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  BFH-Urteil vom 21.1.1994 (VI R 112/92) BStBl. 1994 II S. 418

Infolge Änderung der LStR kommt ab 1990 bei einer Tätigkeit an einem gleichbleibenden Arbeitsort der Abzug eines pauschalen Verpflegungsmehraufwandes allein wegen mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung nicht mehr in Betracht.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1993, 218)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1990 wegen längerer Arbeit an seiner Arbeitsstätte an 195 Tagen mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend. Im Hinblick hierauf begehrte er bei der Einkommensteuerveranlagung den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 3 DM täglich (195 Tage 3 DM = 585 DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Die Klage, mit der die Kläger den Abzug von 585 DM als Werbungskosten begehrten, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete sein in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 218 veröffentlichtes Urteil im wesentlichen wie folgt: Die wegen arbeitsbedingter arbeitstäglich mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen unterlägen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Denn sie seien in ihrer Gesamtheit weder ausschließlich oder weit überwiegend durch den Beruf des Klägers veranlaßt, noch gebe es für eine Abgrenzung des beruflich veranlaßten Verpflegungsmehraufwandes einen objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstab. Bei selbständig Tätigen habe der Bundesfinanzhof (BFH) Verpflegungsmehraufwendungen wegen mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung seit jeher selbst dann nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen, wenn die Gestaltung der Berufsausübung der eines Arbeitnehmers ähnlich sei. Bei Arbeitnehmern hingegen habe der BFH in ständiger Rechtsprechung die zu beurteilenden Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten anerkannt, weil Arbeitnehmer - anders als selbständig Tätige - in der Regel nicht über ihre Arbeitszeit frei bestimmen und aus diesem Grunde Ausgaben für eine zusätzliche Mahlzeit entstehen könnten, die bei frühzeitiger Rückkehr nach Hause nicht hätten anfallen müssen. Dieser Rechtsprechung und den entsprechenden Verwaltungsanweisungen (zuletzt Abschn. 22 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 1987) fehle aber die gesetzliche Grundlage; sie verstießen gegen § 12 Nr. 1 EStG.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter. Zur Begründung führen sie aus: Zu Unrecht gehe die Vorinstanz davon aus, daß ein Abzug des Verpflegungsmehraufwandes ohne gesetzliche Grundlage sei. Der Gesetzgeber habe den Werbungskostenbegriff in § 9 Abs. 1 EStG allgemein formuliert und durch wenige Beispiele konkretisiert. Man könne den weiten Werbungskostenbegriff nur empirisch ausfüllen. Die LStR und die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) sowie die Urteile der FG stellten eine Sammlung empirischer Erfahrungswerte dar. Danach seien die begehrten Verpflegungsmehraufwendungen in der Vergangenheit als Werbungskosten berücksichtigt worden. Es sei auch stets anerkannt gewesen, daß Verpflegungsmehraufwendungen, solange dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe, durch Pauschbeträge erfaßt und zum Werbungskostenabzug gebracht werden könnten. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, wieso dies nunmehr ohne gesetzliche Grundlage sein solle. Wenn bei selbständig Tätigen die Verpflegungsmehraufwendungen nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen würden, so sei dies zu deren Gunsten zu korrigieren.

Das FA tritt der Revision entgegen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Bis zur Geltung des Abschn. 22 Abs. 4 LStR 1987 habe die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Ungewißheit, ob und in welcher Höhe bei mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung ein Verpflegungsmehraufwand anfalle, einen Pauschbetrag von 3 DM täglich zum Werbungskostenabzug zugelassen. Diese Pauschalregelung gelte ab 1990 nicht mehr. Nach den LStR ab 1990 werde ein Verpflegungsmehraufwand nur noch bei Dienstreisen, Dienstgängen, Fahrtätigkeit und Einsatzwechseltätigkeit zum Werbungskostenabzug anerkannt. Wenn auch der BFH den bisherigen Abzug in Höhe von 3 DM gebilligt habe, so habe er bereits im Urteil vom 30. März 1979 VI R 123/76 (BFHE 127, 402, BStBl II 1979, 498) zu erkennen gegeben, daß nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei ständiger oder überwiegender mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung eine große Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß kein Verpflegungsmehraufwand entstehe. Damit habe die Finanzverwaltung im Rahmen ihrer Schätzungsbefugnis die frühere Verwaltungsanweisung ersatzlos aufheben können.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Vorentscheidung enthält keinen Rechtsverstoß, soweit sie Kosten der Ernährung am Ort der gleichbleibenden Arbeitsstätte als Kosten der Lebensführung nicht zum Werbungskostenabzug anerkannt hat, obwohl der Kläger infolge langer Arbeitszeit arbeitstäglich mehr als 12 Stunden von seiner Wohnung abwesend war.

1. Der BFH hat seit seinen durch die besonderen Verhältnisse der Nachkriegszeit geprägten (s. Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1986, 52) Urteilen vom 17. November 1950 IV 104/50 U (BFHE 55, 14, BStBl III 1951, 6) und vom 17. September 1953 IV 119/53 U (BFHE 58, 81, BStBl III 1953, 322) Verpflegungskosten dann zum Werbungskostenabzug zugelassen, wenn diese, ohne mit einer Reisetätigkeit zusammenzuhängen, darauf beruhten, daß der Arbeitnehmer arbeitstäglich aus beruflichen Gründen ungewöhnlich lange von seiner Wohnung abwesend war. Er ging davon aus, einem solchen Arbeitnehmer könnten durch den Bezug von Stärkungs- und Erfrischungsmitteln oder durch die Einnahme einer zusätzlichen Mahlzeit am Ort der festen, gleichbleibenden bzw. regelmäßigen Arbeitsstätte Ausgaben entstehen, die er nicht haben würde, wenn er wie die Mehrzahl der Arbeitnehmer täglich früher hätte nach Hause kommen können (Urteil in BFHE 127, 402, BStBl II 1979, 498, mit einem ausführlichen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung zu diesem Problembereich).

Die Finanzverwaltung war dieser Rechtsprechung gefolgt und hatte den infolge der langen Abwesenheit von der Wohnung unterstellten beruflich bedingten Verpflegungsmehraufwand zuletzt pauschal auf arbeitstäglich 3 DM festgelegt (vgl. den bis einschließlich 1989 geltenden Abschn. 22 Abs. 4 Nr. 1 LStR 1987). Ab 1990 geht sie allerdings davon aus, daß an einem gleichbleibenden Arbeitsplatz allein eine berufsbedingte arbeitstägliche überdurchschnittlich oder ungewöhnlich lange Abwesenheit von der Wohnung keinen so gut wie ausschließlich berufsbedingten Verpflegungsmehraufwand auslöst. Demgemäß wird in diesen Fällen der Abzug eines pauschalen Verpflegungsmehraufwandes als Werbungskosten von ihr nicht mehr anerkannt (Abschn. 33 Abs. 2 Nr. 4 Satz 3 LStR 1990; Abschn. 33 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 LStR 1993) und damit eine Gleichbehandlung mit selbständig tätigen Steuerpflichtigen herbeigeführt, bei denen der BFH bisher stets einen betrieblich veranlaßten Verpflegungsmehraufwand am Ort ihrer Betriebsstätte allein wegen mehr als zwölfstündiger Abwesenheit von der Wohnung verneint hatte (s. die Nachweise im Urteil vom 15. September 1988 IV R 116/85, BFHE 155, 287, BStBl II 1989, 276).

Diese neue Richtlinienregelung ist im steuerrechtlichen Schrifttum auf Zustimmung gestoßen, da die früheren Regelungen ohne gesetzliche Grundlage gewesen seien bzw. auf der zweifelhaften Unterstellung beruht hätten, daß der Mehraufwand für Verpflegung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer mehr als 12 Stunden von der Wohnung abwesend sei, gegenüber dem Aufwand eines Arbeitnehmers mit weniger als zwölfstündiger Abwesenheit abgegrenzt werden könne (vgl. z. B. v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Anm. B 634; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Beköstigungskosten am Arbeitsort", Lieferung Oktober 1992; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 19 Anm. 12 "Verpflegungsmehraufwendungen"; Tischer in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 12 Rn. 40, 49; Prinz in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 9 EStG Anm. 750 "Verpflegungskosten").

2. Die in den LStR ab 1990 zum Ausdruck gekommene Auffassung der Finanzverwaltung, wonach in Fällen arbeitstäglich überdurchschnittlich oder ungewöhnlich langer Abwesenheit von der Wohnung der Abzug von Verpflegungsmehraufwand nicht (mehr) in Betracht kommt, ist nicht zu beanstanden.

Kosten der allgemeinen Lebensführung, zu denen auch die Kosten für Verpflegung gehören, können regelmäßig nicht die steuerliche Bemessungsgrundlage mindern. Gemäß § 12 Nr. 1 EStG dürfen die Kosten für den Haushalt des Steuerpflichtigen, wozu auch die allgemeinen Verpflegungskosten gehören, bei den einzelnen Einkunftsarten nicht abgezogen werden. Wo diese Verpflegung eingenommen wird - etwa im Haushalt des Steuerpflichtigen oder an dessen gleichbleibender Arbeitsstelle - ist unerheblich. Allein der Umstand, daß Kosten für Verpflegung während der Arbeitszeit anfallen, macht diese Aufwendungen nicht zu berufsbedingten und damit steuerlich als Werbungskosten abziehbaren Kosten. Dabei kann dem Umstand keine Bedeutung zukommen, ob am Ort der Arbeitsstätte eine Kantine zur Verfügung steht, ob der Arbeitnehmer sich anderweitig Verpflegungsmittel beschafft oder ob er Verpflegung von zu Hause mitbringt (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Juni 1966 VI 231/64, BFHE 86, 574, BStBl III 1966, 608). Diese unterschiedlichen Gegebenheiten sind ebenso unbeachtlich wie die unterschiedlichen häuslichen Verpflegungsgewohnheiten. Denn die Art der Verpflegung an der gleichbleibenden Arbeitsstätte und die dadurch bedingte Höhe der Aufwendungen wird wesentlich von den individuellen Gegebenheiten der Lebensführung des Steuerpflichtigen bestimmt. Sie kann z. B. u. a. davon abhängen, ob der Steuerpflichtige einer Kantinenmahlzeit ein Essen in einer nahegelegenen Gaststätte vorzieht, ob er bei entsprechend gelegener Wohnung diese mittags aufsucht oder ob er Verpflegung von zu Hause mitbringt bzw. nur eine Kleinigkeit hinzukauft, weil die Hauptmahlzeit abends eingenommen wird. Es wäre letztlich auch bei dem Versuch, einen Verpflegungsmehraufwand durch Einzelnachweis zu ermitteln, kein Maßstab ersichtlich, wie man einen beruflich veranlaßten Teil dieser Verpflegungsaufwendungen feststellen könnte. Dieser Gedanke liegt auch dem Urteil des Senats vom 18. Dezember 1992 VI R 36/92 (BFHE 170, 375, BStBl II 1993, 505) zugrunde, in welchem die Kosten für Fahrten eines Arbeitnehmers von dessen gleichbleibender Arbeitsstätte zu einer nahegelegenen Kantine auch dann nicht zum Werbungskostenabzug anerkannt worden sind, wenn am Arbeitsort selbst keine entsprechenden Verpflegungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Diese zunächst für einen normalen Arbeitstag an der gleichbleibenden Arbeitsstätte geltenden Grundsätze finden ebenfalls Anwendung, wenn Verpflegungsaufwand allein wegen überlanger Abwesenheit von zu Hause anfällt. Auch eine lange Abwesenheit von der Wohnung ist kein derart atypischer Geschehensablauf, der den Anfall eines eindeutig beruflich veranlaßten Verpflegungsmehraufwandes wahrscheinlich erscheinen läßt und einen Maßstab für dessen Ermittlung bietet. Es ist zwar nicht der vom FG München in seinem Urteil vom 17. November 1992 2 K 950/91 (EFG 1993, 217) geäußerte Gedanke entscheidungserheblich, es sei nicht zu erkennen, warum eine Nahrungsaufnahme, die ohnehin erfolgt wäre, bei überlanger Abwesenheit von der Wohnung dem beruflichen Bereich zugerechnet werden solle. Denn es geht nicht um die Frage, ob eine Nahrungsaufnahme dem beruflichen Bereich zugeordnet werden soll, sondern darum, ob die Ernährung, die aus beruflichen Gründen außerhalb der Wohnung aufgenommen werden muß, zu zusätzlichen Kosten gegenüber der häuslichen Nahrungsaufnahme führt. Da aber davon ausgegangen werden kann, daß Steuerpflichtige die Verpflegungsmöglichkeiten am Ort der Arbeits- oder Betriebsstätte kennen, damit also den Verpflegungsaufwand entsprechend den persönlichen Bedürfnissen gestalten können und dies unabhängig von der täglichen Arbeitszeit an der gleichbleibenden Arbeitsstätte gilt, bietet allein die überlange Abwesenheit von der Wohnung keine Wahrscheinlichkeit für den Anfall eines beruflich veranlaßten Verpflegungsmehraufwandes; ein solcher ließe sich selbst im Wege des Einzelnachweises nicht ermitteln. Die Situation ist grundlegend verschieden von derjenigen eines Arbeitnehmers, der sich bei einer Reisetätigkeit Verpflegungsverhältnissen gegenübersieht, die den Besuch z. B. einer Gaststätte als erforderlich und damit das Entstehen eines Verpflegungsmehraufwandes aus beruflichen Gründen als auf der Hand liegend erscheinen lassen.

3. Wenn die Finanzverwaltung unter diesen Gegebenheiten ab 1990 bei einer Tätigkeit an einer gleichbleibenden Arbeitsstätte davon absieht, den Abzug eines pauschalen Verpflegungsmehraufwandes wegen mehr als 12stündiger Abwesenheit von der Wohnung als Werbungskosten zuzulassen, so ist dies nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht der Abzug eines Verpflegungsmehraufwandes damit nicht zu.