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  BFH-Urteil vom 14.7.1993 (I R 71/92) BStBl. 1994 II S. 91

1. Verpachtet ein im Inland ansässiger Gesellschafter einer "aktiv" tätigen schweizerischen Personengesellschaft ein ihm gehöriges in der Schweiz belegenes Grundstück an diese Personengesellschaft, so sind die aus der Verpachtung fließenden Einkünfte von der deutschen Besteuerung ausgenommen, wenn das Grundstück einer schweizerischen Betriebsstätte der Personengesellschaft dient (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz).

2. Die Einkünfte sind auch dann in vollem Umfang steuerfrei, wenn der inländische Verpächter nur zu einem Bruchteil an der Personengesellschaft beteiligt ist.

3. Die Steuerbefreiung gilt auch für Gewinne aus der Veräußerung des Grundstücks (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a letzter Halbsatz DBA-Schweiz).

DBA-Schweiz Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 7, Art. 13 Abs. 1, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; AO 1977 § 179 Abs. 3, § 180 Abs. 1 bis 3 und Abs. 5; FGO § 74.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte im Streitjahr 1985 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Er war damals zu 50 v. H. an einer KG schweizerischen Rechts beteiligt. Dieses Unternehmen war hauptsächlich als Vertriebsgesellschaft für die Produkte der inländischen KG X (X) tätig. Der Kläger vermietete ein in seinem Alleineigentum stehendes Grundstück in Chur bis zu dessen Veräußerung Ende 1985 an die schweizerische KG (KG). Die KG nutzte das Grundstück für ihre betrieblichen Zwecke.

Mit Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 1985 vom 5. Juni 1991 stellte das Finanzamt M für Körperschaften "für Zwecke des Progressionsvorbehalts" steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende gewerbliche Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der schweizerischen KG in Höhe von 898.333 DM fest. Das Feststellungsfinanzamt fügte der für den Kläger bestimmten Mitteilung über diese Feststellung eine Anlage bei, in der es u. a. heißt:

"Ich weise darauf hin, daß nur die Hälfte der Vermietungs- und Grundstücksveräußerungseinkünfte im Rahmen der Progressionsvorbehaltsfeststellung des FA M für Körperschaften erfaßt sind; die andere Hälfte stellt im Inland voll anzusetzende gewerbliche Einkünfte dar, vgl. gesonderter Prüfungsbericht für das FA M."

Das Finanzamt M für Körperschaften berief sich auf zwei Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 18. März 1988 und vom 20. August 1990, wonach der Kläger nur hälftig an der KG beteiligt sei und deshalb auch nur 50 v. H. seiner aus dem Grundstück bezogenen Einkünfte steuerfrei seien.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Wohnsitz-Finanzamt - FA -) des Klägers unterwarf diese Einkünfte in Höhe von zusammen 522.610 DM im Einkommensteueränderungsbescheid 1985 vom 26. Juli 1991 als steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer. Er rechnete die hierauf entfallenden schweizerischen Steuern in Höhe von 102.892 DM gemäß § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an. Die nach dem Feststellungsbescheid vom 5. Juni 1991 als steuerfrei festgestellten Einkünfte berücksichtigte das FA im Rahmen des Progressionsvorbehalts.

Der Kläger erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 mit Zustimmung des FA Sprungklage. Er beantragte, die gesamten Einkünfte aus der Vermietung und Veräußerung des Grundstücks steuerfrei zu belassen.

Nach Klageerhebung erklärte das FA den Einkommensteuerbescheid 1985 durch Bescheid vom 8. September 1992 wegen anderer Besteuerungsgrundlagen für vorläufig (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Bescheid vom 8. September 1992 wurde auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens.

2. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

3. Der Kläger stützt seine Revision auf Verletzung der Art. 7 Abs. 7, 24 Abs. 1 Nr. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971/30. November 1978 - DBA-Schweiz - (BStBl I 1972, 519, BStBl I 1980, 399) und des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Der Kläger beantragt,

a) das angefochtene Urteil aufzuheben,

b) das FA anzuweisen, den Einkommensteuerbescheid 1985 zu ändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 522.610 DM zu vermindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG das Verfahren nicht bis zum Ergehen eines ergänzenden Feststellungsbescheids ausgesetzt hat (§ 74 FGO).

Das Finanzamt M für Körperschaften hat in seinem Feststellungsbescheid vom 5. Juni 1991 eine Feststellung "für Zwecke des Progressionsvorbehalts bzw. § 2 AIG" getroffen. Durch diese Beschränkung sind Inhalt und Bindungswirkung des Feststellungsbescheids unklar. Gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 sind "Absatz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 2 und 3 entsprechend anzuwenden, soweit die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind". Eine "entsprechende" Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 kann nur bedeuten, daß in erster Linie Einkünfte festzustellen sind. Die Vorschrift ist lediglich deshalb "entsprechend" anzuwenden, weil keine steuerpflichtigen, sondern die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerbefreiten Einkünfte festzustellen sind. Durch den Zusatz ".... für Zwecke des Progressionsvorbehalts" ließ das Finanzamt M für Körperschaften den Adressaten des Bescheids zumindest im unklaren, ob es die nach dem DBA-Schweiz steuerfreien Einkünfte oder lediglich einen dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Betrag feststellen wollte. Wegen dieser Unklarheit ist ein Ergänzungsbescheid gemäß § 179 Abs. 3 AO 1977 erforderlich.

Das FG mußte das Verfahren bis zum Erlaß des Ergänzungsbescheids aussetzen (§ 74 FGO). Da über die Höhe der von den Gesellschaftern der schweizerischen KG bezogenen und durch das DBA-Schweiz freigestellten Einkünfte im Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 5 AO 1977 entschieden werden mußte, konnten FA und FG vor Erlaß des Ergänzungsbescheids keine abschließende Entscheidung treffen.

B. Für das ergänzende Feststellungsverfahren weist der Senat aus Gründen der Prozeßökonomie ohne Bindungswirkung auf folgendes hin:

1. Entgegen der Auffassung des FG beschränkt sich die Steuerbefreiung der Einkünfte des Klägers aus der Vermietung und Veräußerung des Grundstücks nach dem DBA-Schweiz 1971/1978 nicht auf die Hälfte der Einkünfte. Vielmehr erfaßt die Steuerbefreiung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a zweiter Halbsatz DBA-Schweiz die gesamten streitigen Einkünfte aus Überlassung und Veräußerung des Grundstücks.

a) Die Schweiz kann nach dem DBA-Schweiz die Einkünfte aus der Vermietung des Grundstücks besteuern. Das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus der Vermietung eines Grundstücks richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz. Nach dieser Vorschrift können Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Gemäß Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz gelten die Absätze 1 und 3 des Art. 6 DBA-Schweiz auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einem Unternehmen dient. Art. 6 DBA-Schweiz besitzt damit Vorrang vor den Regelungen des Art. 7 DBA-Schweiz (vgl. Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, DBA-Schweiz, Art. 6 Anm. 4 a; Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Schweiz, Art. 6 Rz. 64). Im übrigen würden die Einkünfte die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 DBA-Schweiz nicht erfüllen. Bezieht ein Gesellschafter einer Personengesellschaft Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern an diese Personengesellschaft, so werden die Vergütungen nur dann als Gewinne eines Unternehmens i. S. des DBA-Schweiz behandelt, wenn sie nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates den gewerblichen Einkünften zugerechnet werden (Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz). Nach den Feststellungen des FG gelten nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates Schweiz Sondervergütungen für die Überlassung eines Grundstücks an eine Personengesellschaft nicht als gewerbliche Einkünfte aus der Betriebsstätte.

b) Auch für die Einkünfte aus der Veräußerung des Grundstücks steht der Schweiz ein Besteuerungsrecht zu. Gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Schweiz können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i. S. des Art. 6 Abs. 2 DBA-Schweiz in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Die Bestimmung erfaßt sowohl Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Privatvermögens als auch unbeweglichen Betriebsvermögens (Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a. a. O., Art. 13 Rz. 10; Korn/Debatin, a. a. O., Art. 13 DBA-Schweiz Anm. 1 c).

c) Das für beide Einkünfte bestehende Besteuerungsrecht der Schweiz schließt die Bundesrepublik von der Besteuerung nicht grundsätzlich aus, da es sich um kein ausschließliches Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates handelt. Die dadurch eintretende virtuelle Doppelbesteuerung wird erst gemäß Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz durch Freistellung oder durch Anrechnung beseitigt.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen einer Freistellung gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, zweiter Halbsatz DBA-Schweiz gegeben. Nach dieser Bestimmung sind Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, "das einer solchen Betriebsstätte dient (Art. 6 Abs. 4)", und Gewinne aus der "Veräußerung dieses unbeweglichen Vermögens (Art. 13 Abs. 1)" von der deutschen Besteuerung ausgenommen.

Entscheidend ist danach, ob das zunächst vermietete und später veräußerte Grundstück in Chur einer "solchen Betriebsstätte", d. h. einer Betriebsstätte i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, erster Halbsatz DBA-Schweiz diente. Das ist der Fall. Nach den Feststellungen des FG war die KG hauptsächlich als Vertriebsgesellschaft für das inländische Produktionsunternehmen X tätig. Der Handel unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr gilt als "aktive" Tätigkeit i. S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, erster Halbsatz DBA-Schweiz. Die Tatbestandsvoraussetzung einer "solchen Betriebsstätte" ist damit erfüllt. Es kommt nach dem Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, zweiter Halbsatz DBA-Schweiz nur darauf an, ob die Betriebsstätte überhaupt aktiv tätig ist. Eine Aufteilung der Einkünfte wie im ersten Halbsatz der Bestimmung ist im zweiten Halbsatz nicht vorgesehen (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a. a. O., Art. 24 Rz. 105; a. A. für Veräußerungsgewinne das Einführungsschreiben des BMF zum DBA-Schweiz vom 26. März 1975, BStBl I 1975, 479, Tz. 3.1.2.4).

d) Die streitigen Einkünfte sind in vollem Umfang von der deutschen Besteuerung freigestellt. Das Grundstück des Klägers diente nicht nur seinem Anteil an der Personengesellschaft, sondern der Tätigkeit der Personengesellschaft. Nach dem Wortlaut der Vorschrift muß das vermietete Grundstück einer aktiven Betriebsstätte dienen. Diese Voraussetzung ist bei aktiver Tätigkeit der KG in ihrer schweizerischen Betriebsstätte erfüllt. Das Grundstück diente in vollem Umfang dieser Betriebsstätte und nicht nur der fiktiven Betriebsstätte "Mitunternehmeranteil" des Klägers. Die davon abweichende Auffassung des FG und des FA würde dazu führen, daß Einkünfte aus der Vermietung schweizerischer Grundstücke voll steuerfrei wären, wenn der inländische Eigentümer an eine schweizerische KG vermietet, an der er nicht beteiligt ist. Wäre er an der KG als Gesellschafter beteiligt, so wären die durch die Vermietung erzielten Einkünfte nur partiell steuerbefreit. Das entspricht weder dem Wortlaut noch den Zielen des Abkommens. Nach dem Abkommen sollen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Inland steuerpflichtig bleiben, wenn das Grundstück in einer "passiv tätigen" Betriebsstätte genutzt wird. Dient das Grundstück jedoch einer "aktiv tätigen" Betriebsstätte, soll die für Einkünfte aus Grundstücken fast ausschließlich geltende Freistellungsmethode eingreifen.

2. Ebenso wie bei der Subsumtion gewerblicher Mitunternehmereinkünfte unter Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, erster Halbsatz DBA-Schweiz auf die Verhältnisse der Personengesellschaft und nicht auf den gedachten Anteil des Gesellschafters abzustellen ist (vgl. Korn/Debatin, a. a. O., Art. 24 DBA-Schweiz Anm. 6 h), ist auch bei der Überlassung unbeweglichen Vermögens grundsätzlich auf die Gesamttätigkeit der Personengesellschaft abzustellen. Es kann insoweit dahinstehen, ob etwas anderes dann gilt, wenn den einzelnen Mitunternehmeranteilen unterschiedliche Tätigkeiten zuzuordnen wären (vgl. Flick/Wassermeyer/Wingert/Kempermann, a. a. O., Art. 24 Rz. 71). Diese Möglichkeit scheidet im Streitfall aus.