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  BFH-Urteil vom 9.9.1993 (V R 24/89) BStBl. 1994 II S. 57

Veräußert ein als gemeinnützig anerkannter Verein neben der Ausführung anderer steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze mehrmals ihm von Todes wegen (zugunsten der Verfolgung seiner gemeinnützigen Zwecke) zugewendete Gegenstände, so fallen diese Veräußerungen jedenfalls dann in den Rahmen seines Unternehmens (und nicht in die nichtunternehmerische Sphäre), wenn sie für sich allein gesehen nachhaltig sind.

UStG 1973/1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 23; UStG 1980 § 4 Nr. 28 Buchst. a.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener Verein, ist nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) als gemeinnützig und mildtätig anerkannt.

Er führte in den Streitjahren (1976 bis 1978, 1980 und 1981) ausweislich seiner Umsatzsteuererklärungen neben steuerpflichtigen Umsätzen auch steuerfreie Umsätze (Steuerfreiheit insbesondere nach § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1973/1980) aus.

In den Jahren 1976 bis 1981 veräußerte der Kläger ihm von Todes wegen zugewendete Vermögensgegenstände (Grundstücke, Wertpapiere, Hausrat, Fahrzeuge usw.). Die Verkäufe von Hausratgegenständen beliefen sich auf ca. 25 bis 85 Fälle jährlich.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) unterwarf die Erlöse aus dem Verkauf von Hausrat und Gemälden unter Behandlung als Bruttobeträge mit dem ermäßigten Steuersatz der Umsatzsteuer. Dadurch erhöhte sich die Umsatzsteuer wie folgt:

 

1976

1977

1978

1980

1981

DM

DM

DM

DM

DM

       

260,45

528,46

445,92

3.301,32

2.882,75

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus: Die streitigen Veräußerungen seien umsatzsteuerpflichtig. Der Kläger sei insoweit nachhaltig tätig geworden. Die erörterten Erbfälle hätten ihn veranlaßt, wiederholt Gegenstände einzeln oder en bloc an Dritte zu veräußern, und zwar mit anhaltender Tendenz. Die Werbung des Klägers lasse weiterhin den dauernden Eingang nicht nur von Geld, sondern ebenso von Sachspenden, auch aufgrund von Erb- und Vermächtnisanfällen, erwarten. Die Veräußerungen hätten eine Betriebsorganisation erfordert, wie sie bei Händlern üblich sei. Diese Organisation sei beim Kläger bereits für die Verfolgung seines gemeinnützigen Zwecks vorhanden und zur planmäßigen Abwicklung der Verkäufe am Markt benutzt worden.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 2 Abs. 1 UStG 1973/1980 und § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG 1980. Nach seiner Auffassung stellen die streitigen Veräußerungen keine unternehmerische Tätigkeit dar. Hilfsweise beruft er sich auf Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG 1980. Außerdem ist er der Ansicht, mangels Vorsteuerabzugs führe die Besteuerung seiner Verkäufe zu einer Wettbewerbsverzerrung, die mit der Sechsten Umsatzsteuer-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften (6. EG-Richtlinie) nicht vereinbar sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer der Streitjahre um die auf die Nachlaßverkäufe entfallenden Steuerbeträge herabzusetzen.

Hilfsweise regt er an, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Auffassung des FG, die streitigen Veräußerungsgeschäfte seien steuerpflichtig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1973/1980 unterwirft Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland/im Erhebungsgebiet gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer.

aa) Der Kläger war in den Streitjahren bereits aufgrund der nicht streitbefangenen steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1973/1980).

bb) Die Hausratveräußerungen fallen in den Rahmen des Unternehmens des Klägers (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1973/1980).

Der Senat braucht nicht der Frage nachzugehen, ob der Kläger neben seiner unternehmerischen auch eine nichtunternehmerische Sphäre besitzt. War der Kläger in den Streitjahren nur unternehmerisch tätig oder hat er die ihm zugewendeten Gegenstände sogleich dem unternehmerischen Bereich (Verkaufsbereich) zugeordnet, so gehören die Veräußerungen schon deshalb zu seinem Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973/1980).

Hieran würde sich nichts dadurch ändern, daß die veräußerten Gegenstände dem Kläger zugunsten der Verfolgung seiner gemeinnützigen Zwecke zugewendet wurden und er die Erlöse hierfür eingesetzt hat. Entscheidend ist, daß die Veräußerungen aufgrund der vom FG festgestellten Nachhaltigkeit, bereits für sich allein gesehen, unternehmerischen Charakter haben (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 1987 V R 109/77 unter 2 a, b, BFHE 150, 368, BStBl II 1987, 735).

Die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776) anhand einer Reihe verschiedener Kriterien zu beurteilen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen Nachhaltigkeit sprechen. Der tatsächlichen Würdigung der Einzelheiten durch die Tatsacheninstanz kommt insoweit eine besondere Bedeutung zu (Senatsurteil vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379).

Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Nachhaltigkeit der Veräußerungstätigkeit bejaht. Besonderes Gewicht hat es zu Recht der Zahl der Verkaufsfälle und dem Einsatz der Organisation des Klägers für die Verkäufe beigemessen.

Der Umstand, daß der Kläger die veräußerten Gegenstände nicht entgeltlich erworben hatte, zwingt nicht dazu, die Veräußerungen als nichtunternehmerisch zu beurteilen. Selbst eine Privatperson, die von Todes wegen erlangte Gegenstände veräußert, handelt dabei unternehmerisch, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973/1980 bestimmten Voraussetzungen unternehmerischer Tätigkeit erfüllt sind (Senatsurteil vom 24. November 1992 V R 8/89).

Die Absicht des Klägers, durch die Verkäufe der Hausratsgegenstände Einnahmen zu erzielen, steht außer Frage. Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973/1980).

b) Die streitigen Umsätze sind nicht steuerfrei.

Aus § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG 1980 kann Steuerfreiheit für die Streitjahre 1976 bis 1978 schon deshalb nicht hergeleitet werden, weil das UStG 1973 keine entsprechende Regelung enthielt.

Auch für die Jahre 1980 und 1981 begründet die zitierte Norm nicht Steuerfreiheit der Umsätze. Nach der Vorschrift sind von den unter § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UStG 1980 fallenden Umsätzen u. a. steuerfrei die Lieferungen von Gegenständen, wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach § 4 Nrn. 7 bis 27 oder 28 Buchst. b UStG 1980 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Veräußert wurden nämlich gerade die Gegenstände, die der Kläger für seine Vereinszwecke nicht nutzte.

Auch aus anderen Bestimmungen läßt sich Steuerfreiheit nicht herleiten. Die streitigen Umsätze erfüllen nicht die Voraussetzungen der Vorschrift des § 4 Nr. 23 UStG 1973/1980.

2. Der EuGH hat im Urteil vom 5. Dezember 1989 Rs. C-165/88 (EuGHE 1989, 4081) dargelegt, daß Gemeinschaftsrecht nicht verletzt ist, wenn der Verkäufer eines gebrauchten Gegenstandes, den dieser von einer Privatperson zum Zwecke des Wiederverkaufs erworben hat, die im Ankaufspreis des Gegenstandes enthaltene Mehrwertsteuer nicht abziehen kann. Diese Aussage gilt entsprechend im Falle des Klägers, der die Gegenstände von Todes wegen ohne die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug erworben hat. Eine Vorlage an den EuGH ist daher nicht geboten.

Solange eine Gemeinschaftsregelung nicht besteht, sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 32 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie zwar berechtigt, Sonderregelungen für die Besteuerung von Gebrauchtgegenständen beizubehalten; eine Pflicht zur Einführung einer derartigen Sonderregelung besteht aber nicht. Der Bundesgesetzgeber hat in § 25 a UStG 1980 eine Sonderregelung nur für die Umsätze von Gebrauchtfahrzeugen getroffen. Wegen der besonderen Situation auf dem Markt für Gebrauchtfahrzeuge und der Intensität der Wettbewerbsverzerrung konnte er sich ohne Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes auf diese Teilregelung beschränken.