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  BFH-Urteil vom 26.1.1994 (X R 17/91) BStBl. 1994 II S. 542

Die Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG steht dem Eigentümer nicht zu für eine Wohnung, die er seiner dauernd von ihm getrennt lebenden Ehefrau unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat.

EStG § 10 e.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist verheiratet, lebt aber seit 1984 von seiner Ehefrau getrennt. Er wohnt allein in einer Mietwohnung, in der er polizeilich mit erstem Wohnsitz gemeldet ist. Seine Ehefrau lebte zunächst in der ehemaligen Familienwohnung. Die gemeinsame Tochter hat 1988 mit einem Studium in M begonnen. Mit Hauptwohnsitz ist sie in der Wohnung des Klägers gemeldet.

Ende 1988 erwarb der Kläger eine 50,6 qm große Eigentumswohnung, in die die Ehefrau einzog. Am 20. Dezember 1988 meldete der Kläger diese Wohnung als seinen Zweitwohnsitz an.

Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für 1988 und 1989 machte der Kläger jeweils "Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten" in Höhe von 18.000 DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend, für die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Freibeträge auf den Lohnsteuerkarten gewährte. Ferner beantragte der Kläger, für beide Jahre einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG für seine von der Ehefrau bewohnte Eigentumswohnung als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Das FA lehnte die Eintragung ab, weil der Kläger die Eigentumswohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe.

Mit seinen Einsprüchen brachte der Kläger vor, bei der von ihm erworbenen Eigentumswohnung handle es sich um eine Zweitwohnung, die von ihm und seiner Familie bewohnt werde. Die Wohnung sei bis auf das Schlafzimmer mit seinen Möbeln ausgestattet und auf seine Kosten versichert. Er kümmere sich um alle Reparaturen und sehe dort Fernsehsendungen an, die er in seiner Mietwohnung nicht empfangen könne. Außerdem wohne er dort bei Krankenhaus- und Kuraufenthalten seiner Ehefrau. Auch verbringe er seit einiger Zeit die Wochenenden bei seiner Ehefrau; man koche und esse dort gemeinsam. Die Ehefrau habe die gemeinsame Tochter während einer Erkrankung in der Eigentumswohnung gepflegt. Die Einsprüche waren erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) stellte auf Antrag des Klägers fest, daß die Bescheide, mit denen das FA die Eintragung eines Freibetrags nach § 10 e Abs. 1 EStG abgelehnt habe, rechtswidrig seien. Es führte aus: Eine Wohnung werde zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Steuerpflichtige sie allein oder gemeinsam mit seinen Familienangehörigen bewohne. Eine Wohnung könne auch dadurch genutzt werden, daß sie einem Familienangehörigen unentgeltlich zur Nutzung überlassen werde (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366). Dem stehe § 10 e Abs. 1 Satz 3 EStG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift liege eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden. Daraus werde geschlossen, daß es an einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken fehle, wenn eine Wohnung insgesamt zu Wohnzwecken überlassen werde. Im Streitfall werde die Eigentumswohnung aber nicht durch Überlassung an eine andere Person genutzt. Vielmehr halte sich die Nutzung durch die Ehefrau im Rahmen der Nutzung durch die Familie des Klägers, die wie eine Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke i. S. des § 10 e EStG angesehen werde. Das FG Berlin (Urteil vom 8. Dezember 1987 VII 140/87, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 308) habe dementsprechend für den Fall einer "intakten" Ehe angenommen, daß der Eigentümer einer Wohnung diese gemäß § 21 Abs. 2 EStG selbst nutze, auch wenn sie vom Ehegatten bewohnt werde. Im Rahmen des § 10 e EStG komme es für die Beurteilung der Selbstnutzung nicht darauf an, ob die Eheleute nach zivil- oder steuerrechtlichen Grundsätzen getrennt lebten. Denn auch im Falle des Getrenntlebens sei die Ehefrau so lange eine Familienangehörige, bis die Ehe durch rechtskräftiges Scheidungsurteil aufgelöst worden sei. Eine Nutzung der Wohnung durch die Ehefrau sei aber eine Form der Eigennutzung des Klägers durch Überlassung der Wohnung an seine Familie.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10 e Abs. 1 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er führt aus, er sei in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausführlich auf die vom FA geforderte eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft eingegangen. Das FG habe - von seiner Rechtsauffassung aus zu Recht - diesen Sachverhalt nur kursorisch erwähnt. Er habe damals im einzelnen vorgetragen, daß er tägliche Kontakte zu seiner Ehefrau pflege. Es könne daher nicht von einem Getrenntleben im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgegangen werden, so daß die Revisionsbegründung schon deshalb ins Leere gehe. Im übrigen sei die rechtliche Würdigung des FG sachgerecht und entspreche dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt.

Es führt zur Sache aus: Der Eigentümer nutze eine Wohnung nur dann zu eigenen Wohnzwecken, wenn er sie selbst bewohne. Zur Eigennutzung gehöre auch die Mitbenutzung der Wohnung durch die mit dem Eigentümer in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen (BFH-Urteil vom 21. Juli 1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938). Liege jedoch wie im Streitfall keine Haushaltsgemeinschaft vor, weil die Ehegatten dauernd getrennt lebten, nutze der Eigentümer-Ehegatte die dem anderen Ehegatten aufgrund unterhaltsrechtlicher Verpflichtung überlassene Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken. Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "eigene Wohnzwecke", die auch eine "mittelbare" Eigennutzung in Form unterhaltsrechtlich begründeter Wohnungsüberlassung umfasse, lasse sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Vorschrift vereinbaren.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Dem Kläger steht für die an die getrennt lebende Ehefrau überlassene Wohnung kein Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG zu.

1. Die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 1 EStG setzt u. a. voraus, daß der Eigentümer die angeschaffte oder hergestellte Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Der Begriff "eigene Wohnzwecke" ist mehrdeutig.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird durch die Beifügung des Wortes "eigen" zum Ausdruck gebracht, daß die Nutzung auf die Wohnzwecke des Eigentümers selbst bezogen sein müsse. Zur Eigennutzung in diesem Sinne gehöre daher die Nutzung durch den Eigentümer und die Mitbenutzung der Wohnung durch die mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen, nicht dagegen die "mittelbare" Eigennutzung, die durch eine unterhaltsrechtlich begründete unentgeltliche Wohnungsüberlassung entstehe.

Der erkennende Senat hat im Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91 (BFHE 173, 345, BStBl II 1994, 544) ausgeführt, auch die Überlassung einer Wohnung aufgrund unterhaltsrechtlicher Verpflichtung gegenüber Kindern könne nach dem Wortsinn noch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufgefaßt werden. Aufgrund des mit der Steuerbegünstigung nach § 10 e EStG verfolgten Zwecks, insbesondere Familien mit Kindern den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen, hat der Senat eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Eigentümers angenommen, wenn dieser die Wohnung einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern i. S. des § 32 Abs. 1 bis 5 EStG zum Wohnen überläßt.

Eine andere Beurteilung ist dagegen geboten, wenn der Eigentümer seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau eine Wohnung zur Verfügung stellt. Besteht die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer nicht mehr und überläßt der unterhaltsverpflichtete Eigentümer der von ihm getrennt lebenden Ehefrau an Stelle des Barunterhalts eine Wohnung zur unentgeltlichen Nutzung, wird die Wohnung aus der Sicht des überlassenden Ehegatten nicht zu eigenen, sondern zu fremden Wohnzwecken genutzt.

Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie grundsätzlich die Art des Unterhalts - Geld oder Naturalunterhalt - bestimmen (§ 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Eltern entscheiden also darüber, ob das Kind im elterlichen Haushalt oder außerhalb der Familienwohnung wohnt. Dieses Bestimmungsrecht ermöglicht den Eltern, in gewissem Umfang auch noch auf volljährige Kinder Einfluß zu nehmen und deren Lebensführung zu überwachen (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl., § 1612 Rz. 5). Kommt eine Unterbringung im elterlichen Haushalt, z. B. aufgrund der räumlichen Verhältnisse oder weil das Kind an einem anderen Ort ausgebildet wird, nicht in Betracht, gehört das Kind im allgemeinen gleichwohl noch zur Familiengemeinschaft, so daß die Nutzung einer den Eltern gehörenden Wohnung durch ein Kind den Eltern als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden kann.

Bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten hingegen hat der Unterhaltsverpflichtete Unterhalt durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§ 1361 Abs. 4 BGB). Er kann an Stelle des Barunterhalts auch Sachleistungen - z. B. durch Überlassung einer Wohnung - erbringen, sofern der Unterhaltsberechtigte damit einverstanden ist. Infolge der fehlenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft kann aber das Bewohnen einer Wohnung durch den dauernd getrennt lebenden Ehegatten dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten nicht als eigenes zugerechnet werden.

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des Realsplittings in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erkennen gegeben, daß die steuerrechtliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten gegenständlich begrenzt sein soll.

Aus § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG ist ersichtlich, daß nach der Wertung des Gesetzgebers nicht jedwedes Zurverfügungstellen von Wohnraum in Erfüllung einer Unterhaltspflicht die "eigenen Wohnzwecke" berührt. Diese Vorschrift, die zwischen der Nutzung durch den Steuerpflichtigen "zu eigenen Wohnzwecken" und "Wohnzwecken des Altenteilers" unterscheidet, läßt darauf schließen, daß im Sinne des EStG "eigene" Wohnzwecke nur erfüllt werden, wenn unterhaltsberechtigte Personen typischerweise zur Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören.

2. Ehegatten leben dauernd getrennt, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer nicht mehr besteht. Wesentliches Merkmal der ehelichen Lebensgemeinschaft ist das Zusammenleben der Ehegatten (z. B. BFH-Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 150/69, BFHE 109, 363, BStBl II 1973, 640). Leben die Ehegatten jeweils für sich in verschiedenen Wohnungen, kann eine eheliche Lebensgemeinschaft nur angenommen werden, wenn die Trennung durch äußere Umstände erzwungen wurde (z. B. durch eine Berufstätigkeit an einem anderen Ort) und die Ehegatten die Absicht haben, nach Wegfall des Hindernisses wieder zusammenzuleben.

3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger ist 1984 aus der Familienwohnung ausgezogen und hat in derselben Stadt eine Wohnung für sich gemietet und sich dort mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet. Gründe dafür, daß es sich nur um eine vorübergehende, auf äußere Umstände zurückzuführende Trennung handelt, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er hat auch nicht erklärt, in Zukunft wieder einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau führen zu wollen. Dem entsprechen seine Anträge auf Lohnsteuerermäßigung, in denen er jeweils begehrte, Unterhaltsleistungen an die getrennt lebende Ehefrau in dem nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zulässigen Höchstbetrag als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Das FA hat den Anträgen jeweils entsprochen. Die vom Kläger geschilderten Kontakte zu seiner Ehefrau reichen nicht aus, um eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft annehmen zu können.

Ein Abzugsbetrag für die von der dauernd getrennt lebenden Ehefrau bewohnte Wohnung steht ihm daher nicht zu. Die Ablehnung des FA, hierfür einen Freibetrag auf den Lohnsteuerkarten für 1988 und 1989 einzutragen, war somit rechtmäßig.