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  BFH-Urteil vom 28.1.1994 (VI R 25/93) BStBl. 1994 II S. 355

Bewohnt der Platzwart einer Sportanlage eine sich auf dem Gelände der Sportanlage befindende Dienstwohnung und stellt er dort seinen privaten PKW ab, ist eine während der Öffnungszeiten der Sportanlage von unbekannten Besuchern verursachte Beschädigung des PKW nicht ohne weiteres als beruflich veranlaßt anzusehen.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1993, 374)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Platzwart beim Sport- und Bäderamt der Stadt X beschäftigt. Er bewohnt eine Dienstwohnung auf dem Gelände der von ihm betreuten Sportanlage. Im Streitjahr 1988 wurde der in der Nähe der Wohnung abgestellte private PKW des Klägers während der Öffnungszeiten der Sportanlage beschädigt. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger Aufwendungen für die Beseitigung von Lackschäden an seinem PKW mit der Begründung als Werbungskosten geltend, daß der Schaden von Besuchern der Sportanlage verursacht worden sei; trotz polizeilicher Bemühungen hätten die Schädiger nicht festgestellt werden können.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, es sei ein objektiver Zusammenhang der Reparaturaufwendungen mit dem Beruf des Klägers zu bejahen. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 374 veröffentlicht.

Das FA stützt seine Revision auf eine Abweichung zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. März 1982 VI R 25/80 (BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442) sowie vom 25. Mai 1992 VI R 171/88 (BFHE 168, 542, BStBl II 1993, 44).

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht entschieden, daß die Aufwendungen des Klägers für die Beseitigung des Lackschadens an seinem PKW beruflich veranlaßt und deshalb als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abziehbar seien.

1. Werbungskosten sind über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus nach gefestigter Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368, 369, m. w. N.) alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlaßt sind. Für den Fall unfreiwilliger Schäden an dem PKW eines Arbeitnehmers hat der Senat Werbungskosten in dem Fall angenommen, daß der Schaden gezielt von einem Dritten aus Rachegefühlen, deren Gründe in der beruflichen Sphäre des Arbeitnehmers lagen, herbeigeführt wurde (BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442).

Im Streitfall kann offenbleiben, ob ein Werbungskostenabzug unter diesem Gesichtspunkt nur in Betracht kommt, wenn das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 FGO die volle Überzeugung gewonnen hat, der Dritte habe den Schaden gezielt aus Rachegefühlen herbeigeführt, die mit der beruflichen Sphäre des geschädigten Arbeitnehmers zusammenhängen, oder ob bei solchen Sachverhalten typischerweise eine Beweisnot des geschädigten Arbeitnehmers besteht, die zu seinen Gunsten eine Reduzierung des Beweismaßes rechtfertigen kann. Denn selbst wenn von letzterem auszugehen wäre, kann allein die hypothetische Möglichkeit, irgendein Dritter habe die Beschädigung aus in der beruflichen Sphäre des Arbeitnehmers liegenden Rachegefühlen herbeigeführt, nicht ausreichen, um einen beruflichen Veranlassungszusammenhang anzunehmen. Der geschädigte Arbeitnehmer hat auf jeden Fall einen Sachverhalt substantiiert darzulegen und nachzuweisen, der den Schluß auf ein Handeln des Schädigers aus Rache zumindest nahelegt. Anderenfalls könnten Arbeitnehmer mit entsprechenden Berufen sämtliche Schäden an ihren privaten PKW mühelos der beruflichen Sphäre zuordnen und die entsprechenden Aufwendungen als Werbungskosten abziehen.

Im Streitfall mangelt es bereits an der substantiierten Darlegung eines konkreten Sachverhaltes, der den Schluß nahelegen könnte, der PKW sei aus in der beruflichen Sphäre des Klägers liegenden Rachegefühlen eines Dritten beschädigt worden. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen und das FG hat nicht festgestellt, daß der Kläger sich in zeitlichem Zusammenhang mit der Beschädigung seines PKW bei seiner Berufsausübung überhaupt in einer konkreten Konfliktsituation mit einem oder mehreren Besuchern der Sportanlage befunden hat. Läßt sich aber eine konkrete Konfliktsituation nicht feststellen, so fehlt jegliche Voraussetzung für die Schlußfolgerung, die Beschädigung des PKW sei gezielt aus Rachegefühlen herbeigeführt worden.

2. Soweit das FG ein Handeln aus persönlicher Feindschaft als ausgeschlossen betrachtet und angenommen hat, der PKW sei durch Besucher der Sportanlage beschädigt worden, rechtfertigt dies nach Ansicht des Senats und entgegen der Auffassung des FG nicht die Wertung, der Schaden sei beruflich veranlaßt. Denn der Kläger hatte seinen PKW nicht aus beruflichen, sondern aus privaten Gründen auf dem Sportgelände abgestellt. Der Kläger befand sich im Zeitpunkt der Beschädigung des PKW nicht auf einer Dienstreise. Er hat dementsprechend den PKW nicht, einem Arbeitsmittel vergleichbar, während eines beruflichen Einsatzes verwendet und in dessen Verlauf lediglich vorübergehend geparkt (vgl. Urteil in BFHE 168, 542, BStBl II 1993, 44).

Vielmehr hatte der Kläger seinen PKW deshalb auf der Sportanlage abgestellt, weil er dort seine Dienstwohnung hatte. Das Wohnen ist aber grundsätzlich der privaten Lebenssphäre zuzurechnen; die damit zusammenhängenden Kosten sind nicht steuermindernd zu berücksichtigen (vgl. § 12 Nr. 1 EStG). An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn der Steuerpflichtige aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz an einem solchen Ort innehat oder sogar innehaben muß, an dem sein privates Eigentum einer erhöhten Gefährdung, z. B. in Form erhöhter Diebstahls- oder Beschädigungsgefahr, ausgesetzt ist. Die Wertung, Wohnen sei grundsätzlich privat, bleibt selbst dann von überragendem Gewicht, wenn berufliche Gründe den Ausschlag dafür gegeben haben, gerade diese Wohnung mit ihrer erhöhten Gefährdung für das private Eigentum zu beziehen. Bei einer anderen Betrachtungsweise träten unlösbare Abgrenzungsprobleme auf. Es könnten Steuerpflichtige mit entsprechenden Berufen sämtliche Aufwendungen, die mit Gefährdungen zusammenhängen, die sich für alle anderen Bürger als allgemeines Lebensrisiko darstellen, im beruflichen Bereich ansiedeln. Der mit § 12 Nr. 1 EStG verfolgte Zweck, zu verhindern, daß bei dafür geeigneten Berufen die Kosten der Lebensführung in einen steuerlich relevanten Bereich verlagert werden, würde in nicht mehr vertretbarer Weise eingeschränkt.

Dazu steht nicht in Widerspruch, daß nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Februar 1993 VI R 42/92, BFHE 170, 560, BStBl II 1993, 519) ein Arbeitnehmer die Aufwendungen für eine auf Dienstreisen beschränkte Reisegepäckversicherung als Werbungskosten abziehen kann. Zwar handelt es sich bei dem Verlust von Reisegepäck ebenfalls um ein allgemeines Lebensrisiko. Insoweit ist aber - auch wenn es sich um einen Grenzfall handeln mag - eine Abgrenzung zwischen der beruflichen und privaten Sphäre noch möglich. Denn wenn sich ein Arbeitnehmer auf eine Dienstreise begibt, nimmt er private Gegenstände gerade aus seinem häuslichen, privaten Wohnbereich heraus und setzt diese einer erhöhten Gefährdung aus, um sie während der Dauer seiner beruflichen Reise, also während seines beruflichen Einsatzes, zu verwenden. Demgegenüber kann allein der Umstand, daß ein Arbeitnehmer in einer Dienstwohnung wohnt oder sogar wohnen muß, nicht zur Folge haben, daß sein gesamtes privates Leben in dieser Wohnung als beruflicher Einsatz zu werten ist.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der vom FG festgestellte Sachverhalt nicht die Wertung zuläßt, daß zwischen dem Lackschaden an dem PKW des Klägers und seinem Beruf ein beruflicher Zusammenhang besteht.