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  BFH-Urteil vom 23.11.1993 (VII R 56/93) BStBl. 1994 II S. 356

1. Eine Leistungsklage auf Rücknahme der einer Gewerbebehörde bereits erteilten Auskunft des FA über die Höhe der Steuerrückstände des Klägers ist unzulässig.

2. Zur Frage, ob die Feststellungsklage nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO auch subsidiär ist, wenn eine Gestaltungs- oder Leistungsklage auf einem anderen als dem finanzgerichtlichen Rechtsweg möglich ist.

3. Für die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der einer Gewerbebehörde erteilten Auskunft über die Höhe der Steuerrückstände fehlt jedenfalls dann ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn für die Untersagung der Ausübung des Gewerbes die erteilte Auskunft nicht allein ausschlaggebend gewesen ist.

AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 5; FGO §§ 41 Abs. 1 und 2 Satz 1, 100 Abs. 1 Satz 4, 110.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

I.

Das beklagte und revisionsbeklagte Finanzamt (FA) teilte der Stadtverwaltung auf deren Anfrage in einem Gewerbeuntersagungsverfahren die Steuerrückstände mit, die dort für die dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) gehörigen und von ihm geleiteten Unternehmen sowie für ihn und seine Ehefrau bestanden.

Die Stadtverwaltung untersagte dem Kläger auf Antrag ihrer Stadtkasse gemäß §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 155 Abs. 2 der Gewerbeordnung (GewO) die Ausübung seines Gewerbes wegen erwiesener Unzuverlässigkeit zum Schutze der Allgemeinheit auf Dauer und mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung stützte sich die Stadtverwaltung neben der Mitteilung der Stadtkasse über die bei ihr bestehenden Gewerbesteuerschulden auch auf die Mitteilung des FA über die dort bestehenden Steuerrückstände.

Mit seiner beim Finanzgericht (FG) erhobenen Klage begehrte der Kläger festzustellen, daß das FA mit seiner Mitteilung an die Stadtverwaltung über seine Steuerrückstände gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses verstoßen habe. Er habe ein Feststellungsinteresse, weil er im Widerspruchsverfahren gegen die Untersagungsverfügung und im Verfahren nach § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geltend gemacht habe, daß die Stadtverwaltung unzulässigerweise Angaben verwertet habe, die das FA unter Mißachtung des Steuergeheimnisses erteilt habe.

Die Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 802 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.

Mit der Revision macht der Kläger im wesentlichen geltend, die in § 41 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelte Subsidiarität der Feststellungsklage beziehe sich nur auf im finanzgerichtlichen Verfahren vorgesehene Klagen. Eine Folgenbeseitigungsklage komme hinsichtlich der vom FA erteilten Auskunft nicht in Betracht. Das Feststellungsinteresse des Klägers bestehe unabhängig von den durch das Verwaltungsgericht anzustellenden Überlegungen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

1. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des FG zutrifft, die Feststellungsklage sei schon nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO unstatthaft, weil der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verfolgen könne. Denn es fehlt im Streitfall jedenfalls an dem nach § 41 Abs. 1 FGO erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse für die Klage, so daß die Klage schon aus diesem Grunde unzulässig ist. Auch eine Klage auf Folgenbeseitigung im finanzgerichtlichen Verfahren kommt nicht in Betracht.

a) Der Senat kann der Vorinstanz nicht darin folgen, daß der Kläger sein Ziel im finanzgerichtlichen Verfahren auch mit einer Leistungsklage auf Folgenbeseitigung erreichen kann und deswegen die Feststellungsklage nach § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO unstatthaft ist. Denkbar ist zwar, im Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen die bevorstehende Erteilung einer Auskunft vorzugehen (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1986 VII R 122/83, BFHE 148, 372, 377 f.). Daraus folgt aber nicht, daß auch eine Klage auf Rücknahme einer erteilten Auskunft zulässig wäre. Denn insoweit würde es schon an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers fehlen, weil er damit nicht die Wiederherstellung der Rechtsposition erreichen könnte, die er vor Erteilung der Auskunft hatte. Die Kenntnis, die der Auskunftempfänger durch die Auskunft erlangt hat, könnte durch eine Rücknahme der Auskunft nicht rückgängig gemacht werden. Würde die Klage über die Rücknahme der Auskunft hinaus auf Folgenbeseitigung zielen, wäre sie, weil auf etwas Unmögliches gerichtet, unzulässig. Denn das FA könnte die durch die Auskunft erlangte Kenntnis des Auskunftempfängers nicht rückgängig machen.

b) Ob - wie die Vorinstanz meint - ein Fall der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO geregelten Subsidiarität der Feststellungsklage auch gegeben ist, wenn eine Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht im finanzgerichtlichen Verfahren, sondern auf einem anderen Rechtsweg - hier dem allgemeinen Verwaltungsrechtsweg - möglich ist, erscheint dem Senat zweifelhaft.

Es trifft zwar zu, daß der Kläger - wie der Senat in einem ähnlichen Fall bereits ausgeführt hat - die rechtswidrige Offenlegung seiner steuerlichen Verhältnisse auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Gewerbeuntersagung geltend machen kann (Senatsurteil vom 10. Februar 1987 VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545, m. w. N.). Das könnte in der Tat dafür sprechen, die im Finanzrechtsweg erhobene Feststellungsklage i. S. des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO als subsidiär und damit unstatthaft anzusehen. Dafür spricht, daß der durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) gewährten Rechtsweggarantie Genüge getan ist, wenn überhaupt eine gerichtliche Rechtsverfolgung möglich ist. Ferner könnte es ganz allgemein Zweck der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO und gleichlautend in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO getroffenen Regelung sein, im Interesse einer effektiven Rechtsschutzgewährung überflüssige Prozesse über Vorfragen zu vermeiden, die, wie im Streitfall, auch im Verfahren gegen die Gewerbeuntersagung geklärt werden können (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 18. Oktober 1985 4 C 21/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1986, 1826, 1828).

Auf der anderen Seite spricht gegen die weite, rechtswegübergreifende Auslegung des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO dessen Zweck, vor allem ein Unterlaufen der für die anderen finanzgerichtlichen Klagen geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen zu verhindern. Diesem Zweck entspricht es, daß nach dieser Regelung nur solche Klagen gegenüber der Feststellungsklage vorrangig sein können, die im Finanzgerichtsweg vorgesehen sind. Der weitere Gesichtspunkt, daß der Kläger nicht auf einen Rechtsweg verwiesen werden darf, in dem mit der Sache nicht so vertraute Richter über ein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis entscheiden (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17. Februar 1971 V C 68.69, BVerwGE 37, 243, 247, und vom 29. August 1986 7 C 5.85, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1987, 239, 241; zum Meinungsstand: Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl., § 43 Rz. 26), käme im Streitfall freilich nicht in Betracht.

c) Welcher Auffassung zu folgen ist, kann aber im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Im Streitfall ist die Feststellungsklage schon deswegen unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses hat.

2. Das nach § 41 Abs. 1 FGO erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozeßziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. BFHE 149, 387). So liegen die Verhältnisse hier.

Anders als in dem ähnlichen, vom Senat bereits entschiedenen Fall (BFHE 149, 387), wurde die Gewerbeuntersagung im Streitfall nicht vom FA, sondern von der Stadtkasse betrieben. Während in dem entschiedenen Fall allein die Mitteilung des FA über die Steuerrückstände ausschlaggebend für die Gewerbeuntersagung war, ist diese Mitteilung im Streitfall - wie sich aus der vom FG in Bezug genommenen Verfügung über die Gewerbeuntersagung ergibt - neben den von der Stadtkasse gemeldeten Gewerbesteuerschulden nur ein weiterer Grund für die Gewerbeuntersagung gewesen. Deshalb kann nicht - wie in dem entschiedenen Fall - damit gerechnet werden, daß die Untersagungsverfügung außergerichtlich zurückgenommen wird, falls aufgrund der vorliegenden Klage festgestellt würde, daß die Offenlegung der Steuerrückstände durch das FA rechtswidrig war. Der Kläger hätte deshalb mit einem für ihn positiven Ergebnis des Verfahrens nichts gewonnen. Ihm bliebe die Klage gegen die Verfügung der Stadt, mit der ihm die Ausübung seines Gewerbes untersagt wurde, nicht erspart. Sein eigentliches Ziel, die Aufhebung der Gewerbeuntersagung, könnte er daher mit der anhängigen Feststellungsklage aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht mittelbar erreichen. Es erscheint daher sachgerecht, den gesuchten Rechtsschutz nur im Verwaltungsgerichtswege zu verfolgen. Somit fehlt im Streitfall das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage.

Dieses Ergebnis ist auch deswegen gerechtfertigt, weil ein Feststellungsurteil im Streitfall für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nach § 110 FGO nicht bindend wäre (insoweit ggf. anders bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO im Hinblick auf einen zivilrechtlichen Schadensersatzprozeß; vgl. dazu u. a. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteile vom 30. Juli 1975 I R 153/73, BFHE 116, 459, BStBl II 1975, 857; vom 19. Dezember 1989 VII R 30/89, BFH/NV 1990, 710, und BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545, sowie BVerwG in NJW 1986, 1826). Denn die Beteiligten dieses finanzgerichtlichen Verfahrens stimmen mit denen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gegen die Gewerbeuntersagungsverfügung der Stadtverwaltung nicht überein. Hinzu kommt, daß das Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem Beklagten bestehen muß (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juni 1972 I R 172/70, BFHE 106, 414; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 41 FGO Rz. 12). Ein solches ist vom Kläger in bezug auf das hier beklagte FA nicht geltend gemacht worden. Sein Feststellungsinteresse besteht vielmehr lediglich gegenüber der Stadtverwaltung; ihr gegenüber möchte er erreichen, daß die angeblich rechtswidrige Auskunft des FA nicht zur Begründung der Gewerbeuntersagung verwertet werden darf.