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  BFH-Urteil vom 13.10.1993 (X R 49/92) BStBl. 1994 II S. 86

Über die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit Anschaffung und Veräußerung eines im Privatvermögen gehaltenen Anteils an einer "Immobilien-KG" zu einem Gewinn i. S. des § 23 EStG geführt haben, ist nicht im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften zu entscheiden.

AO 1977 §§ 179 ff.; EStG § 23.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hatte am 30. Mai 1983 von der X für 800.209 DM deren Kommanditbeteiligung an der Y-KG, der Beigeladenen (KG), erworben, an der neben dem (am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligten) Komplementär A noch neun weitere Kommanditisten beteiligt waren. Unternehmensgegenstand ist nach dem auf unbestimmte Dauer geschlossenen Gesellschaftsvertrag vom 5. Mai 1981 die Errichtung und Verwaltung eines Wohn- und Geschäftsgebäudes auf dem Grundstück der KG. Jedem Gesellschafter stand nach dem Gesellschaftsvertrag ein bestimmtes Wohnungs- oder Teileigentum zu, das ihm auch bei seinem Ausscheiden aus der KG (deren Fortbestand hierdurch nicht berührt wurde) anstelle eines Auseinandersetzungsguthabens erhalten bleiben sollte. Für den Fall der Auflösung der KG war Realteilung gemäß der im Vertrag festgelegten Zuordnung der Räume vereinbart.

Am 23. Dezember 1983 übertrug die Klägerin ihren, im Privatvermögen gehaltenen, Kommanditanteil zum Kaufpreis von 950.000 DM an B, den jetzigen Geschäftsführer der KG.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte sich im Anschluß an eine Außenprüfung auf den Standpunkt, die Klägerin habe aus Anteilserwerb und Anteilsveräußerung einen Spekulationsgewinn i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 149.791 DM erzielt, und stellte diesen im Sammeländerungsbescheid vom 17. August 1988 gegenüber der Klägerin neben deren Verlustanteil von 24.731 DM wie auch gegenüber der KG (neben deren Gesamtverlust in Höhe von 709.450 DM) gesondert und einheitlich fest.

Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es folgte der vom erkennenden Senat im Urteil vom 4. Oktober 1990 X R 148/88 (BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211) vertretenen Ansicht, in Fällen der streitigen Art gelte, weil weder ein Grundstück noch ein grundstücksgleiches Recht veräußert werde, nicht die Zweijahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG, sondern die (hier abgelaufene) Sechsmonatsfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG.

Zur Begründung der Revision bringt das FA neben den im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 27. Februar 1992 (BStBl I 1992, 125 - "Nichtanwendungserlaß" zum vorgenannten Senatsurteil) enthaltenen Argumenten vor allem vor, im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei der "Durchgriff durch die gesamthänderische Beteiligung auf die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens" im Streitfall in besonderem Maße deshalb erforderlich, weil die Klägerin hinsichtlich des ihr zugeordneten Teil- oder Wohnungseigentums wirtschaftliche Eigentümerin geworden sei. - In formeller Hinsicht hält es auf entsprechenden Hinweis des Senatsvorsitzenden an seiner Meinung fest, daß der streitige Vorgang zu Recht in einem Feststellungsbescheid erfaßt worden sei.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene, die - ebenso wie im Klageverfahren - keinen eigenen Sachantrag gestellt hat, begehrt unter Berufung auf § 139 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Oktober 1991 VIII R 81/87 (BFHE 165, 482, BStBl II 1992, 147) Kostenerstattung.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Im Ergebnis zu Recht hat das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung insoweit aufgehoben, als sie einen Spekulationsgewinn der Klägerin feststellten. Die Entscheidung hierüber fiel nicht in den Regelungsbereich des angefochtenen Steuerverwaltungsakts.

1. Abweichend von § 157 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) werden gemäß § 179 Abs. 1 AO 1977 Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in der AO 1977 selbst oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist. Die gesonderte Feststellung wird nach § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich vorgenommen, wenn dies gesetzlich bestimmt ist oder der Gegenstand der Feststellung mehreren Personen zuzurechnen ist.

Wenn also über Besteuerungsgrundlagen nicht, wie dies § 157 Abs. 2 AO 1977 für den Regelfall vorschreibt, im Rahmen eines Steuerbescheids (§§ 155, 157 Abs. 1 AO 1977) unselbständig, sondern verselbständigt entschieden werden soll, bedarf dies einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 179 AO 1977 Tz. 12; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 179 AO 1977 Tz. 1 ff. m. w. N.; s. auch BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 86/89, BFHE 166, 74, BStBl II 1992, 185). Die Frage, durch welche Art von Steuerverwaltungsakt ein Einzelfall zu regeln ist, insbesondere, ob dies ein- oder mehrstufig zu geschehen hat, steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde (vgl. auch Tipke/Kruse, a. a. O., vor § 179 AO 1977).

Für eine Regelung der streitigen Einkünfte im angefochtenen Feststellungsbescheid fehlt die erforderliche Rechtsgrundlage.

a) Auf § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 kann die Erfassung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung im Feststellungsbescheid vom 17. August 1988 nicht gestützt werden, weil der streitige Besteuerungstatbestand (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Abs. 2 Nr. 2, § 22 Nr. 2 und § 23 EStG) nicht von mehreren Personen (vgl. u. a. BFH-Urteil vom 23. Juni 1992 IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972), sondern allein von der Klägerin verwirklicht wurde.

b) Auch § 180 Abs. 2 AO 1977 i. V. m. der hierzu ergangenen Rechtsverordnung vom 19. Dezember 1986 (Verordnung; BGBl I 1986, 2663, BStBl I 1987, 2; zuletzt geändert am 22. Oktober 1990, BGBl I 1990, 2275, BStBl I 1990, 724) scheidet als Rechtsgrundlage für die Einbeziehung des Spekulationsgewinns in den angefochtenen Feststellungsbescheid aus.

Die im Streitfall allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 der Verordnung liegen nicht vor. Danach können Besteuerungsgrundlagen, insbesondere einkommensteuerpflichtige (oder körperschaftsteuerpflichtige) Einkünfte, ganz oder teilweise gesondert und einheitlich festgestellt werden, wenn der Einkunftserzielung dienende Wirtschaftsgüter, Anlagen oder Einrichtungen von mehreren Personen betrieben, genutzt oder gehalten werden. Der Gesellschaftsanteil, um den es hier geht, diente zwar als Objekt des vom FA als Spekulationsgeschäft qualifizierten Erwerbs- und Veräußerungsvorgangs, wurde aber nicht von mehreren genutzt oder gehalten.

Im Ermessen der Finanzbehörden steht es nicht, den Regelungsbereich der Verordnung auszuweiten, sondern nur, im Einzelfall, trotz Erfüllung ihrer Voraussetzungen, von einer Durchführung des Feststellungsverfahrens ganz oder teilweise abzusehen (s. § 4 Satz 1 der Verordnung und dazu Senatsurteil vom 23. September 1992 X R 156/90, BFHE 169, 113, BStBl II 1993, 11).

2. Zu Unrecht beruft sich das FA auf die durch die BFH-Rechtsprechung bestätigte Behandlung von Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben. Deren Einbeziehung in die gesonderte und einheitliche Feststellung rechtfertigt sich aus ihrer betrieblichen Veranlassung: Sie dienen unmittelbar (im Fall des Sonderbetriebsvermögens I) oder mittelbar (über die unmittelbare Unterstützung der Beteiligung beim Sonderbetriebsvermögen II) dem Betrieb der Gesellschaft (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1991, 402; vom 23. Mai 1991 IV R 94/90, BFHE 164, 540, BStBl II 1991, 800; vom 18. Dezember 1991 XI R 42, 43/88, BFHE 167, 347, BStBl II 1992, 585, und vom 7. April 1992 VIII R 86/87, BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21; speziell zu Sonderbetriebsausgaben: BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 35/90, BFHE 165, 336, BStBl II 1992, 4) und auf diese Weise auch der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft (vgl. BFH-Urteile vom 2. Dezember 1982 IV R 72/79, BFHE 137, 323, BStBl II 1983, 215, und vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. Dezember 1992 1 BvR 1333/89, HFR 1993, 327, 328; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., 1993, § 15 Anm. 65 m. w. N.).

Bei Erwerb und Veräußerung eines zum Privatvermögen gehörenden Gesellschaftsanteils hingegen fehlt ein solcher Zusammenhang. Hieran ändert sich auch nichts, wenn dies zu sonstigen Einkünften i. S. des § 23 EStG führt, denn die Verwirklichung dieses Gesetzestatbestands ist dadurch gekennzeichnet, daß sich sowohl Anschaffung als auch Veräußerung im Privatvermögen ereignen (vgl. BFH-Urteile vom 23. April 1965 VI 34/62 U, BFHE 82, 637, BStBl III 1965, 477; vom 30. November 1976 VIII R 202/72, BFHE 120, 522, BStBl II 1977, 384; vom 25. August 1987 IX R 65/86, BFHE 151, 132, BStBl II 1988, 248, und vom 29. März 1989 X R 4/84, BFHE 165, 465, BStBl II 1989, 652; s. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 23 EStG Tz. 2; Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2 Anm. A 663 ff.; Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 23 Anm. 1 - jeweils m. w. N.). Dies vor allem unterscheidet Geschäfte der vorliegenden Art auch von der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. dazu Schmidt, a. a. O., § 16 Anm. 70 ff.), wobei auch zu berücksichtigen ist, daß der Ausgangswert für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns sich gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG nach dem Wertausweis des Mitunternehmeranteils im Rahmen der Mitunternehmerschaft bestimmt.

3. Schon aus den vorgenannten Gründen hat das FG dem Klagebegehren zu Recht entsprochen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. auch BFH-Beschluß vom 26. April 1990 IX B 224/88, BFH/NV 1991, 240, 242). Die inhaltliche Richtigkeit der streitigen Regelung kann in diesem Verfahren nicht geprüft werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 2 FGO. - Eine Kostenerstattung zugunsten der Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 FGO kam nicht in Betracht, weil sie keinen eigenen Sachantrag gestellt und auch sonst keinen wesentlichen Beitrag zur Verfahrensförderung geleistet hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, § 139 Rz. 34 m. w. N.).