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  BFH-Urteil vom 24.6.1993 (V R 69/92) BStBl. 1994 II S. 52

Die Gestattung, eine überdachte Schießanlage zur Ausübung des Schießsports ohne Ausschluß weiterer Schützen gegen ein Eintrittsgeld und ein nach Art und Anzahl der abgegebenen Schüsse bemessenes Entgelt zu nutzen, ist nicht als Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei.

UStG 1980 § 4 Nr. 12 Buchst. a.

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein (e. V.), ließ aufgrund eines im September 1988 erteilten Generalauftrages eine überdachte Schießanlage errichten. Die Anlage besteht aus zwei getrennten Schießhallen sowie einem Aufenthaltsraum mit Nebenräumen. In der sog. Gewehrschießhalle befinden sich vier nebeneinanderliegende Schießplätze, von denen drei nach Wahl des Schützen zum Schießen im Stehen oder Sitzen benutzt werden können; von einem Schießplatz kann auch im Liegen geschossen werden. Die Schießplätze dürfen gleichzeitig benutzt werden. In der anderen Halle, dem sog. Flintenstand, kann auf verschiedene Ziele, die u. a. von einem computergesteuerten Projektor auf einen weißen, schußfesten Vorhang im Zielbereich projiziert werden, geschossen werden. In dieser Halle dürfen die Schützen nur nacheinander schießen. Auf dem jeweiligen Schießplatz in beiden Hallen darf sich nur der schußbereite Schütze aufhalten; er muß den Platz nach seinem letzten Schuß sofort räumen. Zutritt zum Schießplatz wird jedem Schützen nur an bereiter Stelle nach Beendigung der Schießübung des vorhergehenden Schützen gewährt. Beide Hallen dürfen jeweils von höchstens vier Schützen betreten werden. Weitere Schützen müssen im Aufenthaltsraum warten. Die Zusammensetzung der jeweils wartenden und der jeweils schießenden Schützen hängt vom Zufall ab und kann sich ständig ändern.

Im Streitjahr (1989) nutzten Mitglieder des Deutschen Schützenbundes, des Deutschen Jagdschutzbundes und sog. Jungjäger die Anlagen. Für die Benutzung der von ihm unterhaltenen Einrichtung erhob der Kläger beim Betreten der Anlage ein "Eintrittsentgelt" von 3 bzw. 6 DM sowie weitere Entgelte nach Anzahl und Art der abgegebenen Schüsse. In der Gewehrschießhalle erfolgte diese Abrechnung über neben jedem Schießplatz montierte Münzeinwurfautomaten. Die Jungjäger entrichteten kein gesondertes Schießentgelt; ihr Ausbilder leitete die in der Gesamtausbildungsgebühr enthaltenen Schießentgeltanteile an den Kläger weiter.

Abweichend von den Umsatzsteuervoranmeldungen, in denen der Kläger sämtliche ihm im Zusammenhang mit der Errichtung der Schießanlage in Rechnung gestellten Steuern als Vorsteuerbeträge geltend gemacht hatte, ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in dem angefochtenen Umsatzsteuerjahresbescheid 1989 nur die auf die Anschaffungskosten der Betriebsvorrichtungen entfallenden Umsatzsteuerbeträge zum Vorsteuerabzug zu. Das FA vertrat im Anschluß an eine Umsatzsteuersonderprüfung die Auffassung, der Kläger habe eine Sportanlage i. S. des Abschn. 86 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) vermietet, so daß die Vermietungsleistung in einen steuerfreien Teil für die Vermietung des Grundstücks (§ 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1980 -) und einen steuerpflichtigen Teil für die Vermietung der Betriebsvorrichtungen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1980) aufzuteilen sei.

Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch, mit dem er sich auf das Nichtvorliegen eines Mietvertrags mit den Schützen sowie auf eine verbindliche Zusage der Vorsteuergewährung durch das FA berufen hatte, Klage mit dem Antrag, unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 1989 Vorsteuern in Höhe von 141.092,87 DM zum Abzug zuzulassen und die Umsatzsteuer 1989 dementsprechend auf einen Überschuß in Höhe von 140.073,55 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Umsatzsteuer 1989 auf ./. 141.092 DM fest. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Die streitigen Vorsteuerbeträge seien zum Abzug zuzulassen, weil eine gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 vorsteuerabzugsschädliche Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 nicht vorgelegen habe. Die Überlassung des Gebäudes und der Gebäudeflächen (Standplatz während des Schießens) habe im Streitfall keine eigenständige Bedeutung, sondern trete hinter dem Sportbetrieb durch Abhaltung von Schießübungen zurück.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung trägt es im wesentlichen vor, der Kläger habe Grundstücksmietverträge i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 mit den einzelnen Schützen abgeschlossen, indem er ihnen bestimmbare Grundstücksflächen zur Ausübung des Schießsports zeitlich befristet überlassen habe. Die vom FG gegen die Annahme eines Mietvertrags angeführten Gründe seien - wie das FA im einzelnen darlegt - nicht überzeugend. Insbesondere habe die Überlassung des Gebäudes und der Gebäudeflächen nicht die untergeordnete Bedeutung, die ihr das FG beimesse, weil der Schießsport innerhalb einer Großstadt aus immissionsschutzrechtlichen Gründen nur innerhalb einer Halle möglich sei, wie der Kläger selbst zutreffend vorgetragen habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt er auf die Vorentscheidung Bezug.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist im wesentlichen unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 verneint und der Klage stattgegeben. Es ist allerdings entgegen § 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über das Klagebegehren hinausgegangen.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 ist der Vorsteuerabzug für Lieferungen und sonstige Leistungen ausgeschlossen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Zu diesen vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen gehört auch die steuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980). Eine solche hat das FG im Streitfall im Ergebnis zu Recht verneint.

a) Der Begriff der Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1980 ist nach ständiger Rechtsprechung bürgerlich-rechtlich zu bestimmen (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Oktober 1991 V R 95/89, BFHE 166, 191, BStBl II 1992, 209, m. w. N.).

Vermietung bedeutet die Gebrauchsüberlassung und Gebrauchserhaltung der vermieteten Sache während der Mietzeit (§§ 535, 536 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Bei Sportanlagen liegt eine Gebrauchsüberlassung nach der Rechtsprechung des Senats vor, wenn einem oder mehreren Mietern eine bestimmte oder bestimmbare Grundstücksfläche zeitweilig zum ausschließlichen Gebrauch oder Mitgebrauch überlassen wird, nicht dagegen, wenn dem Besucher einer Sportstätte deren Nutzung (lediglich) im Rahmen der allgemeinen Benutzerordnung ohne Ausschluß weiterer Besucher gestattet wird (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 1992 V R 68/88, BFHE 168, 198, BStBl II 1992, 758). Dementsprechend hat der Senat in dem bezeichneten Urteil eine stundenweise Überlassung von Tennisplätzen in einer Tennishalle an Einzelspieler gegen Entgelt als Grundstücksvermietung beurteilt, eine mietweise Gebrauchsüberlassung hingegen verneint, wenn einem clubfremden Golfspieler gegen Entrichtung von Greenfee die Benutzung des Golfplatzes gestattet wird (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659), oder wenn ein Besucher eines Schwimmbads dieses im Rahmen der allgemeinen Badeordnung nutzt, selbst wenn er dabei (ohne besonderen Mietvertrag) einen Liegestuhl oder Liegeplatz belegt (vgl. Senatsurteil in BFHE 168, 198, BStBl II 1992, 758).

b) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall zwischen dem Kläger und den Benutzern der Schießanlage kein Mietvertrag über Grundstücke zustande gekommen. Gegenstand der Leistungen des Klägers war vielmehr die Überlassung der einzelnen Schießeinrichtungen, also die Geräteüberlassung. Dieses Ergebnis wird insbesondere durch die Entgeltregelung bestätigt.

Wie das FG bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), durften die einzelnen Schützen nach ihrer Wahl einen oder mehrere der verschiedenen Schießplätze benutzen, nachdem sie bei Betreten der Anlage ein sog. Eintrittsentgelt - vergleichbar einem Eintrittsgeld in einem Schwimmbad - entrichtet hatten. Die Schützen hatten mithin das Recht, die gesamte Sportanlage - im Rahmen der durch die Satzung des Klägers festgelegten allgemeinen Benutzungsordnung - zu nutzen. Ihnen wurde nach den für die Bestimmung des Leistungsinhalts maßgebenden objektiven Gegebenheiten gestattet, zur Ausübung des Schießsports die dafür erforderlichen technischen Vorrichtungen der Schießanlage zu nutzen, nicht aber der Gebrauch eines Grundstücks gewährt.

Die Schützen hatten kein auf eine bestimmte oder bestimmbare Mietzeit bezogenes Entgelt (§ 535 BGB) zu entrichten. Denn die Höhe der neben dem Eintrittsentgelt von ihnen zu entrichtenden Entgelte hing nach den weiteren Feststellungen des FG von Anzahl und Art der abgegebenen Schüsse ab, auch soweit diese Abrechnung durch Münzautomaten erfolgte, die neben den einzelnen Schießplätzen in der sog. Gewehrschießhalle angebracht waren. Diese Entgelte wurden demnach - anders als etwa bei der stundenweisen Überlassung eines Tennisplatzes - nicht nach der Dauer der Benutzung des jeweiligen Schießplatzes bemessen und fielen dementsprechend z. B. nicht an, solange ein Schütze auf einem Schießplatz ohne Schußabgabe nur Anschlag- oder Zielübungen durchführte. Ein von einer bestimmten oder bestimmbaren Mietzeit abhängiges Entgelt wurde im Streitfall mithin nicht geschuldet.

Solange ein Schießstand benutzt wurde, waren zwar die wartenden Schützen von dessen Benutzung faktisch ausgeschlossen; möglicherweise war der Kläger auch verpflichtet, jedem Schützen für die Dauer seiner Schießübung einen nicht durch Dritte gestörten Gebrauch des Schießstandes einschließlich der Schußbahn zu gewähren. Entsprechendes gilt aber ebenfalls, wenn etwa ein Golfspieler ein bestimmtes Loch spielt oder wenn ein Schwimmbadbenutzer einen freistehenden Liegestuhl oder eine bestimmte Sprunganlage (z. B. Dreimeterbrett) benutzt. Ein Recht der Schützen, eine bestimmte oder bestimmbare Grundstücksfläche für eine vereinbarte Mietdauer ausschließlich oder zum Mitgebrauch zu nutzen, kann daraus nicht hergeleitet werden. Den Schützen wurde auch nicht die Anlage insgesamt oder teilweise zur stundenweisen Benutzung unter Ausschluß anderer Benutzer überlassen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Oktober 1980 V R 51/76, BFHE 132, 119, BStBl II 1981, 228). Vielmehr hing nach den Feststellungen des FG die Zusammensetzung der jeweils schießenden (und wartenden) Schützen - auch im sog. Flintenstand - vom Zufall ab und konnte sich ständig ändern.

2. Soweit das FG entgegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über das Klagebegehren (Festsetzung eines Überschusses in Höhe von 140.073,55 DM) hinausgegangen ist (Festsetzung eines Überschusses in Höhe von 141.092 DM), hat die Revision Erfolg.