revision, die ausschließlich darauf abzielten, die Begründung einer Gemeinschaft des Klägers mit seiner Verlobten darzutun, gingen am eigentlichen Problem vorbei. Dieses bestehe nämlich in der Frage, ob die Gemeinschaft in Thailand eheähnlich gewesen sei. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers könne aber ein solcher Tatbestand hier ausgeschlossen werden. Denn der Kläger habe von Anfang an beabsichtigt, seine Verlobte schnellstmöglich in die Bundesrepublik zu holen und hier mit ihr eine eheliche Gemeinschaft herzustellen. Entgegen dem ursprünglichen Plan des Klägers habe sich die Vorbereitungsphase in Thailand durch die nachträgliche Verschärfung der nationalen Einreisebestimmungen für Thailänder verzögert. Das unbestrittene kurzfristige Zusammenleben des Klägers mit seiner damaligen Verlobten in Thailand habe sich daher nur auf das Notwendigste beschränken können.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Nach § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung setzt der Abzug von Unterhaltsleistungen neben anderen Erfordernissen voraus, daß dem Steuerpflichtigen die Aufwendungen zwangsläufig erwachsen sind. Aufwendungen entstehen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen, d. h. vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig, auf seine Entschließung in einer Weise einwirken, daß er ihnen nicht auszuweichen vermag.

Unterhaltsleistungen an den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erwachsen nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Auch Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen ist nicht schon aufgrund des (auch auf Dauer angelegten) Zusammenlebens und wegen der gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung zu bejahen. Vielmehr kommt eine sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nur in Betracht, wenn die Bedürftigkeit des Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen (Senatsurteil vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294, m. w. N., und in BFHE 164, 82, BStBl II 1991, 518).

Nach dem Vortrag des Klägers war hier die (behauptete) Unterhaltsbedürftigkeit seiner Verlobten gemeinschaftsbedingt. Denn sie kann den Umständen nach nur darauf beruhen, daß die Verlobte wegen der beabsichtigten Eheschließung und der damit zusammenhängenden Ausreise aus Thailand ihre Arbeitsstelle aufgeben mußte und aufgegeben hat. Entscheidend ist in diesem Fall nicht die Dauer des Zusammenlebens, sondern die beabsichtigte Eheschließung als Ursache für den Eintritt der Bedürftigkeit. Die - unter dem besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) stehende - eheliche Lebensgemeinschaft hat nach Auffassung des Senats bereits gewisse Vorwirkungen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, eine im Zuge der Ehebegründung auftretende Unterhaltsbedürftigkeit eines Partners steuerlich zu begünstigen.

Trifft die Darstellung des Klägers zu, so lagen auch besondere Umstände vor, die die Unterhaltsgewährung unter Würdigung aller Umstände für den Kläger als unausweichlich erscheinen ließen. Ist nämlich eine beabsichtigte und alsbald durchgeführte Eheschließung Anlaß und Grund der Unterhaltsbedürftigkeit, so kann die sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung nicht von der Länge und den besonderen Umständen der zwischen dem Steuerpflichtigen und seiner Verlobten bestehenden Lebensgemeinschaft abhängen.

Darauf kann es vielmehr nur ankommen, wenn die Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung aus der Lebensgemeinschaft selbst (und weiteren damit zusammenhängenden Umständen) hergeleitet wird. Muß aber zur Zusammenführung eines zur Heirat entschlossenen Paares ein Partner seine Berufstätigkeit (oder eine andere alleinige Unterhaltsquelle) aufgeben und wird er dadurch unterhaltsbedürftig, so ist der andere Partner, der diese Folgen (mit-)veranlaßt hat, sittlich verpflichtet, die dadurch entstandene Unterhaltsbedürftigkeit zu beseitigen.

Das Urteil des FG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, so daß sie nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückverwiesen werden muß.

Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung festzustellen haben, ob die Verlobte ursprünglich einen ihren Unterhalt sichernden Beruf ausübte und ob sie ihre Arbeitsstelle tatsächlich im Zuge der Vorbereitungen für die Eheschließung und die damit verbundene Übersiedlung in die Bundesrepublik aufgeben mußte. Wenn das FA den einschlägigen Vortrag des Klägers (wie bisher) nicht bestreitet, wird das FG die insoweit erforderlichen Feststellungen ohne weitere Sachaufklärung treffen können. Denn das FA ist in seiner Revisionserwiderung selbst davon ausgegangen, daß sich das Zusammenleben des Paares in Thailand auf das Notwendigste beschränkt hat und sich die Vorbereitungsphase nur wegen einer nachträglichen Verschärfung der nationalen Einreisebestimmungen für Thailänder verzögert hat. Sind auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eigenen Vermögens der Verlobten (§ 33 a Abs. 1 Satz 2 EStG) gegeben, so liegen die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG dem Grunde nach vor.

Im Hinblick auf das vom FG für das Streitjahr festgestellte Alter der Verlobten von 17 Jahren kommt aber nur Nr. 1 des § 33 a Abs. 1 EStG als Anspruchsgrundlage in Betracht. Danach beträgt der anzusetzende und ggf. noch nach § 33 a Abs. 4 EStG zeitanteilig zu ermäßigende Unterhaltshöchstbetrag 2.484 DM. Soweit der Unterhalt in Thailand gewährt wurde, mindert sich dieser Betrag nach der sog. Ländergruppeneinteilung um 2/3 (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 17. August 1987, BStBl I 1987, 620; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33 a Rdnr. 134).