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  BFH-Urteil vom 8.12.1993 (XI R 18/93) BStBl. 1994 II S. 296

Eine - wenn auch nur geringfügige - Beteiligung eines Malermeisters an einer Wohnungsbau-GmbH kann zum notwendigen Betriebsvermögen des Malermeisters gehören.

EStG § 4 Abs. 1, § 5, § 16 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Malermeister, der seinen als Einzelfirma geführten Malerbetrieb zum 31. Juli 1984 aufgegeben hat. Er war mit zunächst 10.000 DM, nach Vornahme einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Jahre 1982 mit 20.000 DM und seit 1983 nach weiterem Anteilserwerb mit 20.400 DM an der Wohnungsbau-GmbH (Bau-GmbH) beteiligt. Diese hatte 26 Anteilseigner und ein Stammkapital von 393.600 DM. Sie war Eigentümerin von 65 Grundstücken, die - bis auf zwei - bebaut und vermietet waren. Sämtliche Anteile der Bau-GmbH wurden mit Wirkung zum 31. Dezember 1984 von zwei Immobiliengesellschaften zu einem Kaufpreis von .... DM erworben. Auf die vom Kläger gehaltenen Anteile entfiel ein Kaufpreis von .... DM.

Der Kläger erwirtschaftete in den Jahren von 1974 bis 1983 Jahresumsätze zwischen rd. 90.000 DM (1976) und rd. 150.000 DM (1979), durchschnittlich rd. 120.000 DM. Der Anteil, der hiervon aus Aufträgen der Bau-GmbH resultierte, belief sich zwischen 5,4 v. H. (= 4.865 DM in 1976) und 25,8 v. H. (= 39.071 DM in 1979), durchschnittlich auf 12,5 v. H. (= rd. 15.000 DM).

Die Beteiligung an der Bau-GmbH hatte der Kläger in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1980 im Anlagevermögen ausgewiesen, sie aber zum 31. Dezember 1981 erfolgsneutral ausgebucht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) war dem nicht gefolgt. Nach Durchführung einer Außenprüfung, die sich auf die Jahre 1979 bis 1981 erstreckte, behandelte er die Beteiligung vielmehr als notwendiges Betriebsvermögen. Auch der Kläger nahm daraufhin die Beteiligung wieder in seine Bilanz zum 31. Dezember 1982 auf und buchte sie bei der Aufgabe seines Betriebes in seiner Schlußbilanz zum 31. Juli 1984 mit dem Buchwert aus.

Das FA errechnete für die Anteile an der Bau-GmbH demgegenüber einen Aufgabegewinn von zunächst .... DM (= Verkaufspreis von .... DM abzüglich den Buchwert von 20.400 DM) und setzte hiernach die Einkommensteuer 1984 fest. Im Einspruchsverfahren wurde der Aufgabegewinn um einen Unsicherheitsabschlag für evtl. Wertabweichungen zwischen Betriebsaufgabe- und Verkaufszeitpunkt in Höhe von 10 v. H. = .... DM gemindert, die Steuerfestsetzung in diesem Punkt aber im übrigen bestätigt. Das Finanzgericht (FG) gab der vom Kläger dagegen erhobenen Klage statt. Es vertrat die Auffassung, bei der Beteiligung an der Bau-GmbH habe es sich nicht um notwendiges, sondern lediglich um gewillkürtes Betriebsvermögen gehandelt. Die Anteile seien vom Kläger im Jahre 1981 dem Betrieb entnommen worden. Daß sie anschließend wieder bilanziell ausgewiesen worden seien, beruhe nicht auf einer unternehmerischen Entscheidung, sondern auf der steuerlichen Behandlung durch das FA. Hiergegen habe der Kläger sich mangels Beschwer nicht wehren können.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 15 und 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zum notwendigen Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG) gehören Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Steuerpflichtigen genutzt werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. September 1988 VIII R 236/81, BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37; vom 19. Januar 1977 I R 10/74, BFHE 121, 199, BStBl II 1977, 287). Das kann - unabhängig von ihrer Höhe (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 4 Anm. 44 c) - auch auf die Beteiligung an einer GmbH zutreffen (z. B. BFH-Urteile vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564, betreffend Betriebsvermögen eines freiberuflich Tätigen; vom 23. Januar 1992 XI R 36/88, BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721, betreffend Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers). Nicht ausreichend ist nach der Rechtsprechung des BFH zwar grundsätzlich die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1991 IV R 2/90, BFHE 164, 309, BStBl II 1991, 786; Senatsurteil in BFHE 167, 491, BStBl II 1992, 721). Unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke wird eine solche Beteiligung aber dann genutzt, wenn sie dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dienen soll, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (BFH-Urteile vom 9. September 1986 VIII R 159/85, BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257; vom 3. Oktober 1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361). Der BFH (Urteil vom 11. März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380) hat dies beispielsweise bejaht bei der Beteiligung eines Freiberuflers an einer Kapitalgesellschaft, wenn deren Betrieb der freiberuflichen Tätigkeit nicht wesensfremd ist. Dabei ging es um die Beteiligung eines beratenden Ingenieurs für Baustatik an einer Planungs- und Bau-GmbH. Erwähnt wurde dort auch der Fall einer Beteiligung von Wirtschaftsprüfern an einer Treuhandgesellschaft. Ähnlich ist für einen freiberuflich tätigen Baustatiker bzw. einen freiberuflichen Architekten entschieden worden, die an einer Wohnungsbau-AG bzw. einer Bauträger-AG beteiligt waren (BFH-Urteile vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109; vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345), ferner für einen Landwirt, der sich an einer Genossenschaft beteiligte, die die Verwertung und den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zum Gegenstand hatte (BFH-Urteil vom 20. März 1980 IV R 22/77, BFHE 130, 312, BStBl II 1980, 439). Notwendiges Betriebsvermögen verneint hat der BFH hingegen bei der Beteiligung eines Steuerberaters an einer Autowaschstraßen-GmbH (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 198/83, BFHE 144, 53, BStBl II 1985, 517).

2. Notwendiges Betriebsvermögen kann auch die Beteiligung eines selbständig tätigen Malermeisters an einer Wohnungsbau-GmbH sein. Denn die Tätigkeit eines Malers gehört zur Baubranche. Das FG hat zu der Art der Aufträge, die dem Kläger von seiten der Bau-GmbH erteilt wurden, zwar keine näheren Feststellungen getroffen. Offenbar handelte es sich hierbei aber um für einen Malerbetrieb branchentypische Geschäftsbeziehungen. Die durch diese Aufträge bewirkten Umsätze führten in den Jahren 1974 bis 1983 - und damit über einen Zeitraum von immerhin zehn Jahren - zu Umsätzen zwischen rd. 4.800 DM und rd. 39.000 DM und beliefen sich auf durchschnittlich 12,5 v. H. der Gesamtumsätze des Klägers. Bei einem derartigen - absoluten wie relativen - Umsatzanteil ist nicht auszuschließen, daß die Beteiligung an der Bau-GmbH dazu bestimmt war, dem Kläger einen Stammkunden zu sichern. Dafür könnte auch sprechen, daß - nach dem Vorbringen des Klägers - an der Bau-GmbH eine Reihe anderer Malermeister als Gesellschafter beteiligt gewesen sind. Das FG hat hierzu und zur weiteren Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ebenfalls nichts festgestellt. Dies gilt auch für die Frage, aus welchem Grunde der Kläger die Beteiligung erworben hat. Sollte dies erfolgt sein, um - gegenüber Nichtgesellschaftern - bevorzugt und durchgängig mit entsprechenden Aufträgen versorgt zu werden, so spräche dies dafür, daß die Beteiligung aus betrieblichem Anlaß erworben wurde und damit zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte. Die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven wären dann bei Betriebsaufgabe als Aufgabegewinn zu erfassen (§ 16 Abs. 2 und 3 EStG).

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es hat allein darauf abgestellt, daß der Kläger an der Bau-GmbH nur zu einem geringen Anteil beteiligt und daß der Umfang der ihm von dieser erteilten Aufträge nicht unerläßliche Voraussetzung für seine gewerbliche Tätigkeit war und weiteren Umständen, insbesondere, daß die Bau-GmbH der Tätigkeit des Malerbetriebs nicht wesensfremd war, keine Bedeutung beigemessen. Dies reicht nicht aus, um die vom FG getroffene Entscheidung zu tragen.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang die Bedeutung der Beteiligung für die betriebliche Tätigkeit des Klägers noch im einzelnen zu untersuchen haben. Es wird dabei auch der Frage nachzugehen haben, in welchem (absoluten) Umfang die Bau-GmbH in den einzelnen Jahren Aufträge vergeben hat und ob bzw. zu welchem Anteil auch gesellschaftsfremde Malerbetriebe entsprechende Aufträge erhalten haben. Festzustellen ist auch, ob der Kläger - neben der Bau-GmbH - weitere langjährige Dauerkunden mit einem vergleichbar hohen Auftragsanteil gehabt hat. Nur wenn die Bau-GmbH hiernach als "normaler" und geschäftsüblicher Auftraggeber anzusehen wäre, wäre die Beteiligung des Klägers nicht als notwendiges Betriebsvermögen anzusehen. Es käme dann darauf an, ob er die Beteiligung durch entsprechende Einlagehandlungen dem gewillkürten Betriebsvermögen zugeführt hat. Aus der von 1982 an bis zum Streitjahr vorgenommenen Aktivierung der Beteiligung dürfte sich dies - wie das FG insoweit zu Recht angenommen hat - nicht ableiten lassen. Die Beteiligung ist seinerzeit durch den Betriebsprüfer aktiviert worden, weil er davon ausging, es handele sich um notwendiges Betriebsvermögen. Der Kläger ist dem gefolgt. Es kann aufgrund dieser Billigung der Verwaltungsmeinung nicht unterstellt werden, er hätte auch für den Fall, daß tatsächlich kein notwendiges Betriebsvermögen vorlag, durch eine Einlagehandlung gewillkürtes Betriebsvermögen bilden wollen. Auf das Urteil des BFH vom 4. April 1973 I R 159/71 (BFHE 109, 337, BStBl II 1973, 628) wird hingewiesen (s. auch Schmidt/Heinicke, a. a. O., § 4 Anm. 53 b).