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  BFH-Urteil vom 12.1.1994 (II R 130/91) BStBl. 1994 II S. 408

Auch wenn alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft bereits seit Gründung der Gesellschaft von einer Person teils unmittelbar, teils mittelbar über eine Gesellschaft gehalten werden, an der diese Person zu 100 v. H. beteiligt ist, löst die Vereinigung aller Anteile unmittelbar in der Hand dieser Person keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 aus (Anschluß an BFH-Urteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121).

GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1992, 355)

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob durch Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden GmbH auf den Kläger der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) erfüllt wurde.

Gesellschafter der Verwaltungsgesellschaft A-mbH (Verwaltungsgesellschaft) waren zunächst der Kläger und ein Dritter. Sowohl der Kläger als auch der Dritte waren Kommanditisten der B-KG; persönlich haftende Gesellschafterin war die Verwaltungsgesellschaft. Mit Vertrag vom 6. September 1983 hat der Dritte seinen Anteil an der Verwaltungsgesellschaft und seine Kommanditbeteiligung an der B-KG mit Wirkung vom 1. März 1983 auf den Kläger übertragen, so daß dieser Alleingesellschafter der Verwaltungsgesellschaft und einziger Kommanditist der B-KG wurde. Im Jahre 1984 übertrug der Kläger ein Grundstück auf die B-KG. Im Jahre 1985 wurde die B-KG in die B-GmbH umgewandelt. Am Stammkapital der B-GmbH waren zunächst der Kläger und die Verwaltungsgesellschaft im selben Verhältnis wie zuvor an der KG beteiligt. Durch Vertrag vom selben Tag veräußerte die Verwaltungsgesellschaft ihre Beteiligung an der B-GmbH an den Kläger.

Dadurch sah das Finanzamt (FA) für das Grundstück der B-GmbH den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 als erfüllt an.

Das Finanzgericht (FG) hat mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 355 veröffentlichten Entscheidung der Klage stattgegeben und den Grunderwerbsteuerbescheid aufgehoben.

Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, daß der Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 nicht erfüllt sei. Hilfsweise müßte § 16 Abs. 2 GrEStG 1983 analog angewendet werden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß durch den Vertrag über die Übertragung der Beteiligung von der Verwaltungsgesellschaft auf den Kläger keine der Grunderwerbsteuer unterliegende Vereinigung aller Anteile an der B-GmbH verwirklicht wurde.

1. Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung u. a. alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt würden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG 1983). Ist der Vereinigung der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen, so unterliegt die Vereinigung aller Anteile an ihr der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG 1983).

Diese Tatbestände knüpfen zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfassen aber die infolge der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. März 1982 II R 92/81, BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424). § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 behandelt den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind. Aus dieser Fiktion folgt zugleich, daß in bezug auf die Anteilsvereinigung diejenigen Anteile an einer Gesellschaft, die eine andere Gesellschaft hält, an der eine Person zu 100 v. H. beteiligt ist, dieser Person wie eigene Anteile zuzurechnen sind. Eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand i. S. von § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG 1983 liegt demgemäß auch dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz teils selbst (unmittelbar), teils (mittelbar) über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 v. H. beteiligt ist (vgl. Senatsurteile vom 11. Juni 1975 II R 38/69, BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834, und vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550). Sind die Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz in dieser Weise bereits teils unmittelbar, teils mittelbar in einer Hand vereinigt, so löst die Veränderung der zivilrechtlichen Rechtszuständigkeit dadurch, daß die dem Alleingesellschafter grunderwerbsteuerrechtlich bereits zugerechneten Anteile auf ihn übertragen werden, sich also unmittelbar in seiner Hand vereinigen, bei im übrigen unveränderten Beteiligungsverhältnissen keine Grunderwerbsteuer aus. Zur Begründung dafür verweist der Senat auf sein Urteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121.

Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den - mit Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90 entschiedenen - Fall, daß die teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung durch eine grundsätzlich der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 unterliegende Anteilsübertragung entstanden ist, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - dieses Beteiligungsverhältnis von Anfang an, d. h. seit Gründung der Gesellschaft, besteht. Auch in diesem Fall sind die Gesellschaftsgrundstücke dem Inhaber der Anteile bereits vorher grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen. Auch in diesem Fall bewirkt die zivilrechtliche unmittelbare Vereinigung aller Anteile keine grunderwerbsteuerrechtlich erhebliche Verstärkung seiner Position in bezug auf diese Gesellschaft mehr. Auch bei dieser Ausgangskonstellation wird daher durch die nachfolgende unmittelbare Anteilsvereinigung der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 nicht mehr verwirklicht.

2. Im Streitfall waren an der durch Umwandlung entstandenen GmbH zunächst der Kläger und die Verwaltungsgesellschaft beteiligt, bei der der Kläger wiederum Alleingesellschafter war. Damit waren die Anteile an der GmbH von Anfang an beim Kläger teils mittelbar, teils unmittelbar vereinigt. Durch die nachfolgende unmittelbare Anteilsvereinigung beim Kläger konnte der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 oder 2 GrEStG 1983 daher nicht verwirklicht werden.